Unbekannte Freunde

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Pov Taehyung

Immer noch total platt, schlürfte ich den Flur entlang zur Treppe. Ich musste etwas machen, auch wenn dieses Abenteuer auch bereits am Ende der Treppe enden könnte.

Ich war allein zu Hause, weil jeder seiner Arbeit nach ging. Nur ich war freigestellt, bis ich wieder fit genug war. 

Langsam nahm ich Stufe für Stufe nach unten ins Erdgeschoss. Immer wieder machte ich eine kurze Pause, atmete tief durch und ging dann weiter. Ich schaffte es mit diesem Vorgehen bis ins Wohnzimmer und ließ mich kurz darauf erschöpft aufs Sofa fallen. Wenigstens hatte ich jetzt mal eine andere Umgebung und konnte diese in aller Einzelheit begutachten - von der Couch aus natürlich. 

Nie im Leben hätte ich gedacht, dass eine einfache Grippe mich so fertig machen könnte. Jimin war der Überzeugung, dass es auch mit meinem seelischen Zustand zusammenhing. Ich machte mir Sorgen über die Freundschaft zwischen Bogum und mir. Es konnte doch nicht nach so langer Zeit sein, dass ich ihn so schlecht kannte. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass er mich verlassen würde, wenn ich mit einem Mann zusammenkommen würde, aber alles deutete darauf hin, dass er nichts mehr mit mir zutun haben wollte. 

Auf jeglichen sozialen Plattformen war er mir entfolgt, ich erreichte ihn telefonisch nicht und hörte auch über unsere gemeinsamen Freunde nichts von ihm. Er hatte sich total zurückgezogen und mich unwissend stehen gelassen. 

Ich legte mich auf die Couch und beobachtete eine Fliege, die durch das offene Fenster hinein gekommen war und nun nicht mehr heraus fand. Langsam wurden meine Augenlider schwächer und fielen zögerlich zu. Ich war von dem kurzen Marsch so platt, dass ich tatsächlich nach 10 Stunden schlaf, erneut wieder abdriftete. Naja, vielleicht war Jungkook ja wieder da, wenn ich aufwachte. Ich brauchte ihn gerade mehr, als ich mir eingestehen wollte. Seine Nähe machte mich ruhiger. Als ob die Welt mir nichts anhaben konnte, wenn er bei mir war. 

...

Ein Klingeln ließ mich aufschrecken. Orientierungslos suchte ich nach dem Klingeln und erkannte nach weitere Sekunden, dass es mein eigenes Handy war, was diese Geräusche von sich gab. Jimin musste daran rumgespielt haben, denn diese Melodie war mir gänzlich unbekannt. 

Schnell griff ich danach und nahm den Anruf an. Ich schaute gar nicht wer mich da sprechen wollte, als ich jedoch Bogums Stimme hörte, fiel ich fast aus allen Wolken. "Ja?" >"Taehyung?"< Seit wann nannte er mich Taehyung? >"Bevor du jetzt gleich los legst: Ich melde mich, weil ich möchte, dass du aufhörst mich anzurufen. Ich hatte gehofft, dass dir nach den ersten 20 mal bewusst wird, dass ich mit dir nicht reden will, aber ich hab schnell bemerkt, dass das nicht der Fall war."< Ich sagte nichts dazu, weil ich das Gefühl hatte, dass er es eh nicht hören wollte. 

>"Ich möchte dich mit diesem Anruf darum bitten, dass du mich in Ruhe lässt. Es ist mir grundsätzlich egal, was andere in ihren Betten treiben, solange sie mich in Ruhe lassen und genau hier sind wir am Knackpunkt: Meine Frau ist Schwanger und mir wurde erneut bewusst, dass ich solche komplizierten Freundschaften nicht gebrauchen kann. Ich möchte nicht, dass meine Familie in Verruf kommt, weil ich mit dir Kontakt habe. Ich freu mich für dich, wenn du glücklich bist, aber das was du da machst, ist von Gott nicht so gewollt. Eigentlich dachte ich, dass du auch dieser Meinung bist, aber da hab ich mich wohl in dir getäuscht."< Ich nickte und sagte leise: "Ja, da bist du nicht der einzige, der sich in unserer Freundschaft getäuscht hat." Schweigen herrschte auf der anderen Seite. "Taehyung, ich habe dir gesagt, was ich für richtig halte, nun bitte ich dich, dass nicht gegen mich zu verwenden. Ich weiß, dass ich mit meiner Meinung weltweit anecke aber hier bei uns bin ich nicht der Verrückte..." Ich lachte verbittert auf. "Ja, ich weiß. Ich bin derjenige, der nicht normal ist. Dich und die Leute, die so denken trifft keine Schuld. Es ist ja schließlich biologisch festgelegt, dass nur Mann und Frau zusammen gehören. Wie kann ich gegen solche Regeln verstoßen!" Meine Stimme wurde lauter, um so mehr ich mich hineinsteigerte. Tränen der Wut füllten meine Augen und ich musste aufpassen, dass ich das Handy nicht geradewegs gegen die Wand schleuderte.

"Taehyung, ich weiß nicht, warum du dich so aufregst. Als du diese abwegige Beziehung zu Jungkook begonnen hast, war dir doch bereits bewusst, dass es Menschen gibt, die sowas nicht tolerieren." Wieder nickte ich. "Ja, aber mir war nicht bewusst, dass ich solche Menschen als Freund bezeichne. Aber vielen Dank für deine Ehrlichkeit. Jetzt ist mir erneut bewusst geworden, dass man niemand jemals ganz kennt", sagte ich nüchtern. Mir war nicht klar, woher ich soviel ruhe hernahm, denn in mir brodelte es. "Ich wünsch dir noch ein schönes Leben und herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft." Im nächsten Moment nahm ich das Handy vom Ohr und drückte Bogum und unsere Freundschaft mit einem Klick weg. 

Lange starrte ich auf den Bildschirm, der mittlerweile schwarz war und dachte an gar nichts. Mein Kopf war wie leer gefegt, nicht mal Gefühle kamen richtig auf. Gerade eben noch wütend und traurig und vieles mehr und plötzlich nichts mehr. Fühlte sich vielleicht so ein Schock an? Würde ich im nächsten Moment umkippen... zusammenbrechen? Allein... und keiner würde es bemerken. 

Ich hörte ein Klacken an der Tür und kurz darauf steckt Jungkook den Kopf durch die Tür. Als er mich sah strahlte er übers ganze Gesicht. Das Bedürfnis mich in seine Arme zu schmeißen und bitterlich zu weinen, beherrscht meine gesamte Gefühlswelt. Er schien es sofort zu merken und von einer Sekunde auf die andere hatte er ein besorgtes Gesicht aufgelegt. 

Schnell kam er auf mich zugeeilt und um so näher er kam, um so mehr spürte ich die Tränen in mir aufsteigen. "Tae...", fragte er besorgt und setzte sich neben mich auf die Couch. Ich schluchzte auf und kurz darauf drückte ich mein Gesicht an seine Halsbeuge und heulte hemmungslos. Seine Hände strichen dabei beruhigend über meinen Rücken. Seine Umarmung war fest und vermittelte mir Sicherheit. Genau das was ich gerade brauchte. 

Neustart - TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt