Das Laufen im Winter ist eine besondere Herausforderung, besonders bei spiegelglatt gefrorenen Gehsteigen. Trotzdem liebe ich es, an einem eiskalten Wintermorgen meinen Tag mit einer Laufrunde zu starten.
Jetzt wo ich für den Halbmarathon im Frühling trainiere, bin ich mit meinen Workouts noch disziplinierter geworden. Ich hab mir mittlerweile eine ganze Reihe neuer Laufstrecken zugelegt, und erst im letzten Monat habe ich mich mal wieder an meine angestammte Route um den See gewagt. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, habe ich meine Laufzeiten auf früh morgens gelegt, und glücklicherweise ist mir Paul auch kein einziges Mal über den Weg gelaufen. Anfangs habe ich noch jeden groß gebauten dunkelhaarigen Läufer mit Misstrauen beäugt, immer in der Angst — oder Freude, das weiß ich nicht so genau — es könnte Paul sein, aber nach so vielen Monaten, acht um genau zu sein, habe ich es endlich geschafft, dass sich nicht mehr jeder einzelne meiner Gedanken um ihm dreht. Es ist mir zwar immer noch nicht gelungen, ihn ganz aus meinem Kopf und meinem Herzen zu verbannen — möglicherweise werde ich das auch niemals zustande bringen —, aber ich kann jetzt wieder mein tägliches Leben soweit normal führen, dass ich mich nicht wie eine ferngesteuerte Zombiemarionette fühle.
Ich blicke in den strahlend blauen Himmel über mir und sauge die klirrend kalte Winterluft ein. Mein Atem kräuselt sich vor meinem Mund wie kleine dampfende Wölkchen und zufrieden blicke ich auf mein Handy — die Smartwatch habe ich, seitdem ich sie abgenommen habe, nicht wieder benutzt. Ein kurzer aber schneller Lauf mit einer neuen Bestzeit. Da nehme ich die schmerzenden Muskeln gerne in Kauf. Als ich heftig atmend vor meiner Haustür stehe, trudelt eine Nachricht von Valentin auf meinem Handy ein.
Freu mich schon auf heute Abend. Ich hol dich um halb acht ab :)
Ich gehe erstmal hoch in meine Wohnung und wärme meine Finger auf bevor ich antworte.
Passt, freu mich auch schon :)
Ich mixe mir schnell einen Proteinsmoothie und dann nichts wie ab unter die entspannende Dusche. Während ich mir das heiße Wasser über meinen Körper rinnen lasse, wandern meine Gedanken zu meiner Verabredung. Ja, ich gebs zu, ein Teil von mir freut sich darauf, während sich ein anderer schuldig fühlt, dass ich mich mit einem Mann treffe, für den ich nicht das geringste empfinde, außer eine Art kollegialer Freundschaft. Und das wäre ja nicht mal das Schlimmste, wenn ich nicht genau wüsste, dass Valentin sich wahrscheinlich mehr von unserem Date verspricht, auch wenn ich ihm schon oft unmissverständlich klargemacht habe, dass zwischen uns nichts ist und niemals sein wird.
Ich kreise langsam mit den Händen über meinen Oberkörper, verteile großzügig das nach Mandelöl duftende Duschgel auf meiner sich vom heißen Wasser rötenden Haut. Ein längst verloren gegangenes, pochendes Gefühl meldet sich zwischen meinen Schenkeln zurück. Nicht, dass meine Lust komplett abwesend gewesen wäre in den letzten Monaten. Es gab schon Momente in denen ich sogar zu Hektor und Astor gegriffen hatte, jedoch auf halben Wege zum Höhepunkt abbrechen musste, weil mir Pauls Schatten stets einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
Aber nicht heute. Heute gehört dieser Moment nur mir allein.
Meine Finger gleiten zielstrebig zu der bereits feuchten Spalte zwischen meinen Beinen. Ich lehne mich an die Duschwand hinter mir. Das Wasser rinnt über meine Schultern, die nasse und heiße Wärme hüllt mich ein wie eine sinnliche Wolke. Ein Finger kreist über meinen Kitzler, während ich den Finger meiner anderen Hand in mich hineinschiebe. Die Lust erfasst mich wie ein unwiderstehlicher Sog, und ich gebe mich ihr hin, kompromisslos, lenke meine Gedanken genau dort zwischen meine Beine, wo sich die Wellen des ankündigenden Orgasmus aufbauen. Ich stöhne laut und ungehemmt, schließe meine Augen, während ich mich mit meinen Fingern weiter vorantreibe. Diesmal lasse ich nicht zu, dass ich vor dem Gipfel abstürze. Ich spreize meine Beine weiter, während meine Finger im perfekten Takt tanzen.
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Der gestohlene Moment
Romance[WATTYS SHORTLIST 2022]Für Linda ist das Liebesleben gelaufen. Mit 42 Jahren hat sich die geschiedene Mutter einer erwachsenen Tochter damit abgefunden, dass sie ihre Chance auf Lust und Leidenschaft schon längst verpasst hat. Doch dann läuft ihr...