Kapitel 9

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Nach unserem letzten Stelldichein im Auto habe ich beschlossen, einen Besuch beim Gynäkologen einzulegen. Paul hat zwar mit keinem Wort erwähnt, dass es ihm lästig wäre, ein Kondom zu benutzen, aber die Vorstellung ihn so ganz direkt Haut auf Haut zu fühlen, ist so verführerisch, dass ich mir wieder die Pille verschreiben lasse. Meine Regel hat sich gestern eingestellt, so können wir hoffentlich schon bald ganz ohne Latex loslegen.

Ja, ich weiß schon, ein Kondom schützt vor mehr als nur einer ungewollten Schwangerschaft, aber ich vertraue Paul soweit, dass er gesund ist. So wie er auf seinen Körper achtet, brauche ich mir da wohl keine Sorgen zu machen. Zur Sicherheit habe ich ja trotzdem noch Kondome zu Hause auf Lager.

Diese Woche ist es in der Redaktion ziemlich hektisch, weil das örtliche Filmfestival ansteht und deshalb habe ich Paul auf nächste Woche vertrösten müssen. Er hat zwar mit Verständnis darauf reagiert, aber ich konnte doch die Enttäuschung durchhören, auch wenn er versucht hat, sich nichts anmerken zu lassen. Wenigstens haben wir unsere Nachrichten, die wir uns nun schon fast ständig hin und herschicken. Ja, außer am Wochenende natürlich. Manchmal schaffen wir es auch, ein kurzes Telefonat einzuschieben.

Seine Stimme zu hören ist wie Balsam für meine Seele und auch wenn wir uns öfters — mangels Zeit oder Privatsphäre — nur über eigentliche Banalitäten austauschen können, hebt jedes Gespräch mit ihm meine Stimmung. Dass er charmant und verführerisch sein kann, weiß ich ja bereits, aber je mehr wir uns unterhalten, umso mehr schlägt auch sein schräger Humor und sein Wortwitz durch. Eine Eigenschaft, die ich bei einem Mann sehr schätze, war mein Ex-Mann doch von der Sorte, die zum Lachen in den Keller gingen.

„Linda, könnte ich kurz mit dir sprechen?" Valentin, unser Sportressortleiter kommt federnden Schrittes aus der Kaffeeküche auf meinen Schreibtisch zu.

„Ja, aber sicher. Was liegt denn an?" Ich schiebe einen Stapel Papiere zur Seite und er lehnt sich gegen die Tischkante.

Mit den blonden Locken rund um sein sonnengebräuntes Gesicht erinnert mich Valentin immer ein wenig an einen Surfer aus Kalifornien, weswegen ich ihm in meinem Kopf auch den Spitznamen Sonnyboy gegeben habe. Und nicht nur deswegen. Valentin ist auch so ein sonniger Herzensbrecher, der es auch bei mir des Öfteren probiert hat. Zu seinem Leidwesen bin ich aber immun gegen seinen Charme.

„Also, um nicht lang um den heißen Brei herumzureden, wollte ich dich fragen, ob du diesen Samstag mit mir zur Sportlergala gehen möchtest. Dieses Jahr muss ich nicht selbst Bericht erstatten, weil das meine zwei Damen für mich machen, und ich im Hintergrund bleiben kann, was heißt, ich kann dort rein zum Vergnügen antanzen. Und zwei Karten hab ich auch schon, nur für den Fall, dass du Zweifel hast." Er hebt seine blonden Augenbrauen und blinzelt mich an. Fehlt nur noch der Cowboyhut und er sieht aus wie Owen Wilson. Na ja, vielleicht nicht ganz so attraktiv, aber immerhin. „Und ich weiß, dass du gerne tanzt, also dachte ich mir, warum sollten wir uns nicht beide dort vergnügen?", schiebt er noch schnell nach, als ich ihn erstmal wortlos anstarre.

Eigentlich hatte ich ja nicht vorgehabt, dieses Jahr zu der Gala zu gehen, vor allem, weil ich weiß, dass Paul auch dort sein wird. Mit seiner Frau. Er hat mir letzte Woche erzählt, dass von ihm erwartet wird, als Repräsentant seiner Firma teilzunehmen und mir mit einem leicht schuldbewussten Ton erklärt, dass ihn seine Frau begleiten würde. Von da an war es für mich klar, dass ich diese Veranstaltung meiden würde wie der Teufel das Weihwasser. Was aber, wenn ich selbst ein, wenn auch nur rein berufliches, Date hätte?

Das ist ein Spiel mit dem Feuer, Linda. Hast du es nicht schon gefährlich genug? Musst du dir unbedingt die Finger verbrennen?

„Na, was sagst du dazu?" Er setzt sein sonnigstes Lächeln auf und fährt sich mit einer Hand durch seine wuscheligen Locken. „Ich verspreche dir auch, mich zu benehmen."

Der gestohlene MomentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt