Kapitel 30.

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2 Monate später

Tobi

„Steh endlich auf, Mann!"

Milan wuschelt mir, etwas unsanft, durch die Haare und reisst dann erbarmungslos das Fenster auf. Kühle Morgenluft strömt herein und ich ziehe trotzig die Decke noch höher.

„Es ist tolles Wetter. Die Sonne scheint!", trällert Milan und übertönt damit mein Gähnen.

„Was erwartest du von mir? Dass ich Photosynthese mache oder was?", murmle ich in mein Laken und Milan lacht rau.

„Alles ist besser als dieser komische vor sich hinvegetierende Zustand, in dem du gerade bist."

„Das nennt sich Schlafen. Es ist zehn Uhr morgens und Samstag", gebe ich zurück und will mich umdrehen, doch Milan reisst mir die Decke mit einem Schwung weg und verschränkt zufrieden die Arme.

„Entweder du stehst jetzt auf oder ich mach keine Pancakes für dich. Deine Entschiedung", sagt er, bevor er aus meinem Zimmer verschwindet und ich ihn in der Küche hantieren höre.

Schlaftrunken rolle ich mich aus dem Bett und blicke in dem grossen Wandspiegeln zwei müden Augen entgegen. Dunkle Ringe liegen darunter.
Meine Haut wirkt ungesund blass und meine Haare sollten auch wieder einmal gewaschen werden.

Kurz gesagt, ich sehe beschissen aus. Kein Wunder, dass sich Milan Sorgen machte. Seit zwei Monaten verbringe ich die grösste Zeit des Tages in meinem Zimmer und am Wochenende schlafe ich meistens bis in den späten Nachmittag, nur um dann die ganze Nacht wach zu liegen und mir den Kopf zu zerbrechen.

Taumelnd mache ich mich auf die Suche nach meinem Handy und finde es schliesslich unter meinem Nachttisch. Ich habe einige neue Nachrichten von meinen Kommilitonen, die sich Sorgen machen. Ich schwänze seit einigen Wochen die Uni und höre mir die Vorlesungen als Podcasts an, auch wenn ich dazu eher schlecht als recht im Stande bin. Ich kann mich auf nichts konzentrieren im Moment und mein Kopf fühlt sich an, als ob er mit einem Presslufthammer bearbeitet wurde.

Ich habe zwei verpasste Anrufe meiner Mutter und fünfzehn Nachrichten von Sally.

„Fuck", murmle ich leise und nehme mir vor, mich möglichst bald bei den beiden zu melden.

Von Katie ist keine Nachricht eingetroffen. Das kann auch gar nicht sein, denn ich hatte ihren Kontakt blockiert.

Ich suche den Boden nach einem halbwegs sauberen Shirt ab und streife es über, bevor ich mich zu Milan in die Küche geselle.

Sally sitzt, wie so oft, auch am Tisch und hilft gerade Lily dabei, Sirup über ihre Pankcakes zu schütten.

Milan blickt auf, als ich den Stuhl knarzend nach hinten ziehe und mich darauf fallen lassen.

„Hier. Eine extra riesen Portion für dich."

Milan stellt ein total überhäuftes Teller vor mir ab und Sally reicht mir das Nutella Glas. In ihren Augen liegt Mitleid und ich blicke schnell weg.

Ich habe schon seit Tagen nichts mehr richtiges gegessen und mein Magen macht sich nun mit einem lauten Knurren bemerkbar.

~

„Ich bin so froh, dass du endlich wieder was isst", meint Sally, als wir ausgegessenes haben und Lilly klettert auf meinen Schoss.

„Tobi... wann erzählst du wieder einmal von Mowgli im Dsungel und der bösen Slange?", will sie wissen und ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.

Sally hatte Lily zum Geburtstag das Dschungelbuch gekauft und seit dem will sie keine anderen Geschichte mehr hören. Mowgli und Baloo waren ihre persönlichen Helden.

„Bald. Versprochen", gebe ich zurück und wippe mit den Knien. Lily lacht laut und klammert sich an meinen Armen fest.

Sally hebt Lily von meinem Schoss und wirbelt sie einige Male in der Luft herum. Meine kleine Cousine lacht laut.

„Geht es besser?", fragt Milan, als wir die Teller abräumen und ich nicke leicht.

„Ich sollte vielleicht mal duschen gehen", meine ich und Sally nickt bestätigend.

„Oh ja! Nichts für ungut aber du riechst echt so, wie du aussiehst."

„Na danke auch", gebe ich zurück, muss aber auch lachen.

„Heute Abend gehen wir feiern. Du und ich. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht und ich hab Bock drauf und du kommst mit, denn du hast keine Ausrede", höre ich Milan rufen, als ich mich auf den Weg zum Badezimmer mache.

Ich seufze, doch eigentlich weiss ich, dass mein bester Freund recht hat. Ich kann mich jetzt nicht zwei weitere Monate verkriechen.

Ich musste raus. Sonst würde sich alles wiederholen.

Und das war das Letzte, was ich wollte.

Ein guter Tag zum TanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt