Kapitel 8.3 - Schatten der Götter

63 10 119
                                    

Als wollen die Wesen das Herrenhaus wie ihr eigenes verwenden, hatten sie die kleine Gruppe in einen Essenssaal begleitet, wo neben Geweihen und Tierfell-Teppichen der blanke Protz auslag. Fast war es, als bestehe alles hier aus Gold, dass Nesta allmählich begann, die Nachteile dieses Abends zu spüren: das Haus lag so charakterlos und steril dar, dass sie keinen Ruhepol finden konnte, auf dem sich ihre Augen ausruhen konnten. Das einzige, das nicht reflektiert, glänzte, oder von strahlender Farbe war, waren die schwarzen Wesen... Und diese sorgten nur dafür, dass sich ihr Herz verkrampfte.

Nadies ruhige Art strahlte dagegen etwas fast schon tödliches aus. Sie lehnte sich vor, um sie zu betrachten — mehr mit Faszination, als mit der angewiderten Abneigung wie Nesta sie empfand.

Das Dienstmädchen streckte die Hände vor sich aus. »Ihr Süßen, ist ja ganz nett, dass ihr jetzt jeden Gott umbringen wollt, aber was soll uns das am Ende bringen? Dann sind wir Menschen auf uns alleine gestellt.«

»Freiheit«, antwortete eines der Wesen. »Dougal will genauso die Herrschaft an sich reißen, wie Ibai. Alle Götter sind größenwahnsinnig. Niemand von ihnen würde sich seine Fehler eingestehen.«

Nadie blieb standhaft: »Kein Herrscher tut das. Das wird nicht lange so rund laufen, wie ihr euch das vorstellt. Die Götter sind in dem Punkt nicht wesentlich anders als wir. Sie-... Entweder man ist selbst der Herrscher, oder man wird beherrscht. Alle sind gleichberechtigt wird nicht lange so laufen, wie ihr euch das vorstellt.«

»Das sind die Götter, die dich das denken lassen, Nadie. Die Götter sind die Probleme.«

Schließlich mischte auch Nesta dazu: »Nein. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich sage, ihr wollte Dougal nur umbringen, weil er euch getötet hat. Also alles, was ihr tut, ist aus dem Gefühl von Rache heraus geboren«

Rhys hingegen schien dem Angebot ehrlich zuzuhören. Die Idee, sich von der Macht aller Götter zu befreien, hatte für ihn ersichtlich etwas nekisches an sich.

»Ihr könnt froh sein, dass ihr nachts noch raus könnt. Wisst ihr, wie es in den anderen Reichen damals aussah? Die Götter haben Wesen geschaffen, die Menschen umbringen könnten. Sie haben Monster geschaffen, wilde Kreaturen. Diese Geschöpfe wandeln nur nicht mehr auf diesem brüchigen Land umher, weil sie alle zur Front geschickt wurden. Damals aber, bevor der Krieg begonnen hat, mussten die Menschen diese Wesen fürchten. Sie waren Geschöpfe der Nacht. Und die Götter haben dabei zugesehen, wie diese Viecher unsere Familien zerfleischen.«

Geschöpfe der Nacht, dachte Nesta bitter. Die sind doch selbst nur Geschöpfe der Nacht.

»Wahre Gerechtigkeit wird uns erst zuteil werden, wenn es keinen Herrscher mehr gibt. Und die Götter scheinen sich sehr gerne als Herrscher zu betrachten.«

»Sie sind ja auch Götter«, konterte Nadie scharf. Sie ließ sich mit einem Seufzen an die Scheibe zurückfallen: »Wieso werde ich eigentlich immer in diese göttlichen Angelegenheiten reingezogen? Erst Metis, jetzt Dougal, oder was?«

»Wie Sie sicherlich bemerkt haben sollten, stehen wir nicht auf Dougals Seite.«

»Aber trotzdem werde ich in Konflikte reingezogen. Metis war eine gute Göttin. Dougal ist, soweit wie ich gehört habe, auch ein guter Herrscher gewesen.«

»Warum wollten Sie denn dann, dass Metis stirbt?«

»Ich habe aber nicht dafür gesorgt, dass sie stirbt.«

Nesta mischte dazu: »Ich verstehe euren Hass auf ihn, aber ihr habt doch gegen seine Regeln verstoßen, oder etwas nicht? Es war ja nicht so, als ob er euch grundlos gequält hätte.« Sie musste unweigerlich an Fintan zurückdenken und verzog den Mund. Mit Dougal als ihren Auftraggeber konnte sie sich wahrlich glücklich schätzen. »Ich will ihm eigentlich nicht in den Rücken fallen. Ich sehe keinen Sinn darin.«

Die Raben der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt