Kapitel 3

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Amelias Wasserflasche war leer und sie waren mittlerweile in einem weniger dichten Waldgebiet angekommen, welches die warmen Sonnenstrahlen durchscheinen lies. Amelia hatte gehofft auf eine Wasserquelle zu treffen. Doch leider waren sie an keiner vorbeigekommen.

Sie kniete sich auf den Boden, er war relativ feucht, und begann mit ihren Händen zu graben. Finn hielt in seiner Bewegung inne. „Was machst du denn da?", krächzte er leicht genervt. „Ich brauche neues Wasser." Finn seufzte. „In meiner Wasserflasche ist noch genug drinnen. Du kannst das saubere Wasser von mir haben." Seine Stimme war nun freundlich und aufrichtig. Einen Moment überlegte sie, das Wasser aus Protest abzulehnen, doch der Durst war stärker und so nahm sie die Flasche dankend an.

"Die nächste Wasserquelle ist nur noch wenige Kilometer entfernt. Du kannst den gesamten Inhalt haben, wenn du möchtest", bot er ihr an. Sie hielt inne, setzte die Flasche ab und fragte: „Woher weisst du das eigentlich?" Finn sah sofort weg und blockte ab. „Nicht so wichtig."

Mit einem Arm in die Hüften gestemmt, blickte Amelia ihn an. „Wenn du mich unbedingt begleiten willst, möchte ich wenigsten etwas über dich wissen. Es können auch unnötige Dinge sein, wie deine Lieblingsfarbe, deine besten Erl..." „Rot!" „Was?" Verdutzt blickte Amelia ihn an. Finn verdrehte die Augen und verzog seine Lippen zu einem schrägen Lächeln. „Rot ist meine Lieblingsfarbe." „Wieso rot?" Finn blickte einige Zeit zum Himmel und sprach wie ein weiser Indianer: „Komm wir gehen weiter."

„Wieso rot, Finn?" Amelia gab offensichtlich nicht auf und war extrem neugierig. Einerseits freute Finn die Tatsache ein normales Gespräch mit Amelia zu führen. Aber andererseits musst er höllisch aufpassen, dass er ihr nicht zu viel erzählt.

„Rot ist die Farbe der Liebe. Und gleichzeitig die Farbe der Kraft und der Stärke. Es ist eine starke Farbe, ein Grundton der alle anderen Töne in seinem Ausdruck in den Schatten stellt. Seine Farbe ist selten in der Natur und trotzdem sticht sie heraus, sobald man ihr begegnet." Er entfernte sich einige Schritte von Amelia, pflückte einen Ast von einem Mehlbeerenstrauch, drehet sich zu ihr und steckte ihn, hinter ihr Ohr. Seine Augen leuchteten, aber nicht, weil er sie ansah. Er musste an eine schöne Erinnerung gedacht haben. Augenblicklich verwandelt sich sein Ausdruck, er dreht sich weg und ging weiter. Mit einer überraschenden Leichtigkeit in seiner Stimme stellte er Amelia dieselbe Frage.

„Grün. Es ist die Farbe der Hoffnung. Alle klammern sich an ihre Hoffnung und erwarten, dass es besser wird. Es ist das einzige Gefühl, das einem nicht genommen werden kann. Und es ist bezaubernd, wie viele Arten und Variationen sich in einer Farbe widerspiegeln können. Schau dich um. Siehst du wie viele klitzekleine unterschiedliche Grüntöne sich vor deinen Augen türmen."

Finn blickte sich um, nickte und lief weiter.

Amelia konnte das Rauschen des Flusses bereits hören, bevor sie ihn sah. Schlängelnd hatte er sich in einem Waldtobel seinen Weg gesucht. Das Wasser war eisig kalt und klar. Beide füllten ihre Flaschen, tranken sie aus und füllten sie erneut.

Der Himmel verfärbte sich in spielende Gelbtöne und die Luft wurde allmählich frisch. Der Schlafplatz war nicht weit vom Fluss. Sie lagen beide auf einer ausgebreiteten Decke auf dem moosigen Boden und betrachteten den Himmel, während sie das geteilte Brot assen.

Die Farben am Himmel verblassten und einzelne Sterne kamen zum Vorschein. Amelia und Finn hatten bereits ein Feuer gemacht, sodass es warm blieb. Amelia mochte die Kälte nicht. Finn hatte ein Teil des Mönchspfeffers in die Flammen geworfen und so breite sich ein beissender, starker, salbeiartiger Geruch aus. Die Broker würden sie in Ruhe lassen, hatte Finn gemeint. Amelia nickte, doch die Angst von letzter Nacht hatte sich in ihr ausgebreitet und so fühlte sich nicht sicher. Auch wenn sie froh war, Finn an ihrer Seite zu haben, auch wenn sie dies nicht zugeben würde. Als sie ein letztes Mal in den dunklen Wald schaute und die lodernden Schatten an den Bäumen beobachtete, dachte sie, dass sie morgen unbedingt herausfinden muss, wieso sich Finn hier so gut auskennt. Er war nicht über die Baumspitzen geflogen, wie konnte er wissen, dass sich hier ein Fluss befand. Die Wärme ermüdete sie und raubte ihre Gedanken und liess sie schlafen.

Finn sass am Feuer und beobachtete Amelia. Er löste seine Flügel aus seinem Rücken, welche während des Tages nur als Tattoo erkennbar waren, und fühlte sich befreit. Ein beruhigendes Gefühl breitet sich in ihm aus, als der kühle Wind durch seine hellbraunen Federn bliess und ein sanftes Rascheln erklang. Amelia schlief sanft und er konnte die Ruhe sehen, die ihren Körper umgab. Er konnte auch ihre Angst sehen, als er sagte, sie wäre sicher vor den Broker. Und er konnte eine permanente rote Farbe sehen, die in manchen Situationen um sie aufkam und wieder verschwand.

Finn dachte noch eine Weile am Feuer nach, bevor er sich neben Amelia legte.

Das Feuer war komplett erloschen und die ersten Sonnenstrahlen erhellten den Wald, als sich Amelia und Finn auf den Weg machten. „Wir müssten das Dorf so gegen den Abend hin erreichen.", meinte Finn. Seine definierten blonden Augenbrauen zogen sich zusammen, als er in den Himmel blickte.

„Was ist los?" „Es wird Regen geben.", meinte er trocken. Amelia war es leid, wie das unwissende kleine Kind ohne Ahnung und Faden neben ihm her zu spazieren. „Wieso kommst du immer noch mit mir mit, Finn?" Überrascht blickte er sie aus seinen tiefgrünen Augen an. „Weil ich das selbe Ziel vor Augen habe wie du." Er zuckte mit den Schultern. „Lüg mich nicht an, Finn!" Wütend fauchte sie ihn an. Finn sah ein aufsteigender grosser Strahl von rotem Licht, den sie umgab. Wut. Finn hielt an. „Mach ich nicht!" „Und weshalb warst du zur richtigen Uhrzeit am Baum und hast die Broker vertrieben. Wieso hattest du in diesem Augenblick Mönchspfeffer bei dir und weshalb lässt du mich nicht einfach alleine und fliegst über den Wald hinweg? Du wärst schon lange dort. Was willst du mit mir? Einem Engel ohne Flügel. Einem Engel ohne Gabe. Verfolgst du mich, führst mich an mein Ziel, um heimlich zurück zu fliegen, es dem tollen König oder meinen todtraurigen Eltern zu erzählen, wo ich bin und mich zu verraten?" „Nein." Auf einmal war Amelia durch die tiefe, bestimmte Stimme aus ihrem Monolog geworfen worden und brachte ein paar Sekunden um sich zu fangen. „Was, Nein?" „Verdammt Finn, lüg mich nicht an!"

Das Rot um Amelia wurde immer grösser und stärker. Es verdrängte die anderen Farben beinahe komplett.

„Nein, ich werde dich nicht verraten, weil ich nicht nach Lerimed zurückkehren. Und übrigens muss man immer Mönchspfeffer dabeihaben, wenn man die Stadtmauern verlässt. Alles andere ist Selbstmord! Und ich dachte, ich lerne dich etwas besser kennen, wenn ich mit dir mitgehe, anstatt zu fliegen. Da unser Ziel dasselbe Dorf ist, hätten wir uns ohnehin kennengelernt." Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Aber wenn du mich nicht dabeihaben willst, kann ich auch fliegen." Seine gewaltigen Flügel, welche ihm weit über den Kopf ragte, erscheinen hinter seinem Rücken mit einer Leichtigkeit. Er setze zum Abflug an, als Amelia ihm hinterherschrie: „Geh nur, Finn! Hau doch ab."

Finn stiess sich vom Boden ab, um sich in die Lüfte zu erheben. Soll sie doch alleine den Weg finden.

„Finn!", ächzte eine Stimme unter ihm. Sein Blick glitt zurück zu Amelia, welche beide Hände an ihren Hals drückte. Ihre Augen panisch weit offen und mit offenem Mund nach Luft schnappend. Alarmiert lenkte Finn seine Flügel in ihre Richtung zurück. Ihre Augen verdrehten sich und sie kippte um, wie ein alter Sack Kartoffeln. Im Sturzflug packte Finn Amelias Kopf, kurz vor dem Aufprall auf dem Boden. Ihre Beine waren seltsam verrenkt und ihr ganzer Körper zitterte. Die Augen waren halb geöffnet und zuckten unkontrollierte. „Hey! Amelia! Hey!" Finn schrie. Panik war in seinen Augen angekommen. Eine riesige dunkelrote Farbe hüllte den ganzen Körper von Amelia ein und verdrängte jede andere Farbe. Finn robbte zurück. Er hatte noch nie ein solches Ausmass und eine solche Stärke einer Farbe bei einem Engel gesehen. Amelias holte tief Luft, krümmte sich und gab schmerzerfüllte Laute von sich. Zusammengerollt wie ein Embryo lag sie schweratmend auf dem Waldboden. Auf einen Schlag verflog die gesamte rote Farbe aus ihrer Aura.

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