52. Kapitel

52 4 1
                                    

Daiven sprach das Unvermeidliche aus. "Die Hybriden. Sie sind angekommen."

Ich wusste nicht wie ich antworten sollte. Ich war geschockt, ängstlich, aufgeregt, müde, wütend, alles auf einmal.

Ein violetter Blitz erleuchtete für einen kurzen Moment die dunkle Umgebung um uns herum. Er schlug so nah ein dass man sogar jedes Detail erkennen konnte, jede noch so kleine Verzweigung die den Blitz wie ein leuchtende Wurzel wirken ließ. Gleich darauf folgte der Donner. Da der Blitz so nah neben uns eigeschlagen war, klang es nicht wirklich wie ein Donner, viel mehr wie ein lauter Knall der den Boden um uns herum vibrieren ließ.

Eine Stille erfüllte das kleine Auto. Abgesehen von dem Regen und gelegentlichen Donnern schien es totenstill draußen zu sein.

"Scheiße wars.", durchbrach ich die Stille und Daivens Mundwinkel zuckten.

"Okay, das war vielleicht ein wenig über dramatisch.", stellte er fest und ich kicherte. Dann wurde er jedoch wieder ernst. "Es ist eher unwahrscheinlich dass sie schon heute angreifen. Schließlich müssen sie sich erst ordnen und die Lage abchecken. Mein Vater ist ja gerade außer Kraft gesetzt worden-", er schluckte schwer und der Gedanke an seinen schwerverletzten Vater schien ihn wie ein Bleigewicht zu belasten. "-deswegen bin ich jetzt kurzzeitig der Neue Alpha, bis sich die Lage gebessert hat. Um die Wolfsstadt müssen wir uns keine Sorgen machen. Die haben in der unterirdischen Stadt vier Bunker, eine Eliteeinheit von Kämpfern und ein Abfangsystem von Luftangriffen. Ich mache mir mehr Sorgen um Garmond. Mein Vater wollte dort zwar auch Schutzanlagen einbauen, doch der Schulleiter konnte es verhindern, was nach deinen Erzählungen auch Sinn ergibt. Ein Glück konnte er den Trainingsplatz für uns Schüler durchsetzen. Wir sollten jetzt am Besten in die Schule gehen und die anderen warnen. Wenn es stimmt was du mir erzählt hast und der Schulleiter wirklich hinter allem steckt, dann wird es schwierig die Schüler zu evakuieren um sie zu schützen. Ich könnte mit vorstellen dass sie die Schule als Schwächsten Punkt zuerst einnehmen und die restlichen Angriffe von dort aus leiten. Wenn wir sie also davon abhalten Garmond als Hauptquartier einzunehmen, sind die Kämpfe schon so gut wie gewonnen.", erklärte er mir und kniff die Augen zusammen um die Straße im Nebel vor uns besser zu erkennen. Um uns herum war nur noch eine graue Suppe, abgesehen von dem fast geisterhaft violetten Leuchten

"Also hier ist der zusammengewürfelte Plan: Wir gehen unauffällig zurück in die Schule. Im besten Fall sind die Hybriden noch nicht da. Wenn es so ist, dann informiere ich meine Freunde, wir trommeln die restlichen Schüler zusammen, sowie die loyalen Lehrer. Hier müssen wir aber sehr vorsichtig sein, da wir ja nicht wissen wer noch alles mit den Schulleiter unter der Decke steckt. Dann informieren wir sie und breiten sie auf einen eventuellen Kampf vor. Die Zeit wird auf jeden Fall reichen um noch weitere Hilfe anzufordern, die Codes wurden schon aktiviert, also wird es nicht so schwer sein auch manche Eltern zum Kampfplatz zu bekommen. Das Beste wäre natürlich wenn Alina und ihre Truppe als eine der ersten ankommen, so dass wir einen Überraschungseffekt auf unserer Seite haben-"

"Warte mal. Alina? Deine Cousine?"

"Ja, und-"

"Heißt das ihre 'Truppe', das sind die restlichen Werwölfe?"

"Genau richtig."

"Interessant", sagte ich mit einer gewissen Vorfreude sein Cousine kennenzulernen.

Seine nächste Frage traf mich völlig unvorbereitet. "Bist du deswegen aufgeregt?"

"Wieso sollte ich aufgeregt sein?", fragte ich verständnislos.

"Keine Ahnung. Ich dachte nur, weil du vielleicht noch nie andere Werwölfe getroffen hast?"

Ich hatte nie so darüber nachgedacht. In meinen Augen war der Fakt, ein Werwolf zu sein nie mehr als ein trauriges Anhängsel gewesen, das ich nicht brauchte das es alle die ich liebte in Gefahr bringen konnte. Es war ein wahrer Fluch. Vor allem da ich niemandem davon erzählen konnte und ganz alleine damit war. Natürlich hatten meine Eltern mir so gut es ging immer geholfen, doch selber wussten sie nicht wie das Gefühl war, seine wahre Natur zu unterdrücken, das Leuchten bei der Verwandlung zu spüren, und in all der goldenen Helligkeit doch verwirrt im Dunkel herum zu tapsen. 

Ich wüsste jetzt nicht einmal dass Werwölfe besondere Kräfte besaßen, hätte Frau Specht es mir nicht damals erzählt. Und jetzt, plötzlich, nach fast 17 Jahren, konnte ich endlich andere meiner Art treffen. 

Ich spürte wie eine prickelnde Aufregung und Vorfreude in mit aufstieg. Zwar hatte ich auch einen Anflug von Unsicherheit, aber meine Neugierde war stärker. Wie würden sie wohl aussehen? Genauso groß wie ich, oder noch größer? Was für Fellfarben hatten sie? Und was für besondere Kräfte? Konnten sie mir vielleicht auch meine zeigen?

Obwohl wir gerade in eine brenzlige und höchstwahrscheinlich lebensgefährliche Situation zu fuhren, freute ich mich irgendwie.

Daiven schien zu merken was in mir vorging, denn er hielt Klappe bis ich meine Gedanke etwas sortiert hatte.

"Du brauchst dir aber echt keine unnötigen Sorge zu machen", versicherte er mir. "Soweit ich sie kennengelernt habe, sind sie alle super nett, wenn auch vorsichtig. Spine hat zwar einen dezenten Galgenhumor und Claw lacht meistens über jede Scheiße, aber das sind schon die beiden Verrücktesten aus der Gruppe.", erzählte Daiven bevor er mit dem Plan fortfuhr. 

"Wir werden die Jüngsten Schüler und wahrscheinlich auch die Schwächsten irgendwo hin bringen müssen wo es sicher ist, am Besten zu ihnen nach Hause. Ich weiß zwar nicht wie viel Zeit wir noch haben bis die Hybriden ihren Angriff starten, aber das Schwierigste wird sein, die Schüler auch von der Gefahr zu überzeugen und dabei die Ruhe zu halten."

"Dazu hab ich vielleicht eine Idee.", sagte ich und holte sein Handy aus dem Handschuhfach. "Du bist doch der allbekannte, beliebte Schülersprecher. Ich bin sicher der Schulleiter ist kein Technikliebhaber, und die Hybriden erst Recht nicht, wenn die vor...keine Ahnung vielleicht fünfhundert Jahren?... gelebt haben. Also werde ich einfach ein Rundmail an alle Schüler außer Nat schicken und Ihnen mitteilen-", ich tippte sein Passwort auf ein, doch sein Handy zeigte an, dass es falsch war. "Hast du etwa dein Passwort geändert?" 

"Ha, da wunderst du dich, nicht wahr? Dieses Passwort wirst du auf keinen Fall rausbekommen! Es ist nicht das was du erwarten wirst, solltest du es vielleicht doch erraten!", sagt er stolz. 

Ich blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "IchbindergrößteundgeilsteAlphaderWelt? Echt jetzt? Das ist ja sowas von kindisch!"

Er zog eine Schnute. "Tja, wie gesagt, ich dachte, niemand würde darauf kommen."

Ich zuckte mit den Schultern. "Ich kenn dein Ego halt zu gut. Also, dann werde ich einfach schreiben, dass aufgrund der neuen Schulregelung, sie eine Woche freibekommen und schon heute gehen müssen. Ohne Witz, ich denke die meisten Schüler werden bei dem Wort 'Schulfrei' nicht zweimal nachhaken. Und mit freundlich Grüßen, abgeschickt!", sagte ich stolz.

"Hey, hättest du mir die Nachricht nicht schon vorher zeigen können?", beschwerte er sich und versuchte nach dem Handy zu greifen.

"Tja, passiert ist passiert."

Meine Leichtigkeit verflog jedoch, als von einem Moment auf den anderen, die Eisblumen die Fenster komplett undurchschaubar machten und das Atem vor klirrender Kälte wehtat. 

Beim Schreck durch die Veränderung hatte Daiven das Lenkrad nur leicht gedreht, doch wie sehr er auch nun auf die Bremse trat, das Auto schien einfach ungerührt in die selbe Richtung zu schlittern.

"Was zum-?" Daiven konnte seinen Satz nicht mehr beenden. 

Scheiß Glatteis, dachte ich noch, dann krachte der Käfer irgendwo dagegen, wir wurden wie Puppen nach vorn geschleudert und alles wurden dunkel.



Autorin: Es ist spät, aber ich habe es geschafft. Gute Nacht ^^

Kuss des AlphasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt