Kapitel 30

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Das Trio setzte sich gegenüber von den Koboldanführern. Amelia zupfte an ihrem Rock, um sich nicht die Schenkel am heissen Stein zu verbrennen, hörte jedoch sofort auf, als alle Augen auf sie gerichtet wurden. Elegant faltete sie die Hände, um ihre Aktion zu verstecken und räusperte sich. "König Eris, der mit teuflischer Macht das Reich der Engel regiert, ist dem Thron nicht würdig und bringt das Reich der Engel zum Zerfall. Wir müssen gegen ihn kämpfen, um die Macht zurück zu gelangen, denn ich sollte diejenige sein, die regiert." Abwertend hob sie die Hände, um bei den Kobolden nicht falsch anzukommen und fügte schnell hinzu. "Nicht, weil ich das unbedingt will, sondern weil ich die Gabe des Frühlings habe und somit das Gleichgewicht der Jahreszeiten aufrechterhalten kann. Eris zerstört somit nicht nur Lerimed und das Reich der Engel, sondern bringt die ganze Stabilität durcheinander. Wir schaffen das jedoch nicht allein. Dafür sind wir zu schwach. Wir brauchen eure Hilfe, weil wir wissen, dass ihr gute Kämpfer seid." Ein erneutes Grummeln erfüllte die Luft.

"Was bekommen wir dafür, dass wir freiwillig in den Krieg ziehen und vielleicht nie mehr zurück kommen?" Er zog seine dunkelrote Haut über den Augen nach hinten und es schien, als blicke er sie arrogant an. Tief zog Amelia die Luft ein. Eine gute Frage. Sie blickte über die Massen und erkannte, dass die Kobolde auffällig stark in die Richtung der Drachen starrten. Exakter auf das verklebte goldene Blut, welches in der Sonne glitzerte.

"Jeder Kämpfer wird, wenn ich Königin bin, auf ein Fest eingeladen. Alle werden gebürtig geehrt und erhalten einen persönlichen Edelstein als Ehrenabzeichen für die Tapferkeit und den Willen für die gute Seite gedient zu haben." Ihre Worte waren stark und wurden bis zum letzten Kobold vernommen. Jeder Spitze die Ohren. Ein innerliches Grinsen breitete sich in ihr aus. Das richtige Gespür hatte ihr geholfen, das Volk zu überzeugen. Amelia verspürte Stolz und Angst. Angst davor bald in den Krieg ziehen zu müssen.

Per Handschlag vereinbarte sie den Deal. Die Hand des Kobolds war kühler und seine Hand war rau, wie dickes Leder. Ohne ein weiteres Wort drehten sie sich um und liefen in ihre Höhlen hinein. Verwirrt blieb das Trio aussen in der brennenden Hitze stehen. Amela drehte sich zu ihrer Garde um und sah sie fragend an. Ein Schulterzucken war jedoch alles was sie als Antwort bekam.

Nach wenigen Minuten hatten sich alle Kobolde draussen versammelt. Der Schweiss tropfte Amelia von der Stirn, als sie über die Menge hinweg sah, erkannte sie, dass die Hitze den Kobolden anscheinend nichts auszumachen schien. Jeder von ihnen hatte seinen Lieblingskampfgegenstand um den Hals hängen, oder in den Armen halten. Die Kobolde waren mit ihren kurzen Beinchen keine grossen Läufer. Somit legten die Drachen ihre Flügel ab und baten die Gruppe nach oben in das kuschelige Fell. Kein Kobold wurde zurückgelassen. Jeder wollte mitkämpfen, denn jeder wollte seinen eigenen Edelstein für seine Tapferkeit erhalten. So marschierte jeder einzelne an ihr vorbei. Jüngere, mit hellerem Fell und weniger Runzeln. Ältere, mit leicht rissiger Haut. Frauen und Männer. Alle waren dabei. Ruan gesellte sich zum grösseren Drachen und gemeinsam mit dem Volk Kobolden hoben sie ab in die Lüfte.

Das Schauspiel, welches sich in der Luft bot, war zum Todlachen. Gut die Hälfte der taffen und grummeligen Wesen, schrien los und umklammerten sich ängstlich, während andere die neue Erfahrung und das freie Gefühl des Fliegens genossen.

Obwohl die Kobolde anfangs eigen und gelangweilt wirkten, waren sie extrem neugierig, was die Beziehung zwischen Finn und Amelia anging. Gerade als sie nachhackten, weshalb sie noch keine Kinder hatten, rief Ruan panisch vom vorderen Drachen. Glücklich um die Unterbrechung, sah Amelia zu ihm. Sie erschrak. Sein Gesicht war todernst und seine Haltung durchaus angespannt. "Jemand hat uns verraten. Ich kann das Heer von Lerimed auf uns zustürmen sehen. Den Überraschungsangriff können wir vergessen! Das Heer ist bereits auf Vormarsch!" Nervös strich sich Finn durch die Haare. Die lockere Stimmung hatte sich bereits in allgemeine Anspannung gewandelt. Amelia sah über die Flügel nach unten. Das Heer war ein Stück kleiner, als das ihre, was sie in der Nervosität ruhiger stimmte. "Hört zu!"

"Wir sind eine stärkere und grössere Gruppe, als das gegnerische Heer. In Hachmared wartet die Unterstützung aller dort lebenden und fähigen Kämpfer und Heiler. Die Nimsk werden unseren Verwundeten Schutz geben. Deshalb scheut euch nicht vor Kämpfen und Narben. Wir wollen niemanden sterben sehen. Denn unsere Heiler werden alles unternehmen, um jeden von euch zu retten. Kämpft mit Leidenschaft im Namen des Guten." Totenstille war eingekehrt. Nur das Rauschen des Windes und die regelmässigen Flügelschläge waren zu vernehmen und Amelia fürchtete ihre Rede hatte nicht die Kämpfer in ihnen, sondern die Ängste geweckt. Nach einigen Sekunden, in deren ihr Herz stillstand, begann Orak, der Anführer zu jubeln. Das Eis war gebrochen und das ganze Volk hielt seine Fäuste in die Luft und schrie. Ein tobender Motivationsschrei. Ihr Kampfschrei.

Junge Engel winkten bereits als sie die zwei gewaltigen Drachen auf das Dorf zusteuern sahen. Einige standen nur fasziniert daneben. Die drei hatten sich noch während des Fluges beraten, wie der Schlachtplan aussah und so wusste jeder von seiner Aufgabe. Amelia fing Ylvy ab, die sie erstmals stark drückte. "Ich bin so froh, bist du hier mein Kind. Wir werden die Gabe des Frühlings brauchen." Ihre weisen Augen sahen tief in ihre Seele, während sie Amelia, wie eine Puppe an den Oberarmen von sich weghielt, um sie besser ansehen zu können. "Woher weisst du welche Gabe ich habe?" Amelia war stutzig. Ylvy zuckte lässig mit den Schultern, als wäre es selbstverständlich. "Als ich deine Gabe sah und etwas nachgedacht habe, fiel mir erst die Ähnlichkeit zu Isalie auf. Du musst ihr Kind sein. Du bist der Frühling und die Hoffnung, Amelia." Sie liess die junge Engelin los und zeigte auf das gesamte Dorf in dem sich viel regte. "Wir werden dir alle zur Seite stehen. Aber schlussendlich ist es dein Kampf. Du hast die Macht den Frühling zurück zu bringen." Eine ältere Dame mit kurzem aschweissem Haar rief nach Ylvy. Diese umarmte Amelia kurz, bevor sie sich umdrehte und ging. Amelia sah ihr hinterher, bis ihr die Aufgabe wieder in den Sinn kam. Sie mussten sich beeilen. Amelia breitete die Flügel aus und hob ab.

Vor dem Haupthaus setze sie sich ab und lief ohne anzuklopfen hinein. Im Raum tummelten sich alle Nimsks. Nah beieinander und ruhig. Nicht so wie Amelia die kleinen aufgestellten Wichtel kannten. Amelia erkannte Elmi, die jüngste unter allen, wie sie konzentriert im Schneidersitz sass. Gegenüber von ihr war das Pärchen Marta und Wuhyu, die sich an den Händen hielten. Ein Kloss bildete sich. Sie hatte die kleinen Dinger so lieb und liess sie nur schweren Herzens in den Kampf ziehen. Gerade als sie die Stille unterbrechen wollte, begann Indra ein Gebet. Ruhig blieb Amelia stehen und faltete die Hände.

Erst als Indra geendet hatte, blickte sie auf und sah Sam und Elmi auf sie zustürmen. Ein Lächeln breitete sich in dieser angespannten Stimmung über ihrem Gesicht aus und sie nahm die beiden fest in die Arme. "Ich habe euch auch vermisst!" Elmi begann sofort zu weinen. "Schhh, alles gut meine Kleine." Ihr Herz wurde schwer, als sie an die Aufgabe dachte, die sie den kleinen Wesen mitteilen musste.

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