"Ist sie tot?" Finns Herz setzte aus. Ruan trug Amelia wie einen leblosen Körper auf den Armen. "Nein, sie schläft, Finn. Sie hat ihre gesamte Kraft gebraucht, um aus dieser Suppe alleine heraus zu finden. Es grenzt an ein Wunder, dass sie es geschafft hat. Sie ist eisig kalt. Zieh deinen Mantel und dein Hemd aus. Die Erleichterung in Finns Augen und die Gier diesen Körper an seinem zu spüren, liessen Finn die gesamte Müdigkeit vergessen. Ruan legte Amelia sanft neben das Feuer und Finn kuschelte sich Körper an Körper an Amelia, die stark unterkühlt war. Mit Wehmut legte Ruan den beiden den Mantel und die Decke über den Körper, bevor er sie alleine liess und unter seinen Felsvorsprung schlich, wo er sich nochmals hinlegte. Es würde nicht mehr viele Stunden Schlaf geben, bis sich der Himmel erneut erhellte.
Mit einer Hand strich Finn über die kurzen verwuschelten Haare von Amelia und fragte sich weshalb sie diese wunderschönen Haare abschnitt. Doch ihm war alles egal, solange er sie bei sich hatte. "Du bist ein Wunder, Amelia. Du bist mein Wunder." Seine Lider wurden schwer und er lauschte dem regelmässigen Atem von ihr, bis er eingeschlafen war.
Gerädert erwachte Amelia von einem Sonnenstrahl. Sie fand sich eingekuschelt, direkt vor Finn in der Nähe eines Aschenberges. Ruan war bereits auf den Beinen und kniete sich vor sie. "Wie geht's dir?" Amelia schälte sich aus der Decke, die über sie gelegt war. "Öhm, naja, ich kann mich nicht mehr an so viel von gestern erinnern. Und mein gesamter Körper schmerzt. Aber ich bin noch hier. Ich lebe noch." Sie sagte das eher, um es selbst zu glauben. Ihr Magen knurrte lauter als ein Tiger und Ruan musste schmunzeln. Er streckte ihr ein Brot hin, in welches Amelia hunrig hinein biss. Währenddessen versucht er mit dem wenigen Holz, welches übrig war ein Feuer zu machen. Anfangs war Amelia so mit ihrem Essen beschäftigt, dass ihr erst bewusst wurde, wie sich Ruan abmühte, als er heiser hustete. Sie setzte sich auf den Boden, drückte Ruan leicht weg und liess eine winzige Flamme auf der Hand entstehen. Sie wurde grösser und wanderte über ihre Fingerspitzen zu den kleinen Ästen. Stolz blickte sie Ruan an, der ihr lächelnd auf die Schulter klopfte.
Nach einem ausgiebigen Drücken und leidenschaftlichen Küssen, rief Ruan die beiden zu sich. Er brach für jeden einen Ecken Brot ab und reichte die heisse Brühe mit Kräutern umher. Amelia schmolz dahin beim Geruch der feinen Suppe. Die Stärkung hatte sie gebraucht. Nach dem Essen sassen sie zusammen und Amelia schilderte die wenigen Details, welche noch in ihrem Kopf hängen geblieben sind. "Diese Frau geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Das musste ein Hollogramm, eine Halluzination von mir gewesen sein. Sie hat gesagt, ich sei der Frühling." Den Part mit: Nur du kannst den Krieg gewinnen, liess Amelia bewusst weg, denn sie war sich bei keinem Wort sicher, welches aus ihrem Mund kam. Ob dies der Wahrheit oder ihren irrsinnigen Gedanken entsprach. Ruan und Finn hatten die Mäuler weit offen und starrten sie an. "Du bist der Frühling! Weshalb bin ich nicht früher darauf gekommen!" Ruan schlug sich mit der flachen Hand selbst und Finn blickte genauso verwirrt wir Amelia zu seinem Bruder. "Aber natürlich! Du kannst Bäume und Blumen entstehen lassen und zum Blühen bringen. Du beherrschst die Elemente für den Frühling." Ruan schien während seinem Monolog selbst nach zu denken und die Informationen zu glauben. Ständig wiederholte er stirnrunzelnd: "Der Frühling..." Er nahm die Hände herunter und blickte Amelia tief in die Augen. "Das bedeutet aber, dass du das Kind von Isalie sein musst, weil sie der Frühling war. Denn Lerimed ist der Frühling und Eris kann nichts dagegen machen. Du bist ihre einzige Nachkommin. Du bist jetzt der Frühling. Nur du kannst das Gleichgewicht halten." Die Flut aus Informationen überwältigten Amelia komplett.
"Warte, was?" Aufgebracht hüperte Ruan umher und suchte geeignete Steine in seinem Umfeld, die er in verschiedenen Abständen auf den Boden legte. "Alsoooo" Er strahlte übers ganze Gesicht. Amelia hatte Ruan noch nie so fröhlich und kindlich gesehen. Das 'o' zog er bewusst in die Länge, um eine künstliche Pause in seinen Monolog zu integrieren, obwohl niemand ausser ihm durchblickte. Den grössten Stein legte er in die Mitte. "Das ist der Berg des ewigen Schnees. Hier sind wir." Er zeigte auf den Stein, auf dessen drei kleine Steine lagen, und wanderte mit seinem Finger weiter. "Das ist Lerimed." Er machte einen grossen Kreis um Lerimed. "In diesem Kreis ist jeden Tag Frühling. So wie ihr es kennt. Blauer Himmel, blühende Blumen, frisches saftiges Gras, kalte Morgen und Tau auf den Gräsern. Das ist der Frühling. Isalie war die Königin und heiratete Eris. Sie regierten beide, doch Isalie war die treibende Kraft, denn sie hatte die gleiche Gabe wie du. Sie war der Frühling. Dank ihr blühten die Ernten und es regte zu den gewünschten Zeiten. Seit Eris die Macht alleine besitzt, weil Isalie gestorben ist, erlischt der Frühling langsam und Eris kann nichts dagegen machen." Wild fuchtelte Raun mit den Händen. Beide nickten besonnen. "Aber Isalie ist schon seit 19 Jahren gestorben. Wie kann das sein, dass sich der Flora und Faunazustand erst seit einigen Monaten rapid verschlechtert?" Finns Frage war berechtigt und Amelia wurde stutzig. Ruan schien zu überlegen und Amelia zweifelte an der Richtigkeit seiner Aussagen. Sein Finger schnellte nach einigen Überlegeminuten nach vorne und zeigte auf Amelia. "Sie." "Sie ist der Grund. Isalie war zwar gestorben, aber weil dazumal noch niemand die Gabe des Frühlings übernommen hatte, weil du noch zu klein warst für deine Gabe. Sie hatte jedoch eine so grosse Macht, dass sie sogar als Engel des Himmels den Frühling in Lerimed kontrollieren konnte. Bis zu dem Zeitpunkt, als Amelia ihre Gabe bekam. Je näher du an deiner Gabe warst, desto weniger Einfluss hatte Isalie aus dem Himmel. Ab diesem Zeitpunkt, wo du die Gabe hattest, solltest du für die Stadt und deren Umfeld sorgen, doch du warst nicht in der Stadt. Der einzige Weg Lerimed zurück in die glückliche und farbenfrohe Stadt zu verwandeln, ist Eris zu besiegen und dich zur Königin zu machen, denn du bist die Prinzessin dieses Landes." Ruhe kehrte ein, als er endete und den Stein der Amelia darstellte in die Mitte von Lerimed schob.
Amelia fasste sich an den Kopf. Wie kann das alles sein? Eris hatte recht. Ich bin die Tochter des Königpaares. "Aber weshalb beherrscht sie denn das Feuer?" Finn war gefasst und seine Aussagen waren mit Bedacht gewählt. Ruan setzte sich in den Schneidersitz und starrte in den Himmel. Die Sonne wärmte seine kalten Hände. Amelia nahm einen Stein vom Boden auf.
"Ich muss euch etwas gestehen." Die Blicke wanderten neugierig zu ihr. "Ich war beim König. Bei ihm auf der Terrasse, da seine Garde mich nicht aufhalten konnten. Eris hat mich als seine Tochter bezeichnet und mir die Kraft seiner Gabe gezeigt. Er ist wirklich mächtig. Anhand eines meiner Haare konnte er meine ganze Vergangenheit wie in einem Film über seinem Kopf zurücklaufen lassen. Er hat mir gezeigt, dass ich als Säugling weggeben wurde, zu den Personen, die ich ein Leben lang als meine Eltern angeschaut habe. Ich war am Boden zerstört. Psychisch kaputt und danach wollte er mich mit Feuer töten, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass ich sein Feuer zurückhalten konnte und so konnte ich von ihm fliehen. Die Flucht gelang mir nur, wegen des Überraschungseffektes. Er ist gewaltig stark. Eris beherrscht das Feuer. Ich bin seine Tochter. Wir sind beide Kinder des Teufels." Jetzt war es an Ruan und Finn die Mäuler offen zu halten. Finn verwarf frustriert die Hände. Es waren zu viele Informationen in zu kurzer Zeit. Ruan sass stocksteif in der Denkerpose und schien über ihre Worte nachzudenken. "Doch, das ergibt Sinn." "Amelia, du besitzt die Macht, die grösser ist, als jede Gabe, die wir bis jetzt kannten. Denn du hast die Kräfte des Himmels und die der Hölle in dir. Die Macht des Frühlings hast du von Isalie und die Macht des Feuers hast du von Eris. Das Schicksal wollte es so, dass du beide Gaben sehr ausgeprägt bekommst, woran dein Körper beinahe gescheitert wäre." Amelia blickte entschuldigend zu Finn. "Das bedeutet, dass du dein Leben riskiert hast, nur um mir die mächtigste aller Gaben zu geben, mit der ich eine Chance habe, den König zu besiegen." Jetzt war es an Finn auf den Boden vor sich zu blicken und die Steine hin und her zu schieben. "Ich konnte dich nicht mehr leiden sehen und wusste, dass du eine mächtige Gabe in dir trägst, aber dass es die mächtigste war, konnte auch ich nicht wissen." Ruan brachte sich mit einem Räuspern ein. "Wichtig ist, dass wir eine weitere Information zu Eris und seiner Gabe haben. Er ist nicht nur äusserst kraftvoll, sondern kann mit dem Feuer umgehen. Wir müssen uns einen guten Plan zurechtlegen." Er machte eine Pause, als getraute er sich nicht, die Frage zu stellen. "Amelia, bist du bereit den König vom Thron zu stossen und mit uns an vorderster Front für den Frühling und das Gute zu kämpfen?"
"Ja, ich bin bereit!" Ihre Stimme war stark und ihr Oberkörper aufgerichtet. "Dann freut es mich, dich bei uns im Team gegen Eris aufnehmen zu können." Der Kämpfer sprach aus ihm und erfüllte Amelia mit Stolz, ein Mitglied seiner engsten Truppe zu sein.
Mit gefüllten Köpfen verliessen sie den Schlafplatz und wanderten langsam über die Steine. Als sie weit genug vom Nebel entfernt waren und das Methangas nicht mehr in Reichweite war, öffneten sie ihre Flügel. Ein einheitlicher Laut des Wohlwollens trat aus ihren Kehlen. Sie fühlten sich frei. Fliegen konnten sie nicht mehr. Die Luft war zu dünn geworden und machte ihnen während des Aufstiegs zu schaffen. Aber das Gefühl der Freiheit blieb.
"Doch, das ergibt Sinn.", sagte er schliesslich. "Das wird unseren Kampf deutlich erschweren, wenn er ein Kind des Teufels ist." "Weshalb?" "Du hast seine Macht am eigenen Leibe erfahren, Amelia. Er ist noch zu viel mehr fähig, als wir uns vorstellen können."

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Frühlingskind
FantasyABGESCHLOSSEN "Der Nebel war noch dichter geworden, um sie herum war es stockfinster und sie konnte ihre Begleiter nicht hören und schon gar nicht sehen. Als sie eine weitere Minute nur ihnen eigenen Atem vernehmen konnte, versuchte sie gar nicht er...