Kapitel 26.

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Tobi

Ich sprinte die Treppe runter und überspringe dabei immer eine Stufe. Die Vorlesung heute hatte unheimlich lange gedauert und ich kann es gar nicht erwarten, die Universität zu verlassen.

Draussen scheint die Sonne und ich hatte mich in einer halben Stunde mit Katie im Starbucks verabredet.

Unser gemütlicher Abend auf dem Balkon ist inzwischen sechs Tage her und ich habe Katie seit dem Tag nicht mehr gesehen. Telefoniert haben wir aber jeden Tag und meistens über eine Stunde. Uns schön der Gesprächsstoff nie auszugehen und es tat wahnsinnig gut mit ihr zu reden.

Manchmal hat sie mich etwas über meine Beziehung mit Aurelia gefragt, was mich verwunderte. Ich hege den Verdacht, dass Sally ihr einige Sachen erzählt hat. Ich nehme mir vor, meine Cousine noch vorzuknöpfen.

In dem Moment klingelt mein Handy und ich gehe ran.

„Tobi? Wo bist du gerade?", höre ich Milans Stimme am anderen Ende. Im Hintergrund höre ich lautstarke Stimmen, vermutlich ist er gerade bei der Arbeit.

„Auf dem Weg in die Stadt. Warum?"

„Mein Vater hat keine Schmerzmittel mehr. Ich komme heute spät nach Hause und habe keine Zeit mehr, einzukaufen. Er braucht Algifor-L, 400mg... kannst du die für mich besorgen?", Milan klingt leicht verzweifelt und ich weiss, dass er im Moment viel Stress bei der Arbeit hat. Zudem muss er sich auch noch alleine um seinen kranken Vater kümmern.

„Klar, kein Problem", meine ich und höre Milan am anderen Ende erleichtert seufzen.

„Danke, Mann. Du bist der Beste", sagt Milan noch und hängt dann auch schon auf.
Nachdem ich Katie eine Nachricht getippt habe, dass es etwas später wird, schlage ich den Weg ein Richtung Apotheke.

Ich beeile mich und bin schneller dort, als ich dachte.
Ich gebe mir gar nicht die Mühe, die Tabletten selbst zu suchen, sondern frage direkt die Verkäuferin danach. Sie bittet mich, an der Theke zu warten und verschwindet dann im Lager.

In dem Moment ertönt ein helles Lachen hinter mir und alles in mir zieht sich zusammen. Ich kenne diese Lachen. Ich habe dieses Lachen jahrelang geliebt. Jetzt löst es in mir Übelkeit aus.

Langsam drehe ich mich um und erstarre.
Ihre dunklen Haare sind etwas kürzer als damals, aber sonst sieht sie genau gleich aus. Die Lippen wie so oft knallrot geschminkt und ein funkelnder Ausdruck in den Augen.

Bevor ich es verhindern kann, denn leider öffnet sich der Boden nicht einfach auf magische Weise und verschlingt mich, treffen ihre Augen auf meine und ihre Lippen verziehen sich zu einem noch grösseren Lächeln. Sie sagt etwas zu dem grossen Typ neben ihr und kommt dann mit federnden Schritten auf mich zu.

Ich verfluche mich innerlich dafür, mich umgedreht zu haben. Überhaupt hier hin gekommen zu sein.
Und jetzt kann ich mich nicht einmal vom Fleck bewegen, so verspannt wie ich bin.

Aurelia bleibt vor mir stehen und lässt ihren Blick über meinen ganzen Körper wandern. Mir wird so übel, dass ich mich am liebsten in die nächst beste Ecke übergeben würde.

„Tobias. Schön dich zu sehen", säuselt sie auch schon und ich kann nicht anders, als sie fassungslos anzustarren.
Das waren also die ersten Worte, die ihr in den Sinn kamen, nachdem wir uns ein Jahr lang nicht mehr gesehen haben.

Mir entweicht nur ein abfälliges Schnauben, doch Aurelia ignoriert es und grabscht stattdessen nach meinem Oberarm.

„Du hast angefangen zu trainieren!", ruft sie, beinahe erfreut und ich zucke zusammen, als sich ihre langen Nägel in meine Haut bohren.

„Ich hab dir doch schon immer gesagt, du sollst damit anfangen. Du wirkst viel männlicher."

Wie hatte ich mich nur jemals in diese Frau verlieben können? Alles an ihr erscheint mir auf einmal so falsch. Nicht nur ihre widerlichen Fingernägel, sondern auch ihr Lachen. Und jedes einzelne Wort, das aus ihrem Mund kommt und sich
in mir ausbreitet wie Gift.

Grob entwinde ich mich ihrem Griff.

„Hör auf." Die Worte sind mir einfach entwichen, ohne das ich genauer darüber nachdenke. Und ich will auch gar nicht darüber nachdenken. Eigentlich sollte ich keinen verdammten Gedanken mehr an Aurelia verschwenden. Nie wieder. Und es wird Zeit, dass ihr das bewusst wird.
Aurelia erstarrt in ihrer Bewegung und blickt mich beinahe herausfordernd an.

„Womit?"

„Mit allem. Du bist kein Teil mehr von meinem Leben. Und ich kann deine Stimme echt nicht mehr hören", fahre ich sie an und bemerke zufrieden, wie sie einen Schritt zurück geht.

„Aber du liebst mich noch. Das wirst du immer tun. Und das weisst du auch", sagt sie nun leise und ich schnaube verächtlich aus. Inzwischen bin ich echt wütend. Was glaubt sie eigentlich, wer sie ist , um mir solche Dinge an den Kopf zu werfen. Früher hat ihre Masche vielleicht funktioniert, aber dieser Tobi bin ich schon lange nicht mehr. Es wird an der Zeit, dass auch Aurelia das einsieht.

„Ich habe dich geliebt ja... Verdammt noch mal", fauche ich und Aurelia sieht mich erwartungsvoll, beinahe provozierend an.

„Aber das tue ich schon lange nicht mehr. Und es war der grösste Fehler meines Lebens, es überhaupt jemals zu tun."

Meine Exfreundin zuckt bei meinen Worten heftig zusammen und weicht zurück, als ich nach den Tabletten greife, die die Verkäuferin endlich gebracht hat. Ich bezahle, ohne Aurelia noch eines Blickes zu würdigen und verlasse den Laden.

Im Augenwinkel sehe ich, wie sie sich mit den Fingern durch die Haare fährt.

Ihre Hände zittern heftig.

Ein guter Tag zum TanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt