Kapitel 22

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Ich starre auf die Eingangstüre, fünf Minuten, zehn Minuten. Sie bewegt sich nicht. Paul kommt nicht zurück. Nicht jetzt, nicht in einer halben Stunde, nicht morgen.

Niemals mehr wird er zu mir zurückkommen, denn wir können nicht zusammen sein.

Das waren seine Worte. Klar und deutlich höre ich sie in meinem Kopf, haben sich die einzelnen Silben eingebrannt in mein Gedächtnis, und doch — doch kann ich es nicht glauben. Es muss ein Irrtum sein. Paul muss sich geirrt haben. Oder ich muss geträumt haben. Ja, das ist die einzige Erklärung. Ein Albtraum, das muss es gewesen sein. Ich werde jetzt jeden Moment aufwachen und dann wird alles beim Alten sein. Ich werde weiter meinen Koffer packen, werde mich für unsere Reise morgen vorbereiten, werde noch einmal sichergehen, dass ich meinen neuen Bikini eingepackt habe. Den süßen mit den kleinen Sonnenblumen, von dem ich mir schon ausgemalt habe, wie Paul ihn mir langsam ausziehen wird.

Wie ferngesteuert drehe ich mich von der Tür weg und lasse mich von meinen Füßen zum Schlafzimmer tragen. Der Koffer liegt aufgesperrt auf meinem Bett wie ein riesiges unersättliches Maul, daneben die offene Kosmetiktasche, die geduldig darauf wartet, endlich fertig gepackt zu werden. Meine Hände zittern, kalter Schweiß steht mir auf der Stirn. Mehrere Paar Schuhe liegen verstreut am Boden. Traurige Opfer meiner Niederlage.

Ich starre auf mein Bett, auf die Tür zum Badezimmer, die einen Spalt offensteht. Drinnen brennt das Licht. Ich darf nicht vergessen, es auszuschalten vor meiner Abreise. Die Strahlen der Nachmittagssonne tauchen mein Schlafzimmer in ein goldenes Licht. Vielleicht bin ich ja gestorben und das ist der Himmel? Ein bitteres Lachen entkommt mir. Wohl eher die Hölle. Mein Brustkorb ist ausgehöhlt wie ein Halloweenkürbis und meine Beine fühlen sich an wie Blei. Ich krabble auf mein Bett, zwischen den Koffer und meine Kosmetiktasche, lege mich auf die Auswahl an Sommerkleidern, Relikte eines Lebens, das nicht mehr meines ist. Dann wandert mein Blick auf meine Decke über mir. Ich verfolge die haarfeinen schwarzen Risse, die sich auf der weiß getünchten Decke ausgebreitet haben wie ein Spinnennetz. Da wird auch wieder mal ein neuer Anstrich fällig. Mein Blick wird plötzlich unscharf und die schwarzen Linien verschwimmen mit der weißen Fläche zu einem tristen grauen Brei. Die Tränen, die ich versucht habe, so tapfer zurückzuhalten, bahnen sich jetzt ungehemmt ihren Weg über meine Wangen und ich lasse sie in meine Haare und auf die Decke fließen. Regungslos liege ich auf meinem Bett und schluchze, erst leise und dann immer lauter. Es hört mich ohnehin niemand, denn ich bin allein.

Allein und verlassen. Ungeliebt. Benutzt und weggeworfen.

Jeder Atemzug füllt meine Lungen mit Nadelspitzen, zieht den Stacheldraht um mein Herz enger zusammen. Ich drehe mich auf die Seite und rolle mich ein, schlinge meine Arme um meine Knie und drücke sie gegen meine Brust, vielleicht hört es dann endlich irgendwann auf, so schrecklich wehzutun.

Paul ist weg. Der Gedanke sitzt wie ein Dorn in jeder Faser meines Körpers und hallt doch wie eine Lüge in meinem Kopf. Er muss wiederkommen, er hat mich doch noch nie enttäuscht.

Es gibt immer ein erstes Mal. Du hast es doch gewusst, warst nur blind für die Wahrheit. Salzige Tränen rinnen in meinen Mund.

Blind und dumm und leichtgläubig.

Meine Wangen sind heiß und feucht, mein ganzer Körper zittert. Ich schließe meine Augen. Die plötzliche Dunkelheit empfängt mich wie eine endlose Nacht. Ich stürze mich hinein, lasse mich fallen, und wenn das Schicksal Mitleid mit mir hat, dann wache ich nie wieder auf.

 Ich stürze mich hinein, lasse mich fallen, und wenn das Schicksal Mitleid mit mir hat, dann wache ich nie wieder auf

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