Kapitel 14

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Stattdessen parkt ein silberner VW-Kombi vor meinem Gebäude. Mein Handy pingt.

Bin im Familienauto hier. Mein Dienstwagen hat eine kaputte Scheibe und ist zur Reparatur.

Erleichterung macht sich in meiner Magengrube bereit. Für einen kurzen Moment fürchtete ich, dass er nicht kommen würde und der kalte Schweiß stand mir schon auf der Stirn.

Komme gleich runter :)

Pauls Familienkutsche ist das exakte Gegenteil seines edlen Firmenwagens. Bunter Sonnenschutz an den hinteren Scheiben, ebenso buntes Spielzeug, Brösel und Feuchttücher teilen sich die Rücksitzbank mit zwei pinken Prinzessin Lillifee Kindersitzen. Es fühlt sich irgendwie eigenartig an auf dem Beifahrersitz zu sitzen und zu wissen, dass hier normalerweise seine Frau Platz nimmt. Offensichtlich ist mir mein Unbehagen anzusehen, denn Paul wirft mir ein schräges Lächeln zu. „Tut mir leid, dass es hier so aussieht, aber ich hatte keine Zeit, das Auto zu putzen."

„Das macht doch nichts. Ich weiß, wie sinnlos das ist, wenn es nach fünf Minuten wieder genauso aussieht. Ich sag nur Reiswaffeln, die sind der absolute Horror."

Pauls Augenbrauen wandern nach oben, während er mir wissend zunickt. „Dicht gefolgt von aufgeweichten Biskotten."

Den wahren Grund meines mulmigen Gefühls will ich ihm nicht offenbaren, also lenke ich das Gespräch auf ein anderes Thema. „Willst du mir jetzt endlich verraten, wo es hingeht? Ich rätsle schon die ganze Woche und du hast mir nicht mal den kleinsten Hinweis gegeben." Ich lasse meinen Blick über sein legeres Outfit schweifen, dunkelblaue Jeans und ein schlichtes weißes T-Shirt, das seine durchtrainierten Oberarme perfekt betont. Mein Blick wandert weiter zu seinen Händen, seinen langen, eleganten Fingern auf dem Schaltknüppel, und weil ich schon wieder richtig ausgehungert bin nach seinen Berührungen, ertappe ich mich dabei, wie ich mir vorstelle, dass er mir diese Finger in mein Höschen schiebt. Ich presse unwillkürlich meine Oberschenkel zusammen und Paul grinst mich an.

„Ich sehe, du hast mich vermisst."

„Lenk jetzt nicht ab", sage ich im gespielt ernsten Ton, während ich an dem Ausschnitt meines figurbetonten kurzen Jerseykleides herumzupfe, wohl wissend, dass das den Blick auf mein Dekolleté freigibt.

Sein Blick landet genau dort, wo ich es erwartet habe und er klammert seine Finger fester ums Lenkrad. „Du musst dich nur noch ein wenig in Geduld üben, aber ich verspreche dir, es wird dir gefallen."

„Okay, du Geheimniskrämer." Ich lehne mich im Sitz zurück und beobachte, wie sich die städtische Architektur zunehmend in braune Felder und grüne Wiesen auflöst. Schon nach kurzer Zeit biegt Paul in eine Nebenstraße und von dort auf einen Güterweg, der an noch mehr Feldern vorbei in einen kleinen Wald führt. Die Bäume, die den Weg säumen, werden stetig größer und rücken immer näher an uns heran, bis wir endlich vor einem scheinbar aus dem Nichts auftauchenden Metallportal ankommen. Zwei beeindruckende Säulen aus Stein flankieren das Tor, rechts und links davon erstreckt sich eine etwas verwitterte, von Efeu überwucherte Gartenmauer.

Paul hebt ein kleines schwarzes Kästchen in die Höhe und das Portal öffnet sich wie von Zauberhand. Es quietscht und knarrt, so als wäre es seit Jahren nicht mehr benutzt worden.

„Bist du sicher, dass wir hier einfach reinfahren dürfen?" Irgendwie erwarte ich, dass hier jeden Moment Sicherheitskräfte auftauchen und uns des Grundstücks verweisen werden.

„Das Anwesen gehört einem meiner Kollegen, besser gesagt, es gehört seiner Familie, aber die kommt nur alle heiligen Zeiten mal hierher. Für den Rest der Zeit ist es hier sich selbst überlassen. Das Grundstück ist recht weitläufig, das Haus aber eher eine Gartenhütte als ein Wohnhaus, aber darum sind wir auch nicht hier."

Der gestohlene MomentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt