Kapitel 13.

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Katie

„Du bist wirklich gut!", rufe ich begeistert und lehne mich etwas vor, um Tobi besser über die Schultern sehen zu können.

Wir sitzen nebeneinander auf dem staubigen Hallenboden und klicken uns durch die Fotos, welche Tobi in der letzten Stunde von mir geschossen hat.

In unzähligen Posen und Winkeln bin ich nun auf dem kleinen Bildschirm zu sehen. Tobi hat definitiv ein Auge dafür. Auf ausnahmslos jedem Foto hat er den perfekten Winkel gefunden und den richtigen Moment eingefangen.

Meine liebsten Bilder sind jedoch definitiv die, die Tobi von mir während dem Tanzen gemacht hat. Ich sehe sie im Moment zwar nur auf diesem sehr kleinen Format und dennoch weiss ich, dass sie einfach perfekt geworden sind.

Du bist wirklich gut!", murmelt Tobi und zoomt eines der Bilder etwas heran. Das Licht auf dem Foto fällt direkt in mein Gesicht und wirft einen perfekten Schatten auf den Hallenboden.

„Ich-.", setze ich an, doch werde von einem dumpfen Knall unterbrochen.

Tobi und ich schrecken etwa zeitgleich zusammen.

Innerhalb von Sekunden steht er auf den Beinen und reicht mir die Hand.

„Komm!", flüstert er und zieht mich hektisch durch die komplette Halle auf die gegenüberliegende Seite. Plötzlich bleibt er abrupt stehen und zieht mich hinter einen Haufen alter Ziegelsteine, die in einer Ecke aufeinander gestapelt sind.

Ich setzte mich neben Tobi in die Hocke und versuche so leise wie möglich zu atmen. Was nicht gerade einfach ist, nach diesem kleinen Schockmoment.

„Was war das?", getraue ich mich schliesslich zu fragen, als wieder Stille eingekehrt ist. Ich beobachte wie Tobi sich nervös durch die gestylten Haare fährt.

„Jemand ist in die Halle gekommen", flüstert er und mein Herz sackt augenblicklich in die Hose.

„Was passiert, wenn man uns hier entdeckt?", frage ich leicht panisch und male mir schon die schlimmsten Szenarien aus. Ihr wisst schon, so mit Handschellen, Polizeisirenen und Gefängnis.

„Keine Ahnung. Aber lass uns das besser nicht herausfinden", gibt Tobi zurück, was wenig hilfreich ist.

Ich will gerade etwas erwidern, als dumpfe Schritte zu uns widerhallen.

Jemand hat die Halle betreten.

Die Schritte werden lauter. Die Person kommt uns immer näher.

Mein Herz schlägt mir inzwischen bis zum Hals. Automatisch greife ich nach Tobis Hand, als die Schritte direkt neben unserem Versteck zum Stehen kommen.
Ich presse meinen Rücken gegen die kühle Wand und versuche meinen Atem zu unterdrücken. Auch Tobi scheint wie erstarrt zu sein.

Nach einigen Sekunden, die sich wie endlose Minuten anfühlen, entfernen sich die Schritte wieder und ich atme erleichtert aus.
Vorsichtig späht Tobi hinter den Ziegelsteinen hervor und im nächsten Moment höre ich ihn flüstern: „Jetzt!"

Bevor ich begreifen kann, was er vor hat, hat er mich bereits auf die Beine gezogen.
Erschrocken drehe ich mich um und erkenne in der Hallenmitte einen Kerl, der sich gerade über ein Tasche beugt. Zum Glück kehrt er uns den Rücken zu, so dass Tobi und ich unbemerkt zum Hinterausgang schleichen können.

Wir quetschen uns durch einen engen Flur, von dem ich sicher bin, dass er seit Ewigkeiten nicht mehr betreten worden ist. Es wimmelt nur so von Spinnennetzen und Schmutz.

Ich halte mich dicht hinter Tobi und pralle deswegen auch volle Kanne in seinen Rücken, als er urplötzlich stehen bleibt.

„Fuck", höre ich ihn fluchen und stelle mich neben ihn, um die Ursache für seine Schimpferei zu sehen.

„Eine Sackgasse", erklärt er unnötigerweise, denn die Wand vor uns war kaum zu übersehen.

„Scheisse", bestätige ich und blicke mich suchend nach irgendeinem Ausgang um. Doch dieser Flur scheint wirklich in einer Sackgasse zu enden.

Tobi ist inzwischen zu dem kleinen, scheibenlosen Fenster getreten und blickt hinaus. Seinem Gesichtsabdruck nach zu urteilen, scheint er etwas abzumessen. Schweigend wischt er einige Scherben von der Fensterbank und zieht sich dann mit einem Schwung hoch.

„Was machst du denn da?", frage ich nervös und trete jetzt auch zum Fenster, um hinaussehen zu können.

„Siehst du diesen Vorsprung dort?", fragt Tobi und wischt sich die braunen Haare aus der Stirn, während er sich mit der anderen Hand am Fensterbalken festhält.
Ich nicke leicht und beäuge misstrauisch die kleine Plattform etwas zwei Meter unter uns.

„Ich springe dort drauf. Danach zeihst du dich hier hoch und ich fange dich auf", erklärt Tobi.
Sein Tonfall als auch seine Haltung ist locker. Es wirkt beinahe so, als ob er solcher James-Bond-Moves täglich machen würde. Ich jedoch zweifle stark an seinem Vorhaben.

„Vergiss es! Weisst du wie gefährlich das ist? Wenn du nur einen Zentimeter verfehlst, dann kann ich dich später vom Pflasterboden kratzen", äussere ich mich und verschränke die Arme. Ich war sonst keine Spassbremse, aber das hier war echt zu viel für mich.

Die Plattform war zwar direkt unter dem Fenster und ich sah eine kleine Leiter, die von der Plattform aus auf den Pflasterboden, der nochmal gute sieben Meter weiter unten ist, führt.

Trotzdem ist es zu riskant. Das Gebäude ist alt und brüchig. Tobi könnte leicht abrutschen und in den Tod stürzten. Und ich hatte nicht gerade Bock, das mitansehen zu müssen.

„Leider haben wir keine Wahl, wenn wir nicht erwischt werden wollen", meint Tobi und ich beobachte nervös, wie er nun die Kamera zurück in seinen Rucksack stopft und diesen schultert.

„Aber keine Sorge. Ich hab-.", beginnt er, doch ich unterbreche in.

„Sag jetzt nicht, du hast das schon tausend mal gemacht. Darauf zähl ich nämlich nicht mehr."

„Wollte ich nicht. Ich meinte, ich hab' ein gutes Gespür für Höhen. Als Kind bin ich immer auf die Bäume in unserem Garten geklettert", erklärt er und ich verdrehe die Augen.

„Ist ja wahnsinnig beruhigend", meine ich, doch bevor ich noch irgendetwas sagen kann, ist Tobi schon gesprungen.

Ich erschrecke mich so fest, dass ich einen lauten Aufschrei nicht unterdrücken kann.
Panisch blicke ich über die Fensterkante hinunter auf die Plattform, wo zum Glück Tobi kniet.

„Mach das nie wieder, du Spinner! Du hast mich zu Tode erschreckt!", rufe ich nach unten und versuche gar nicht, dass Zittern in meiner Stimme zu übertönen.

„Und du mich erst, mit deinem Gekreische!" ruft Tobi zurück und lächelt frech, als er meinen Gesichtsausdruck sieht.

„Okay, jetzt bist du dran", höre ich Tobi schliesslich rufen, als ich nichts mehr erwidere.

Vorsichtig ziehe ich mich auf die Fensterbank und setze mich so hin, dass meine Beine nach unten baumeln. Von dieser Perspektive aus, geht es gar nicht mehr so weit nach unten. Trotzdem zittern meine Beine heftig und mein Adrenalinspiegel steigt rasant.

„Du fängst mich auch wirklich auf, versprochen?", frage ich den Jungen unter mir und sehe wie Tobi sich positioniert, um mich fangen zu können.

„Versprochen", meint er, schon zum zweiten Mal an diesem Tag.

Mit der rechten Hand halte ich meinen Rock fest, damit er mir beim Sprung nicht um den Kopf flattert.

Vorsichtig löse ich meine andere Hand vom Fensterrahmen.

Dann springe ich ab.

Hii,

kleine Frage am Rande:

Was haltet ihr bisher von den ProtagonistInnen dieser Geschichte? Würdet ihr sie mögen?
Denkt ihr, sie sind realistisch dargestellt?

Eure Meinung würde mich wirklich sehr interessieren!

Lots of Love!

Ein guter Tag zum TanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt