Kapitel 32.

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Tobi

Langsam lasse ich die Bierflasche zwischen meinen Fingern auf dem Tisch kreisen und scanne die grell erleuchtete Halle ab. Überall tanzende verschwitze Körper, die sich im Takt des Techno-Beats bewegen und teilweise schon so besoffen sind, dass sie sich morgen bestimmt nicht mehr daran erinnern, wie bescheuert sie dabei aussahen.

Der Abend ist ein totaler Reinfall. Milan hatte kurz nach elf ein Mädchen getroffen, dass er von irgendwo kennt und scheinbar toll findet und ist dann in der Menschenmasse mit ihr verschwunden.

Auch wenn ich ihm versichert habe, dass ich alleine klar komme, bin ich mir plötzlich nicht mehr ganz so sicher.

Die kurzhaarige Brünette neben mir will ganz offensichtlich ein Gespräch aufbauen und mit ihrem Nirvana-Shirt und den Grübchen in den Wangen wirkt sie auch ganz nett, nur bin ich heute nicht die beste Gesellschaft. Und auch nicht wirklich scharf darauf, mich auf ein Gespräch einzulassen oder mit jemandem zu flirten.

Ich habe Kopfschmerzen vom lauten Beat der Musik und hätte mich am liebsten so schnell wie möglich von hier verpisst.

„HI! ICH BIN HILLA. WIE IST DEIN NAME?", ruft das Mädchen mit dem Nirvana-Shirt nun über den Lärm der Musik hinweg.

Ich brauche einen Moment, bis ich mich angesprochen fühle. Erst als sie die Augenbrauen erwartungsvoll hebt, räuspere ich mich.

„TOBI", brülle ich zurück und Hilla lächelt.

„COOLER NAME!"

„COOLES SHIRT!"

Hilla lacht und nimmt einen Schluck aus ihrer Flasche. Dann rückt sie mit ihrem Barhocker etwas näher zu mir, so dass wir nicht mehr schreien müssen.

„Kennst du Nirvana?", fragt sie mich nun und ihr Blick wandert über mein Gesicht und bleibt einen Tick zu lange an meinen Lippen hängen. Sofort nehme ich einen Schluck aus meiner Bierflasche und verschlucke mich beinahe.

„Klar. Wer denn nicht?", gebe ich leicht keuchend zurück und ziehe reflexartig meine Hand weg, als sie ihre auf den Tisch legt. Mit einem Zug leert sie den Rest ihres Getränkes und hebt die Hand, um den Barkeeper zu uns zu rufen.

„Ich nehm einen Tinker Bell... nimmst du auch was?"

Dieses Mal verschlucke ich mich wirklich. Ich muss so sehr husten, dass Hilla mir besorgt auf den Rücken klopft.

„Einen was?", keuche ich, als ich mich beruhigt habe und stelle die Flasche zurück auf den Tisch.

„Einen Tinker Bell. Die nennen das hier so. Ist eigentlich nur ein Schweppes mit einem guten Schuss Vodka. Aber zeigt ziemlich schnell seine Wirkung", erklärt Hilla nun laut und zwinkert mir verschwörerisch zu. Sie ist mir inzwischen so nahe, dass sich unsere Arme berühren und mir der
süsse Geruch ihres Parfüms in die Nase steigt.

Tinker Bell.

Mein Magen zieht sich zusammen und ich bin mir ganz sicher, das ich mich bald übergeben muss. Und zwar nicht aufgrund des Alkohols.

„Danke... aber ich kann nicht", sage ich zu Hilla und stehe auf, ehe sie mich aufhalten kann.

Ich bin noch nicht bereit für sowas. Vielleicht werde ich es auch niemals sein.

Ich werde mich jetzt von hier verpissen. Milan kann mir keinen Vorwurf machen, er hat sich schliesslich auch verpisst und mich hier im Stich gelassen.

Ich stürme so eilig ins Freie, dass ich in der Eingangstor einen Typ anremple. Er flucht, weil er seine Zigarre hat fallen lassen und ruft mir ziemlich vulgäre Beschimpfungen hinterher.

Ich ignoriere ihn, den Kopf gesenkt, die Hände in den Jackentaschen vergraben.

Meine Gedanken kreisen um Tinker Bell, ohne dass ich es verhindern kann.

Ein guter Tag zum TanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt