Kapitel 5.

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Katie

Erschöpft lasse ich mich auf die Holzbank in der Garderobe fallen und wische mir mit einem Frotteetuch den Schweiss von der feuchten Stirn. Ich beuge mich seufzend nach unten, um meine Tanzschuhe auszuziehen.

„Viky hat uns heute mal wieder echt hart dran genommen", meint Géraldine, welche sich in dem Moment neben mir nieder lässt. Ihre Wangen sind rot angelaufen und ihr sonst so perfekter Pferdeschwanz wirkt etwas aufgelöst.

„Ja und wie! Keine Ahnung was heute mit ihr los war. Die hat uns ja halb umgebracht", gebe ich stöhnend zurück und verdrehe die Augen über die unerträgliche Hartnäckigkeit unserer Tanzlehrerin.

Seit ich sieben bin, tanze ich. Bis vor vier Jahren habe ich noch Balettunterricht genommen. Mit der Schule wurde mir der Druck dann aber zu viel und seitdem gehe ich zweimal die Woche ins Street Jazz Dance, was ich mindestens genauso leidenschaftlich gerne mache.

Nur heute war unsere Trainerin Victoria wirklich etwas zu streng mit uns. Ich habe das Gefühl meine Beine würden gleich unter mir nachgeben und das hatte was zu bedeuten, denn fit war ich sonst allemal.

„Ey ja. Heute war unnormal anstrengend", gibt jetzt auch Letícia zum Besten. Die dunkelhaarige Brasilianerin kommt gerade aus den Duschräumen. Das grüne Handtuch, welches sie um ihren Körper gewickelt hat, leuchtet mir ihren ebenso grünen Augen um die Wette.

„Wenn das so weitergeht, überlege ich mir ernsthaft ein Jahr auszusetzen", murrt Géraldine und pfeffert ihr verschwitztes Top auf den Boden.

„Hab' schon genug Stress mit den Prüfungen, da kann ich so etwas nicht auch noch gebrauchen", erklärt sie, während ich in meiner Sporttasche nach einem Deo krame.

„Ach echt? Das wär wirklich schade. Ohne dich wäre das ganze nur halb so unterhaltsam", meinte Letîcia und machte eine traurige Miene. Aber sie hatte recht. Ohne Wirbelwind Géraldine hätten wir hier bestimmt nicht mehr halb so viel zu lachen.

„Ist ja noch nicht definitiv. Vielleicht lass ich euch ja auch doch nicht im Stich", meint meine Freundin lächelnd und ich beobachte, wie sich jetzt auch Lisa zu uns gesellt. Von unserer Tanzgruppe mag ich sie am wenigsten. Das liegt vermutlich daran, dass sie ständig nur von sich redet, sich für die aller Beste hält und uns andere ganz offensichtlich kindisch findet.

„Vielleicht war heute einfach nicht so Vikys Tag, huh?", meinte Letícia tröstend und ignorierte Lisa, welche sich nun neben ihr auf die Bank setzte, gekonnt. Zu meinem Bedauern sieht Lisa kein bisschen fertig aus.

„Deiner scheinbar auch nicht Kat oder?", meldet sich die blöde Schnepfe nun zu Wort. Ich hasste es, dass sie mich Kat nannte. Sie wusste, dass ich den Spitznamen nicht mochte.

„Warum sollte heute nicht ihr Tag gewesen sein. Kat-IE hat hammer geil getanzt. Nur weil wir müde sind, heisst das nich-!", beginnt Géraldine schon angriffslustig, doch ich unterbreche sie.

„Lass gut sein", meine ich und hebe beschwichtigend die Hand. Das hier war kein Problem meiner Stufe. Soll Lisa doch versuchen mich zu provozieren. Ich werde nicht darauf eingehen.

Einige Minuten später verlasse ich mit meinen beiden Lieblingstanzpartnerinnen die Tanzhalle und überquere die Hauptstrasse Richtung Altstadt. Letícia hat sich bei mir untergehakt, Géraldine lauft einige Meter vor uns. Sie scheint immer noch wütend zu sein.

Ein guter Tag zum TanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt