Tobi
„Verdammte Scheisse... ahhh.. Fuck!"
Ich werde von Katies lauten Fluchen etwas unsanft aus dem Tiefschlaf gerissen. Blinzelnd öffne ich die Augen und schaue mich im Zimmer um.
Ich brauche einen Moment, um mich zu orientieren.
Doch dann prasseln die Erinnerungen letzter Nacht wie ein warmer Regenschauer auf mich nieder.Katies Hand in meinen Haaren, unter meinem Shirt. Überall.
Ein Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, doch als ich Katies düsteren Blick sehe, zucke ich zusammen.
Katie steht vor dem Bett und versucht halb hüpfend, halb stehend ihre Jeans und ein Top gleichzeitig anzuziehen. Was mehr schlecht als recht klappt.
„Wir müssen gehen. Sofort. Meine ... meine Eltern sind da", zischt sie nun beinahe und ich springe so schnell aus dem Bett, dass ich fast auf dem Holzboden ausrutsche. In letzter Sekunde finde ich noch am Bettpfosten Halt. Stolpernd suche ich meine Kleider zusammen und ziehe mich in Rekordgeschwindigkeit an.
In der Eile ziehe ich mein T-Shirt verkehrt rum an, so dass der Text von „Wish you where here" jetzt nach vorne zeigt. Bevor ich es aber ändern kann, hat Katie mich schon mit sich aus dem Zimmer gezogen und die Tür hinter uns geschlossen.
Leise schleiche ich hinter ihr durch den Flur und vernehme nun leise Stimmen aus der Küche. Das müssen Katies Eltern sein. Warum es so ein Problem zu sein scheint, wenn diese mich sehen würden, bleibt mir schleierhaft und lässt ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend aufkommen. Habe ich etwas falsch gemacht? Schämt Katie sich für mich? Oder meint sie all das etwa nicht ganz so ernst wie ich?
Bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen kann, drückt mir Katie meine Sneakers in die Hand und schiebt mich aus der Haustür. Sie kommt gleich nach und schliesst , so leise wie möglich, hinter uns die Tür.
Die kühle Morgenluft empfängt uns und eine Gänsehaut breitet sich auf meinen nackten Armen aus, als der Wind drüber streicht. Innerlich verfluche ich mich, gestern Abend keinen Pulli eingepackt zu haben.
Wir ziehen beide stillschweigend unsere Schuhe an und gehen dann einige Schritte vom Haus weg.
Erst als wir in die nächste Seitengasse einbiegen, scheint sich Katie zu entspannen. Sie seufzt erleichtert und ihre Schultern sacken nach unten.
Ich würde es Katie gerne gleichtun, jedoch fühle ich mich alles andere als entspannt.
In meinen Kopf rasen die Gedanken und ich lasse die Szenarien von Gestern Abend Revue passieren.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Katie den ersten Schritt gemacht hat. Sie wirkte glücklich und ich habe mich mehrmals vergewissert, dass es für sie auch wirklich okay ist.Was genau veranlagt sie also nun zu diesem plötzlichen Gefühlswechsel? Ich kann nur hoffen, dass sie es nicht bereute.
„Was war das denn?", frage ich schliesslich und hasse es, dass meine Frage so misstrauisch klingt.
Ich weiss selbst, dass ich überreagiere. Aber seit diesem einen Nachmittag, als ich Aurelia mit Daniel in meinen eigenen verdammten Bett vorfand, schaffe ich es einfach nicht anders. Ich kann nicht anders, als Katies Reaktion zu hinterfragen. Als mich selbst zu hinterfragen.Aber das hier ist nicht Aurelia. Sondern Katie. Und sie ist grundlegend anders. Das hatte sie mir schon mehrmals bewiesen.
„Willst du mich deinen Eltern nicht vorstellen?", füge ich hinzu und lache leicht, um die angespannte Situation irgendwie zu retten.
Katie schüttelt den Kopf und erwidert mein Lächeln halbpatzig.
„Doch natürlich. Aber nicht, wenn wir beide aus meinem Schlafzimmer kommen... mit zerzausten Haaren und roten Wangen", gesteht sie und nun muss ich wirklich grinsen. Erleichterung macht sich in mir breit.
„Nicht?"
Katie schlägt spielerisch mit der flachen Hand auf meinen Oberarm und schüttelt lachend den Kopf.
„Idiot."
Doch dann scheint sie plötzlich wieder ernst zu werden. Sie mustert mich nachdenklich.
Wir sind inzwischen bei der Busstation angekommen und bleiben unschlüssig nebeneinander stehen.
„Wegen gestern.."
Ungewollt verspanne ich mich wieder und warte besorgt auf ihr Geständnis. Was wenn sie es doch bereut?
Katie kaut nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum und blickt zu mir hoch.
„Es war schön", meint sie leise und blickt mir direkt in die Augen. Erleichtert sacken meine Schultern nach unten. Ich habe mit vielen gerechnet, aber nicht damit.
„Mir hat es auch gefallen. Sehr sogar", sage ich leise, beinahe flüsternd.
In dem Moment fährt mein Bus vor und kommt laut ratternd neben uns zum stehen.„Vielleicht sollten wir das dann bei Gelegenheit wiederholen", flüstert Katie zurück und beugt sich zu mir hoch, um mich zum Abschied zu küssen.
„Nichts lieber als das", murmle ich in unseren Kuss und Katie lächelt. Unsere Zähne treffen aufeinander und ich muss auch grinsen.
Als wir uns wieder voneinander lösen, ist der Bus gerade dabei, die Türen zu schliessen und ich muss einen kleinen Sprint einlegen, um ihn noch zu erwischen.
Ich setze mich ganz nach hinten ans Fenster und blicke hinaus auf die Strasse. Katie steht noch immer an der selben Stelle. Ich muss lachen, als ich sehe, dass auch sie ihr Oberteil verkehrt herum trägt und das Etikett aus dem Kragen schaut.
Trotzdem sieht sie umwerfend aus.Sie lächelt und winkt mir zu. Der Bus schliesst die Türen nun endgültig und fährt holpernd los. Ich sehe noch, wie Katie die Hände hebt und ein Herz in der Luft formt und in dem Augenblick weiss ich, dass ich ihr vertrauen kann.
Und das ich ihr vertrauen werde.
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Ein guter Tag zum Tanzen
Teen FictionIm Gegensatz zu ihren Freunden hat Katie keine Ahnung, was sie aus ihrer Zukunft machen will. So erscheint es ihr jedenfalls. Nebst schwierigen Entscheidungen die sie treffen muss, sollte das Tanzen und Feiern aber trotzdem nicht zu kurz kommen. Doc...