Kapitel 35.

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Katie

Ich werde vom Piepen meines Handys geweckt und brauche einen Moment, um mich in dem Zimmer zurechtzufinden.

Ich stütze mich auf die Ellbogen und blicke mich in dem sonnendurchfluteten Zimmer um. Es ist recht klein und eher sparsam eingerichtet. An der Wand neben dem Bett hängen unzählige Polaroids. Der Schreibtisch ist aufgeräumt und im Regal neben der Tür sind verschiedene Kameras und dazugehöriges Equipment ausgestellt.

Ich bin in Tobis Zimmer.

Bei ihm zu Hause.

In seinem Bett.

Erst allmählich erinnere ich mich an die Geschehnisse letzter Nacht und mein Herz beginnt wieder zu rasen, als ich an Daniels Gesicht über meinem denke.
Wenn Tobi nicht da gewesen wäre ... darüber will ich gar nicht nachdenken.
Suchend blicke ich den Boden nach meinem Handy ab und finde es schliesslich auf einem Haufen mit meinen Kleidern.

Ich habe unzählige verpasste Nachrichten. Alle sind von Leticia oder Géraldine. Die beiden müssen sich total Sorgen um mich machen.

Sofort öffne ich unseren Gruppenchat und schicke ihnen ein Selfie von mir, in dem ich den Daumen hoch Recke und schriebe darunter einige Zeilen.

Alles i.O. Leute! Tut mir echt leid, dass ich gestern einfach verschwunden bin! :/
Lange Geschichte... erzähle euch beim Training davon.

Leticias Antwort kommt postwendend. Sie schickt mir ebenfalls ein Bild. Darauf sieht man sie auf einer Parkbank sitzen, neben ihr das blonde Mädchen mit dem Wolfcut von gestern Abend. Beide recken einen Döner in die Kamera und grinsen breit.
Na wenigstens hatte Leticia gestern einen tollen Abend.

Tu das bloss nie wieder!

Schreibt Géraldine und gleich darunter:

Bin so froh dass es dir gut geht! <3

Ich muss grinsen und lege das Handy zurück zu meinen Kleidern. Ich werfe einen Blick in den Spiegel und stelle fest, dass ich nur meine Unterwäsche und ein XXL Spiderman-Shirt von Tobi trage, dass mir beinahe bis zu den Knien reicht. Da ich mich gestern mit nassen Haaren ins Bett gelegt habe, stehen diese nun nach allen Seiten ab und ich sehe aus wie Einstein höchstpersönlich.
Ich ekle mich aber davor, die Kleider von gestern Abend wieder anzuziehen, weswegen ich das T-Shirt anbehalte. Zudem riecht es nach Tobi und sein Duft beruhigt mich irgendwie.

Als ich die Tür öffne und den Flur betrete, höre ich Geschirrklapper aus der Küche. Der Duft von frischem Gebäck und Kaffee strömt mir entgegen.

Leise tapse ich in die Küche und spähe vorsichtig hinein. Tobi steht an der Küchentheke, den Rücken zu mir gedreht und hantiert etwas an der Kaffeemaschine.

Ich räusperte mich leise und trete nun ganz in die Küche. Tobi wirbelt zu mir herum und lässt beinahe eine der Tassen fallen, die er in der Hand hält.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln und versuche mit aller Kraft die Tatsache zu ignorieren, dass Tobi nur eine Pyjamahose trägt.

„Guten Morgen."

Tobis Stimme ist leise und er klingt, als ob ihm die Situation genau so unangenehm ist wie mir.

„Guten Morgen", gebe ich zurück und nehme dankbar die Tasse mit warmem Kaffee entgegen, die Tobi mir reicht. Sorgfältig nehme ich einen Schluck und fühle mich augenblicklich wacher. Kaffee hatte bei mir immer schon Wunder bewirken können.

„Hast du... gut geschlafen?" , fragt er nun unsicher und setzt sich auf einen der Stühle. Ich tue es ihm gleich und nehme ihm gegenüber Platz.

„Ja.. danke", murmle ich und nehme noch einen Schluck des warmen Getränkes. Ich muss Tobi gar nicht erst fragen, wie seine Nacht war. Das sehe ich ihm auch so an. Die dunklen Ringe unter seinen Augen und der erschöpfte Ausdruck in seinem Gesicht sprechen Bände.

Tobi schiebt mir einen Teller entgegen, auf dem ein paar frische Croissants liegen und dankend greife ich nach einem der Gebäcke.

Tobi ist ziemlich wortkarg und dieser unnatürliche Smalltalk ist mir total unangenehm.

Das hier sind nicht wir.

Ich weiss, das ich grösstenteils selbt Schuld daran bin, dass so viel Unausgesprochenes zwischen uns in der Luft schwebt. Also liegt es auch an mir, den ersten Schritt zu machen.

„Tobi", beginne ich schliesslich und beobachte, wie er seinen Blick hebt. Das erste Mal an diesem Morgen schaut er mir direkt in die Augen.

Ausser Müdigkeit sehe ich da noch mehr in seinem Blick und ich weiss, dass er immer noch verletzt ist, wegen dem, was ich ihm angetan habe.

Er erwidert nichts und schaut mich nur erwartungsvoll an. Das ist mehr, als ich verlangen darf und ich muss meine Chance ergreifen.

„Ich weiss, dass ich Mist gebaut habe. Und ich weiss, dass ich das Ganze nicht mit einem „es tut mir leid" wieder gerade biegen kann", flüstere ich und zwinge mich, meinen Blick nicht von ihm abzuwenden. Er soll sehen, dass ich es ernst meine.

„Ich kann nicht leugnen, dass ich bei unserem ersten Treffen andere Absichten hatte, als du."

Tobi zuckt kaum merklich zusammen und ich bemühe mich, möglichst schnell weiterzusprechen.

„Aber du musst wissen, dass das schon lange nicht mehr der Grund ist, warum ich dich treffe. Die Bilder sind mir inzwischen total egal. Ich habe sie, um ehrlich zu sein, überhaupt nicht mehr."

Tobi räuspert sich, als ob er etwas sagen will doch ich hebe die Hand, um ihn zu unterbrechen.
Ich habe noch längst nicht alles gesagt, was ich sagen will. Da gab es viel zu viele unausgesprochene Worte zwischen uns.

„... ich bin einfach nicht gut darin, Menschen an mich ranzulassen... mir einzugestehen... wenn ich etwas für jemanden empfinde. Ich war zuvor noch nie verliebt, geschweige den in einer Beziehung und... das alles war... ist so unglaublich neu für mich."

Tobis Blick ruht immer noch auf mir, auch als ich aufstehe und in der Küche hin und her gehe. Sein Kiefer ist angespannt und ich frage mich, was er wohl gerade denkt. Vielleicht stossen meine Worte bei ihm auf etwas. Vielleicht wirft er mich aber auch gleich in hohem Bogen aus der Wohnung.
Alles was ich tuen kann, ist mir meine nächsten Worte genau zu überlegen.

Und dann fliessen sie auch schon aus mir heraus. Und sie fühlen sich so natürlich und richtig an, als ob ich sie schon hundert mal gesagt hätte.

„Ich habe mich in dich verliebt... und zwar schon ganz am Anfang. Ich habe es zu diesem Zeitpunkt vielleicht nicht realisiert, aber es ist schon passiert als ich dich das erste mal sah. Und es ist das beste, was mir je passiert ist... ich... du musst wissen, dass alles was ich jemals zu die gesagt habe, der Wahrheit entsprach. Du bist der beste Mensch den ich je kennengelernt habe und ich will... ich will einfach, dass es dir gut geht. Mindestens das bin ich dir schuldig. Ich will das du glücklich bist.. mit oder ohne mir", als ich diese Wort sagen ändert sich etwas in Tobis Ausdruck. Er kneift die Augen zusammen, als ob er sich an etwas erinnern würde und erhebt sich dann ebenfalls vom Stuhl.

Er kommt auf mich zu und beliebt schliesslich vor mir stehen. Wir sind uns jetzt so Nahe, dass ich die Wärme spüre, die von seinem Körper ausgeht.

Unsicher blicke ich zu ihm hoch. Meine letzten Worten kommen kaum mehr als ein Flüstern über meine Lippen.

„Und ich will dass du weisst, dass ich dich.. dass ich dich liebe."

Eine Weile sagt Tobi nichts. Seine schönen Augen ruhen auf mir und er schient zu überlegen. Ich spüre, wie ich allmählich unruhig werde und will gerade irgendetwas sagen, als Tobi sich urplötzlich vorbeugt und mich küsst.

Ich bin so überrumpelt von meinen Gefühlen, dass ich grinsen muss und unsere Zähne gegeneinander prallen.

Tobis Hand fährt meine Hüfte entlang und sanft zieht er mich näher zu sich. Ich vergrabe mein Gesicht in seinem Nacken und rieche an seinen Haaren. Tobis Mund ist inzwischen bei meinem Ohr und ich höre ihn, leise etwas murmeln.

„Das hat aber auch echt lange gedauert, Tinker Bell."

Ein guter Tag zum TanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt