MEROWEN
"Wie eine Prinzessin.", hauchte Evaline voller Stolz. Gerührt lächelte ich sie an. Das wirkliche Wunder hatte schließlich sie vollbracht.
Ich drehte mich einmal vor dem Spiegel, sodass meine offenen Locken um mein Gesicht wirbelten. Das blassblaue Kleid passte sich der Bewegung an und fächerte sich in unzählige zart schimmernden Stofflagen auf. Das Oberteil aus Spitze schmiegte sich eng an meinen Körper, was die schulterfreien Ärmel aus luftiger Gaze dadurch umso besser zur Geltung kommen ließ. Der hellblau schimmernde Stoff war an den Handgelenken mit silbernen Steinen zusammengefasst, die wie kleine Sterne auch in die einzelnen Stoffschichten meines Rockes eingenäht waren. Als Schmuck hatte mir Evaline lediglich weiße und blaue Bänder mit silbernen Stickereien in die obere Haarpartie geflochten, während der Rest in weichen Locken bis zu meiner Hüfte fiel. Ich sah tatsächlich aus wie eine Prinzessin.
Und war damit wahrscheinlich gerade angemessen genug gekleidet für den heutigen Abend.
Der Ball zur Wintersonnenwende würde bereits am frühen Nachmittag beginnen. Das war mir nur recht, da ich vorhatte, vor Mitternacht zu verschwinden. Ich konnte absolut darauf verzichten, dem ganzen Hof meine Flügel zu präsentieren.
Ich sah aus dem Fenster. Die Sonne stand gerade erst am Zenit; es war also noch ausreichend Zeit bis zum Ball. Evaline hatte sich bereits wieder auf den Weg in die Quartiere der Heiler gemacht, sie tauschte sich außerordentlich gerne mit den Fae dort aus. Ich war also alleine und hatte endlich Gelegenheit, meinen Schatz aus der Bibliothek etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ich holte das Buch unter der Matratze hervor und setzte mich vorsichtig in den Sessel neben dem Fenster. Von dieser Position aus hatte ich die Türe gut im Blick und würde bemerken, falls jemand hereinkam.
Neugierig schlug ich das Buch auf. Es begann mit fein säuberlichen Skizzen eines Stammbaums. Die meisten darin vorkommenden Name hatte ich noch nie gehört, doch auf der letzten Seite fiel mir der Name Vanserra auf.
Beron und Ahillea waren als High Lord und Lady der Mittelpunk der Zeichnung; darunter waren die Namen ihrer Söhne vermerkt. Mit hektischen Strichen hatte jemand die Linie zwischen Beron und Lucien durchgestrichen; diese Ergänzung musste erst kürzlich durchgeführt worden sein. Neben Ahillea standen einige weitere Namen, die jedoch alle mit einem kleinen Kreuz markiert waren. Auch die Namen direkt neben Beron waren mit denselben Symbolen versehen. Waren all diese Fae etwa bereits verstorben? Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Es war mir neu, dass Beron Geschwister hatte.
Vor mich hin grübelnd blätterte ich weiter. Chronologisch waren hier die wichtigsten Ereignisse der letzten Jahrhunderte niedergeschrieben, die im Grunde nur drei Herrscherfamilien betrafen: die mir bekannten Vanserras, die Haleths und die Teleri. Schnell blätterte ich bis zum Anfang der Geschichte der Teleri vor. Dies war dem Inhaltsverzeichnis nach die Familie des letzten High Lords vor Beron gewesen.
"Ilés Anselt Teleri übernahm die Position des High Lords von seinem Blutsbruder Hyarar Haleth am Tage vor Ende des letzten Wintermonats. Die Übergabe war friedlich und das Volk feiert seinen neuen Herrscher. Das Haus Teleri wird Großes vollbringen, so viel steht fest; selbst der Winterhof scheint seit den neuesten Verhandlungen milde gestimmt. Das frischgebackene Herrscherpaar wurde zudem mit einem Kind gesegnet, ihr Name ist Gelowien Merowen Teleri."
Gelowien Merowen Teleri? Warum trug die Fae denselben Namen wie ich? Der nächste längere Eintrag war erst zwei Jahrzehnte später verfasst worden:
"Die letzten zwei Jahrzehnte waren eine Zeit des Friedens und Wohlstands für das Herbstreich. Amurea Teleri gebar dem High Lord zwei weitere Kinder, Zwillinge, beide beschenkt mit der Gabe des Feuers; genannt Ahillea und Ephrim. Mit Ephrim wurde auch der erste und einzige Sohn des High Lords Ilés geboren. Nur zwei Jahre nach der Geburt seines jüngsten Sohnes verstarb der High Lord und dessen Gattin Amurea übernahm als High Lady seine Aufgaben."
DU LIEST GERADE
Tales of Wings and Fire (ACOTAR fanfiction)
FantasiDie Illyrianerin Merowen wurde als Kind in den Bergen ausgesetzt und lebt seitdem in Camp Windhaven. Sie hat es dort trotz ihrer herausragenden kämpferischen Fähigkeiten als Halbblut und Frau nicht leicht. Doch schon bald sind seltsame Mächte in Win...