Erschöpf sah Claire in den Spiegel und erschrak. Tiefe Schatten lagen unter ihren müden, überanstrengten Augen. Noch dunkler, als sonst. Das Grün war nicht wie normal auffallend leuchtend, sondern schwach und glanzlos.
Der Schultag war lang und die Nacht anstrengender als sonst.
Sie seufzte. Ihre Mutter wäre so enttäuscht, wenn sie das alles erfahren würde.Einen Moment lang malte sie sich aus, wie fassungslos die ältere Frau wäre, wenn sie von der Art Job wüsste. Jedoch schluckte sie schnell die Gefühle und anbahnende Tränen herunter und drehte sich zu einem kleinen Medizinschrank an der Wand. Sie drehte den Schlüssel, der immer im Schlüsselloch steckte zur Seite und öffnete die Glastür. Ihr Blick überflog die vielen verschiedenen Packungen und gezielt zog sie eine heraus. Gleich zwei Aspirintabletten spülte sie mit einem Schluck Leitungswasser herunter.
Flink stellte sie alles wie es war, schloss die Schranktür und drehte den Schlüssel im Schloss zurück. Auf einer kleinen Ablage stand ein großes Kästchen, welches zwar unscheinbarer, aber mindestens genauso wichtig war.
Mehrere Schichten Concealer und Puder verdeckten ihre Schwächen. Mascara und Eyeliner, sowie dezenter Lidschatten lenkten die Aufmerksamkeit auf das einzig besondere an ihr: Ihre Augen. Perfektes Make-Up, aber trotzdem matter, ausgelaugter Ausdruck.
Ihr Körper schrie nach einer Pause, aber die hat sie nicht.
Der Lippenstift brachte schließlich etwas Farbe zurück. Sie schmierte noch etwas Rouge und anderes Zeug auf ihre Wangen und Gesicht, in der Hoffnung, sie könnte ihren Zustand vertuschen.
Seufzend packte sie alles weg und sah in den Spiegel. Wenigstens etwas mehr Leben kehrte in ihr Spiegelbild zurück, aber das war auch schon alles. Trotz der vielen Schminke sah es jedoch nicht übertrieben aus. Sogar ein leichter Schimmer Augenringe drang an die Oberfläche, aber das war jetzt auch egal.
In den Spiegel blickend setzte sie das beste unechte Lächeln auf, dass sie auf dem hintersten Winkel ihrer Seele hervorkratzen konnte. Es wirkte täuschend echt und zufrieden, aber dennoch erschöpft und traurig schlurfte sie zurück in ihr Zimmer.
~~
Claire öffnete schwungvoll die Klassenzimmertür.
Das Lächeln sitzt perfekt, wie die Blicke auf ihr.
Blake wandte sich genervt zu ihr, doch seine Augen weiteten sich bei ihrem Anblick. Er spürte, wie schlecht es seiner Schülerin ging. Doch diese ließ sich nichts anmerken und geht lässig durch die Reihen zu ihrem Platz. Blake sparte sich einen dummen Kommentar, auch wenn es ihm schon auf der Zunge lag.
Die 15-Jährige legte wie so oft ihren Kopf auf den Tisch, aber alles tat ihr weh, sodass sie kein Auge zubekam. Wie durch Watte bekam sie den Unterrichtsstoff mit. Sie fragte schließlich, ob sie auf Toilette gehen dürfte und Blake erlaubte es natürlich. Besorgt sah er ihr hinterher, als sie durch die Tür auf den Gang wankte.
Claire kämpfte mit sich. In letzter Zeit war einfach alles zu viel. Kurz legte sie eine Pause ein, indem sie sich an einer Wand zu Boden sinken ließ und den Kopf erschöpft auf die Knie legte. Ein paar Mal atmete sie ruhig ein und aus, bis sie wieder aufstand. Schwindel erfasste sie und reflexartig hielt sie sich an der Wand fest.
Weitere Minuten verstrichen, bis sie ihren Weg fortsetzte.
Am Waschbecken angekommen machte sie Wasser an und legte sich eine kalte Hand in ihren Nacken. Ihr Blick wanderte in den verschmutzen, beschmierten Spiegel. Schemenhaft erkannte sie, dass das Make-Up nicht ausreichte.
Ihre Hände wanderten zum Hals und auch dort genoss sie die Kälte. Hätte sie keine Schminke drauf würde sie sich eine Ladung betäubendes Wasser ins Gesicht klatschen.
Zehn Minuten später betrat sie den Klassenraum erneut, nur machte diesmal einen wacheren Eindruck. Zumindest für die anderen Schüler. Blake ließ sich davon nicht beirren. Trotzdem führte er, als wäre nichts gewesen, seinen Unterricht weiter.
Claire war seine Schülerin. Natürlich machte er sich Sorgen. Er dachte an ihren Zustand, als er in der Pause an seinem Tisch saß und an einem Stift kaute. Doch solange der Unterricht funktionierte und sie ihn nicht störte sollte es ihr Thema bleiben. Es ist ja noch längst nicht lebensbedrohlich und generell wusste er ja eigentlich überhaupt nichts über sie. Also warum unnötig Gedanken machen?
Seufzend erhob er sich und bereitete seine bevorstehende Doppelstunde im siebten Jahrgang vor. Doch trotz aller Bemühung konnte er Claire nicht aus den Gedanken verbannen.
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Danke fürs lesen ❤️
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I love you | SchülerxLehrer
Romance-Abgeschlossen- Claire Sievers ist eine freche Schülerin, die den Unterricht halb mit Schlafen und halb mit dummen Sprüchen hinter sich bringt. Damit passt sie genau in das Bild ihrer Klasse: Ein chaotischer Haufen, der gerne mal die Lehrer zur Weiß...