Kapitel 2.2 - Spiel mit dem Feuer

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Grün.
Das Gras wiegte sich friedlich im Wind. Wie der Qualm eines Feuers legte sich Nebel über die Weide. Die Bäume sprossen aus der feuchten Erde und wucherten dem Himmel entgegen. In der Luft lag weder Qualm, noch Hitze. Sie war frisch. Der Atem lag unbeschwert locker in der Lunge. Die Gedanken durchfuhren die Umgebung ohne jede Schuld, sie bewegten sich komplett frei... Sie waren erstmals frei.

»Bei den Göttern!«, stieß Nesta in die Leere der Flur. »Nein! Nein!« Ihre Stimme riss in einem Anschwung von Freude. Der hungrige Glanz in ihrem Blick wich nicht von ihr ab, als sie sich umsah. Ein fast schon wahnsinniges Lachen verließ ihre Lippen, als sie sich in das tau-überzogene Gras fallen ließ. »Oh, bei den Göttern«, wiederholte sie atemlos und sah erst zu ihrem Bruder, dann in den Himmel. »Wenn unsere Eltern das wüssten.«

Rhys ignorierte ihren Anflug von Euphorie. Er spielte mit dem Revolver in seiner Hand, bevor er diesen an seinem verschlissenen Gürtel anbrachte.
Das, was Nestas Züge an Lebensfreude erhellte, war bei ihm Misstrauen. Er ließ den Blick skeptisch über die Fläche gleiten, die von unheimlichen, trügerischen Frieden heimgesucht wurde.

»Gut«, sagte er schließlich und setzte sich in Bewegung.»Ich denke, wir sollten durch sein... Aber wieso ist dann hier keiner? Ich sehe nichts vom Krieg.«

»Sei doch dankbar«, murrte Nesta, als sie aufstand. Es fühlte sich an, als würde er all ihren Ansporn mit seiner Nüchternheit zerstören.

»Ich werde nicht dankbar dafür sein, in eine Falle zu laufen.«

»Wenn das hier eine Falle ist, dann will ich nie entkommen.«

Rhys schnaubte. »Ja. genau das soll eine gute Falle auch erreichen.« Beim Gehen sah er über seine Schulter hinweg, um sich zu vergewissern, dass sie ihm folgte. Als ihr Gesicht von einem Anflug von Zorn gezeichnet wurde, fügte er hinzu: »Keine Welt ist so friedlich. Die anderen Götter sind im Krieg.«

Erst nun entwickelte sich ihr Gefühlschaos zurück und sie erkannte, worauf er hinauswollte. Es war wirklich ruhig.
Sie blieb betroffen stehen und starrte zur Grenzwand zurück, als ein Anflug von Übelkeit sie einholte. Für einen Moment schien die Welt um sie von einer Welle erfasst zu werden, als sei es die Oberfläche einer unruhigen See... als würde alles um sie herum aufatmen.
Genauso schnell, wie diese Erscheinung jedoch aufgetaucht war, verschwand sie wieder. Sie krallte sich in ihren Arm, versuchte jedoch so zu tun, als hätte sie nichts bemerkt. Sie nickte. »Verstehe. Und wie willst du testen, dass das hier keine Falle ist?« Sie drehte sich um und blickte die Grenzwand entlang, die schier in die Unendlichkeit führte. »Willst du hier etwa Gewalt finden, um dich vom Gegenteil zu überzeugen, oder was?« Mit diesem Satz drehte sie sich um, doch erstarrte.

Rhys stand vor ihr. Er hatte den Revolver gezogen und richtete ihn direkt auf sie.

Mit einem spitzen Aufschrei duckte sie sich, als er abdrücke.
Der Knall zerriss die Luft und die Kugel jagte über sie hinweg.
»Bist du wahnsinnig!«, stieß sie hervor.
Nesta stolperte zur Seite, als er wieder auf sie zielte. Er hatte die Waffe zuvor ganz still gehalten. Sein Arm war durch den Rückstoß nicht nach oben geschleudert worden.

Nichts, als ein nervöses Keuchen verließ ihre Lippen. Nichts, als ein verklungener Schrei nach Hilfe. Es war eine stille Aufforderung zur Erklärung.
»Bei den Höllen!«, brüllte sie und stürzte geduckt zu ihm, um gegen sein Kinn zu schlagen. Für einen Moment verlor er das Gleichgewicht und stolperte, beinahe mechanisch, zurück. Eine Gelegenheit, die sie nutzte, um ihm die Pistole aus der Hand zu nehmen.
Das Holz in ihren Händen fühlte sich falsch an, doch gewährte ihr das Gefühl von Sicherheit. Sicherheit vor ihm.
Sie wich zurück, um Abstand zu gewinnen.

Nox zu ihren Füßen hatte sich nicht gewehrt. Er betrachtete nur die Umgebung, als habe er von alldem nichts mitbekommen.

Auf Rhys Lippen formte sich ein teuflisches Grinsen, das von tiefstem Hunger zeugte. Er starrte sie aus den Augen eines Mörders heraus an. Er schaut sie an, als sei sie seine Beute... Sein Blick war so kalt und erbarmungslos, wie der ewige Tod.

Die Raben der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt