Kapitel sechs: Wiedersehen

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Ein Jahr später...

MEROWEN

Kräftig schlug ich mit den Flügeln, um gegen den aufziehenden Sturm anzukommen. Kurz suchte ich nach den Lichtern von Windhaven und richtete dann meinen Kurs neu aus. 

Wie hatte mich das Wetter schon wieder überraschen können? Man sollte annehmen, ich hätte im letzten Jahr etwas dazugelernt. Genervt stöhnte ich auf. Bei dieser Geschwindigkeit würde ich das Camp niemals rechtzeitig erreichen. Jetzt, da der Krieg gewonnen war, kehrten die Illyrianer nach Windhaven zurück. Das war auch dringend nötig. Im vergangenen Jahr hatten wir immer wieder Probleme mit Bestien gehabt und der Mantikor hatte hin und wieder einzelne Patrouillen getötet. 

Leider war es weder mir, noch Evaline gelungen, ihn zur Strecke zu bringen. Wir konnten nur hoffen, dass ein hochrangiger Illyrianer die Armee begleitete. Die Kraftsteine mussten nach unseren Schätzungen genug Kraft haben, um diese Monster zu töten. 

Auch dieses Jahr war der Winter erbarmungslos. Unser Camp bestand nun größtenteils aus Frauen und seit Tayquir diesen Sommer durch den Mantikor fast getötet worden war, hatte ich nun die Befehlsgewalt im Camp. Zumindest theoretisch, da die Männer nie zugeben würden, auf eine Frau zu hören. Aber ich war die einzige Kriegerin und hatte mich oft genug bewiesen.


Die Tatsache, dass ich zum Teil eine High- Fae war, hatten Evaline und ich bisher geheim gehalten. Es würde nur unnötig Unruhe verursachen; abgesehen davon gab es bei mir bisher keine Anzeichen für Kräfte. 

Evaline hatte sich unauffällig am nahe gelegenen Hof der Nacht umgehört, allerdings kaum etwas herausgefunden. Es war nichts bekannt von einer Fae, die einen Illyrianer geliebt und mit ihm ein Kind bekommen hatte. Nach Monaten der erfolglosen Suche hatten wir dieses Thema stillschweigend begraben. 

Was nicht unwesentlich daran lag, dass dadurch alte Wunden aufgerissen worden waren. Denn ich wusste bis heute nicht, warum man mich als Kind mitten in den Bergen ausgesetzt hatte. Es war anzunehmen, dass ich zum Sterben geschickt worden war. Und falls meine Eltern mir dies angetan hatten, wusste ich nicht, ob ich mehr über sie erfahren wollte.



In Gedanken versunken landete ich mitten im Camp und bemerkte Elia erst, als sie mich stürmisch umarmte.

"Mero ich bin so froh, dich wieder zu sehen! Der Krieg war atemberaubend, der Rausch im Kampf ist so ein wahnsinnig tolles Gefühl! Ich werde dir alles erzählen, komm mit", plapperte sie darauf los. Ich lachte und ließ mich von ihr über den Trainingsplatz ziehen. Ich war glücklich, meine beste Freundin wieder zu haben. Wir wollten gerade in meinem Zelt verschwinden, als ich etwas spürte. Es war mehr eine Ahnung als Wissen, die mich umdrehen und mit meinen Augen hektisch das Camp absuchen ließen. Bis sie auf einem schönen Paar zu ruhen kamen. 

Ich erkannte sie sofort. Nesta Archeron. Die bildhübsche Schwester der High Lady des Hofes der Nacht. Sie war in den Kessel des Königs von Hybern geworfen und als Fae wiedergeboren worden. Wie mächtig sie war, wusste niemand. Dass sie keine Skrupel hatte, das war allerdings bekannt. 

Neben ihr stand Cassian, den ich kaum wiedererkannte. Er strahlte vor Freude, man sah ihm an, dass er das Kämpfen genossen hatte. Seine Haare waren so lang geworden, dass er sie mit einem Lederband im Nacken zusammengefasst hatte. Als hätte er meinen Blick gespürt, sah er hoch. Hastig wandte ich mich ab. Warum hatte ich so auffällig zu ihnen hinübergestarrt! Peinlich berührt drehte ich mich wieder zu Elia. 

"Warum habt ihr eine Archeron mitgenommen?", unterbrach ich ihren Redeschwall.

"Cassian hat uns auch kaum etwas darüber erzählt. Ich glaube es war ein Befehl der Lady des Hofes der Nacht.", Elias Blick wanderte nachdenklich zu Cassian und Nesta. "Er scheint sie zu mögen, keiner der Männer durfte ihr unterwegs zu nahe kommen."

Tales of Wings and Fire (ACOTAR fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt