"Lesen heißt durch fremde Hand träumen."
- Fernando Pessoa•••
Ich ging mit verheulten Augen die nassen, kalten, dunklen Strassen entlang. Um mich herum verschwommene Lichter und graue Schatten. Alle Menschen die jetzt noch unterwegs sind, gehen an mir vorbei, schauen mich an und fragen sich insgeheim was ich wohl verloren habe. Und ich denke mir die Antwort. Sie ist ganz einfach. Mein halbes Leben. Denn ganz ehrlich, wenn man mal drüber nachdenkt. Ich habe YouTube geschaut, wegen ihm. Ich habe an der Longboardtour teilgenommen, mit ihm. Ich habe mich in ihn verliebt. Ich bin nach Köln, wegen ihm. Habe tagelang geweint, wegen ihm. Habe einen Kanal eröffnet, wegen ihm. Habe mich verstellt, wegen ihm. Habe mich seit einem Jahr wieder sicher und geborgen gefühlt, wegen ihm. Und habe mein Leben und meine Seele verloren, für ihn. Wegen ihm. Mit ihm.
Mein Leben begann erst mit ihm.
Und mein Seelisches Leben endet mit ihm.
Ich habe so lang nachgedacht, dass ich es garnicht gemerkt habe. Ich schloss die Wohnungstür auf und trat hinein. In Jus Wohnung. War es noch seine Wohnung? Oder nicht mehr? Egal. Ich ging in Jus Zimmer und legte mich so wie ich war in sein Bett. Ich war seelisch totmüde. Und am liebsten wollte ich das auch gerade sein: TODmüde. Ich schlief ein, ganz hart und gar nicht weich wie gestern. Sondern einfach so *schnips* schon war ich in den Träumen.
Ich schreckte schweissgebadet hoch. Ich saß in Jus Bett. Völlig ausseratem. Tief schnaufend. Neben mir.. Ju. Er schaute auf und sah mich verschlafen an. "Was ist los?" fragte er kaum hörbar. Ich schaute ihn ungläubig an. "Ich.. Ich.." und plötzlich wurde mir bewusst dass ich Albträume ab diesem Tage hassen werde. Und es war alles nur ein Traum. Meine Seele, die die sich vorher so zerbrochen anfühlte, war auf einmal wie mit Pattafix wieder zusammen geklebt. Und alles war schön, mein Gesicht jedoch war immer noch in einem Schockzustand gefangen. Ju bemerkte dies und setzte sich ebenfalls auf. "Hey, was ist denn?" fragte er und strich mir eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich schaute ihn glücklich an. "Albtraum." drückte ich nur heraus und umarmte ihn so fest wie ich konnte. Er legte seine Arme um mich und an diesem Punkt war ich mir sicher.
JU LEBT! ER LEBT!
"Ok. Ich bin dann erstmal bei Rewi." verabschiedete sich Ju und gab mir einen kurzen Kuss. Ich lächelte ihn an und er war schon aus der Wohnzimmertür verschwunden. Ich saß hier auf der Couch, mit dem Buch dass ich vor einem und einem 1/2 Jahr angefangen hatte und nicht mehr weiter gelesen hatte. Warum auch immer. Aber nun hatte ich endlich wieder die Zeit dazu gefunden. Ich blätterte bis zur der Seite bei der ich das letzte Mal stehen geblieben war und mir viel auf, dass es nur noch eine Seife war bis das Buch zu Ende war. Also überflog ich ein paar vorherige Seiten noch einmal und las dann ganz entspannt und ruhig die letzte Seite:
'Ob ich dieses Leben gewollt hatte oder nicht, im großen und ganzen war es ein wunderschönes Leben. Eines das jeder gerne leben wollen würde. Klar, es gab viele Missverständnisse, Lügen, Unglücke und auch große Eskapaden. Aber alles in allem war dieses Leben was ich gelebt habe wunderschön. Es war sehr kurz und ich habe viele liebenswerte Menschen verloren, aber es war schön. Und auch, wenn ich hier im Krankenhaus in diesem grellen, weissen Bett liegen muss und gefühlt tausende Nadeln in mir stecken, habe ich das Gefühl ich wäre hier ziemlich gut aufgehoben. Meine Schwester saß immer noch auf meiner Bettkante, schaute mir beim nachdenken zu und wartete auf meine Antwort. Der Artzt der noch vor ein paar Minuten neben mir stand, war wir weggefegt und mir halten nur seine Worte im Schädel. "Krebs ist sehr hart. Sollen wir?" Insgeheim hatte ich meine Antwort schon parat, aber ich wollte die letzten Momente meines Lebens noch in vollen Zügen genießen. Immerhin dauert es wahrscheinlich nur noch eine halbe Stunde. Und so liege ich hier, völlig vor mich hin vegetiert und abgemagert. Meine Haut hat keine Farbe mehr, nur noch blass. Ziemlich abgenutzt. Ausgelaugt, aber trotzdem immer noch irgendwie am Leben. "Wie hast du dich entschieden?" fragte meine Schwester. Ich hatte nur noch sie. Unsere Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Unser Bruder an Krebs gestorben. Und ich? Ich werde auch immer das Mädchen sein, das so furchtlos war, keine Angst vor dem Tod hatte und sich am Ende getraut hat. Sich die endlosen Schmerzen erspart hat und nicht weiter in diesem schon längst verlorenen Kampf weiter gekämpft hat, sondern einfach abgeschaltet hat. Wortwörtlich. Der Artzt stand neben mir und schaute mich respektvoll an. Ich nickte ihm zu. "Ok, wir schalten die Maschinen ab." sagte er, drückte einen Knopf und schon wurden meine Augen schwer. Durch den kleinen Spalt, der meine Augenlider noch von einander trennte, sah ich wie meine Schwester ein paar Tränen die wange hinunter rollten. Trotzdem lächelt sie. Ich wurde immer müder und ausgeglichener. Ich hatte meine Augen nun geschlossen. Und auf die weiche Art zu sterben war sehr angenehm.
Und schon war ich Tod.
Ich hatte ein schönes Leben, ein wunderschönes.'
Schönes Ende dachte ich, während ich aus der Geschichtenwelt wieder hinaus gesaugt wurde. Und gleichzeitig auch so traurig. So ein Ende soll meine Geschichte auch haben. Immer hin hatte ich im großen und ganze auch ein wunderschönes Leben.
Ju riss mich aus meinen Gedanken. Er hatte sich neben mich gesetzt und schaute mir in die Augen. Ich lächelte. Er kam mit seinem Gesicht immer näher und küsste mich. Ich erwiderte.
GENAU DASS, HATTE ICH VERMISST.
Und egal mit wem ich mein Lebensende antreten werde, egal mit wem ich später auf dem Balkon sitze und meinen Enkelkindern zu schauen werde. Egal mit wem. Eins habe ich aus dem Buch gelernt. Leben ist so wie du es willst und du kannst alles aus ihm machen, du musst nur wollen.
Es liegt an dir.
"Wenn du dein Hier und Jetzt unerträglich findest und es dich unglücklich macht, dann gibt es drei Möglichkeiten: Verlasse die Situation, verändere sie oder akzeptiere sie ganz. Wenn du Verantwortung für dein Leben übernehmen willst, dann musst du eine dieser drei Möglichkeiten wählen, und du musst die Wahl jetzt treffen." - Eckhart Tolle
Das war Kapitel 32. Und somit eigentlich auch der letzte offizielle Teil. Ich werde für euch noch mal ein alternatives Ende schreiben, allerdings wird das nicht so gut ausgehen. Lasst euch überraschen. Ich hoffe dieses Kapitel hat euch gefallen.
Ganz viel Love an euch. Und danke für 9K.Haut raus.
Eure Tabea.
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Und am Ende sind alle Zitate doch wahr.( Julien Bam FF)
FanfictionIch bin ein ganz normales Mädchen. Mit Schicksalsschlägen die sich manche im Traum nicht vorstellen können. Es ist schwierig. Ich habe mich verändert, ja. Aber das heisst doch noch lange nicht das er mich nicht wieder erkennen würde oder? Ob er mi...