Kapitel einunddreißig: Verrat

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CASSIAN

Auch ohne Merowen zu sehen, wusste er genau, wo sie sich befand. Seit diesem einen Moment, in dem sich ihr Band endlich gefestigt hatte, waren all seine Sinne auf sie ausgerichtet.
Sein Körper hatte sich wie von selbst gegen die magische Barriere geworfen, als Beron den Dolch gegen die Illyrianerin erhoben hatte. Er hatte jedoch keine Chance gehabt; nur durch Evaline war seine Seelengefährtin am Leben geblieben. Er würde der weißhaarigen Fae für immer dankbar sein; Cassian hätte es nicht ertragen können, Merowen zu verlieren.

Ihre Gedanken waren so wunderbar vertraut geworden in den letzten Monaten und nun konnte sie endlich auch seine Antworten hören. Oh ja,er hatte ihr bereits so oft geantwortet.

Sein offenes Staunen, als er sie das erste Mal in Windhaven getroffen hatte und der Stolz auf ihren genialen Kampfstil.

Die Zuneigung, die er verspürt hatte, als er ihr dabei geholfen hatte, das Wachsen ihrer Flügel erträglicher zu machen. Ihre Federn hatten sich so wunderbar samtweich unter seinen Fingern angefühlt.

Wie wunderschön sie am Abend der Wintersonnenwende gewesen war und dass sie die einzige war, die er an diesem Abend angesehen hatte. Wirklich angesehen hatte.

Seine verzweifelten Worte und die Angst um sie, als sie durch dem Mantikor tödlich verletzt worden war. Er hatte in Gedanken geschrien, sie angefleht, bei ihm zu bleiben.

Und dann dieser Moment, in dem ihn nur ihre Bauchwunde davon abgehalten hatte, sie gänzlich zu seiner Partnerin zu machen.

Die Gefühle, die er verspürt hatte, als ihre Erinnerungen zurückkehrten und Merowen ihn dadurch endlich als ihren Seelengefährten erkannt hatte, waren unbeschreiblich gewesen. Noch nie in seinem Leben hatte Cassian sich so gut gefühlt; flüssiges Glück schien seine Adern seit diesem Moment zu durchfließen.




MEROWEN

Langsam drehte ich mich um. Der heilige Baum erstrahlte in voller Pracht und auch die magische Barriere war inzwischen verschwunden; ein weiterer Beweis dafür, dass ich die Prüfung bestanden hatte. 

Ich konnte es immer noch nicht fassen. Evaline hatte mich noch aus dem Jenseits heraus beschützt. Auch ohne einen Tropfen Magie in ihren Adern war ihre Liebe dennoch groß genug gewesen, um den magischen Baum zum Blühen zu bringen. Dadurch hatte sich das Blatt gewendet. Diesen Moment konnte ich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Evalines Tod sollte nicht umsonst gewesen sein.

"Fae des Herbsthofes!", rief ich deshalb so laut ich konnte.
Sofort richteten sich einige dutzend Augenpaare auf mich, einige verwirrt und neugierig, andere misstrauisch und hasserfüllt.

"Ich habe alle drei Prüfungen bestanden. Das heißt, ich kann eure neue Herrscherin werden."

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es plötzlich geworden.
Langsam ließ ich den Blick durch den Raum schweifen, versuchte dabei, jedem Fae einen kurzen Moment in die Augen zu sehen. Ein jeder sollte das Gefühl haben, gesehen zu werden. Etwas WERT zu sein. Ich mochte den Herbsthof immer noch nicht, aber ich wollte die hier lebenden Fae um jeden Preis von Beron befreien.

-Das stimmt nicht ganz, Liebes.

Was meinst du?

-Einen Teil dieses Hofes hast du bereits in dein Herz geschlossen, das kann ich spüren.

Erstaunt horchte ich in mich hinein. Cas hatte Recht. Ich hatte mich im Turm meiner Mutter von Anfang an geborgen gefühlt. Zu Hause.

"Vorausgesetzt ihr wollt das.", setzte ich hinzu.

Tales of Wings and Fire (ACOTAR fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt