Kapitel 12.

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Tobi

„Wo fahren wir hin?", fragt Katie, als wir die Stadt hinter uns gelassen haben. Wir fahren nun auf einer etwas ländlicheren Strasse Richtung Süden.

„Siehst du dann. Ist eine Überraschung", meine ich nur geheimnisvoll und muss ab Katies beleidigter Miene grinsen.

„Es dauert aber nicht mehr lange", füge ich entschädigend hinzu.

„Wo hast du denn die Kamera?", fragt Katie jetzt und blickt suchend im Auto umher.

„Oh shit! Ich wusste, ich hab was vergessen", fluche ich und muss ab Katies entgeisterten Gesichtsausdruck lachen. 

„Was? Dein Ernst jetzt?", fragt sie schockiert und ich schüttle beschwichtigend den Kopf.

„Nein. War doch nur Spass", meine ich grinsend und werfe ihr dann einen kurzen Seitenblick zu.

„Dir scheint das Shooting echt wichtig zu sein?", frage ich verwundert, doch Katie schüttelt schnell den Kopf.

„Ne, das ist es nicht. Ich ... bin nur total neugierig, was für ein Modell du besitzt", erklärt sie und ich nicke mit dem Kopf zu dem Rucksack vor ihren Füssen.

„Sie ist dort drin. Eine Nikon. Nichts besonderes, aber ich hab noch verschiedene Objektive dabei", erkläre ich.

„Die macht aber schon professionelle Bilder?", fragt Katie und ich versuche nicht all zu verwirrt über ihre Fragerei zu sein. Vermutlich ist sie nur interessiert oder will einfach ein Gespräch in Gang halten.

„Naja, meistens jedenfalls. Aber sagen wir es so: ich hab schon ziemlich viel Übung und meistens bearbeite ich die Bilder im Nachhinein noch."

~

„Hier sind wir", füge ich hinzu, als wir auf einen grossen Kiesparkplatz einbiegen und ich den Wagen zum Stehen bringe.

„Und wo ist hier?", fragt Katie neugierig und blickt sich um. Erst jetzt scheint sie das grosse Fabrikgebäude vor uns zu realisieren und runzelt verwirrt die Stirn.
Wir steigen aus und Katie folgt mir den Kiesweg entlang Richtung Areal. Im Gehen packe ich meine Kamera aus und schultere mir den Rucksack.

„Die Fabrik ist nicht mehr aktiv. Vor einigen Jahren wurde sie umfunktioniert zu einem Freizeitareal.
Es hat Bars, Restaurants und die Wände der Gebäude stehen Graffiti- Künstlern frei zur Verfügung."

Ich werfe Katie einen Blick von der Seite zu und stelle zufrieden fest, dass sie lächelt.
Ihre blonden Haare sind heute leicht gewellt und glänzen im hellen Sonnenlicht beinahe golden.

Wir erreichen die erste Bar, wo einige Leute beisammen stehen und angeregt ein Gespräch führen. Wie jedes Mal läuft gemütliche Musik aus dem Boxen und auf Feuerstellen wird irgendetwas grilliert.
Es ist zwar erst früher Nachmittag, doch hier ist trotzdem schon ziemlich viel los, so wie eigentlich jeden Sommer.

„Genial", höre ich Katie neben mir murmeln. Sie scheint ihren Blick gar nicht mehr von dem hohen Betongebäude zu bekommen. Das ist aber auch nicht weiter erstaunlich, denn die Fassaden sind voll mit riesigen, kunstvollen Graffiti.
Eine riesige Hand, ähnlich wie die von Michelangelo, ziert das komplette Hauptgebäude vor uns. Auf der linken Seite prangt eine detailgetreue Meeresschildkröte die Fassade und verleiht dem ganzen einen Beach-Look.

„Ich kenne hier einige Spots, wo nie Leute sind", erkläre ich und füge hinzu: „ist vielleicht nicht ganz legal."

Katie zieht fragend die Augenbraue hoch.
„Nicht legal? Sowas planst du also an zweiten Dates?" fragt sie belustigt und ich ziehe die Schultern hoch.

„Normalerweise gehe ich an zweiten Date ins Kino", meine ich zwinkernd und führe Katie in eine unscheinbare Seitengasse.

„Ich fühl mich geehrt", lacht Katie und bleibt etwas unschlüssig stehen, als ich eine der Eisentüren öffnen. Sie führt direkt in die komplett verlassene Fabrikhalle.

„Keine Sorge, ich hab das schon unzählige Male gemacht. Du wirst begeistert sein", erkläre ich und halte Katie die Tür auf. Ich folge ihr die kleine Wendeltreppe hoch in die leergeräumte Halle.

„Ok. Wow", staunt Katie als wir in der Mitte der Halle zum Stehen kommen. Auch ich bin selbst nach den unzähligen Malen in denen ich schon hier war, immer noch fasziniert von dem Anblick.
Die grossen, verschmutzten Fensterfronten werfen perfekte Lichtstreifen auf den kahlen Boden und lassen Staubkörner wirbelnd durch die Luft tanzen. Die Wände sind in einem neutralen Beige und dienen als perfekten Hintergrund für ein Fotoshooting.

„Das hier ist perfekt, Tobi", flüstert Katie und klatscht begeistert in die Hände.

„Ich hab's dir doch gesagt."

„Es sieht ein wenig aus, wie in meinem alten Balettstudio... nur irgendwie verträumter und ein bisschen heruntergekommener", fügt Katie grinsend hinzu.

„Du tanzt?", frage ich neugierig und nehme mir die Kamera vom Hals, um sie einzuschalten.

„Ja. Schon seit immer eigentlich. Früher habe ich Balett getanzt, heute ist es Jazz Dance", erzählt sie und setzt sich auf einen der Fensterbänke. Das gelbliche Licht streift ihr Gesicht und Katie hält sich die Hand vor die Augen, um nicht geblendet zu werden. Einen Moment mustere ihr perfektes Profil, bis mein Blick an ihren Augen hängen bleibt.

„Dann kannst du auch ne Pirouette und so?", hake ich nach. 

Katie nickt bestätigend. „Allerdings hab ich etwas die Übung verloren."

„Versuchs doch mal!", fordere ich die Blondine auf und beobachte erstaunt, wie Katie entschlossen aufsteht. Sie scheint nichts dagegen zu haben.

„Okay. Aber du musst mir versprechen, nicht zu lachen. Ich weiss echt nicht, ob ich das noch kann."

Katie wischt sich die Hände am Stoff ihres Rockes ab und positioniert sich dann in der Mitte der Halle.

„Versprochen", sage ich und lehne mich an eine der kahlen Säulen, um Katie gut beobachten zu können.

Katie atmet tief durch und nimmt Anlauf. Im nächsten Moment dreht sie sich um sich selbst. Ich kenn mich ja nicht wahnsinnig gut aus, was das Thema Ballett betrifft, trotzdem kann ich ganz klar feststellen, dass Katie alles andere als die Übung verloren hat.

Elegant schwingt sie ihre Arme über dem Kopf, den Hals immer gerade, die Augen leicht geschlossen.
Ihr Kleid wirbelt Staub auf, welcher jetzt im Sonnenlicht mit ihr um die Wette zu tanzen scheint.

Ihre Bewegungen sind eine einzige Melodie. So leicht und flüssig. In dem Moment erscheint Katie so schwerelos, dass ich beinahe Angst habe, sie würde im nächsten Moment vom Boden abheben und davon schweben.

Wenn ich Leidenschaft in einem Bild beschreiben müsste, dann würde ich dies genau mit diesem Bild tun.
Denn genau das strahlt Katie beim Tanzen aus. Pure Leidenschaft.

Ganz automatisch hebe ich die Kamera und drücke ab.

Heyy

So, nun geht es endlich richtig los und Tobi und Katie lernen sich besser kennen.
Ich weiss, dass meine letzten Kapitel noch etwas eintönig waren. Die kommenden Kapitel sollten nun aber etwas spannender werden. Also Danke euch, dass ihr bis hier hin durchgehalten habt!

Auch möchte ich euch allen für eure Support danken! Eure Votes, Kommentare, Kritik und Feedbacks motivieren mich immer sehr zum Schreiben.

Lots of Love

Theworldadventurer

Ein guter Tag zum TanzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt