Maila war ganz aufgelöst. Sie habe etwas erahnt, doch nicht schnell genug gehandelt und fühlte sich unendlich schuldig. Ich erzählte ihr meine ersten Stunden nach der Rückkehr. Totz meinem Hass gegenüber Vater, spürte ich Reue und Mitleid. Denn obwohl er ein Arsch gegenüber uns und Serina war, hatte er Mutter vergöttert. Sie hatten sich wirklich geliebt. Und so hielt ich es für klüger, Maila zu sagen, Keer wäre davongerannt, als er mich hatte nach Hause kommen sehen. Also glaubten alle, Keer sei davongelaufen und nie wieder zurückgekehrt. Maila fühlt sich heute noch schuldig, dass sie von der Liebe geblendet ihre Gabe bei Keer nicht eingesetzt hat und damit ihre eigene Tochter getötet hat. Mittlerweile ist es besser geworden. Die Zeit heilt alle Wunden. Doch sie wollte nicht nach Hachmared. Bei ihren Freundinnen in Lerimed ist sie besser aufgehoben. Zudem hilft sie uns mit wichtigen Lebensmitteln und Produkten aus der Stadt aus."
Finn beendete seinen Monolog und starrte weiter auf seine Finger, als würde er die Geschichte nochmals für sich passieren lassen. Amelia wischte sich die Tränen mit der Handfläche vom Gesicht und sah ihn an. Erschöpft, klein und unbeholfen sass er vor ihr. Seit ihrem Kennenlernen hatte sie Finn nie so gesehen. Sie ertrug es nicht und merkte wie ihre eigenen Schuldgefühle für ihre Wut aufkamen. Ihr wurde schlecht und kurz schwarz vor Augen, doch sie schüttelte es weg, stand auf und umarmte Finn von hinten. Er fing erneut an zu schluchzen, drehte sich zu ihr und nahm sie in den Arm. Seine grossen Flügel legten sich um das Paar und hüllten sie ein. Finn flüsterte: "Du bist die alle Erste, die von meinem Geheimnis weiss, Amelia." Amelia kuschelte sich näher an Finn und gab ihm einen sanften Kuss auf das Kin. "Ich liebe dich so wie du bist, mein Engel."
Trotz intensiven Heilversuchen wurde Amelias Körper schwächer. Der Alltag in der Bibliothek raubte ihr so viel Kraft, dass sie nur halbtags arbeitete und nachmittags schlief. Seit Wochen ging dies so. Finn weckte Amelia abends, wenn er nach seinem Arbeitstag nach Hause kam. Amelia fühlte sich ständig müde und schlapp.
Gemeinsam mit seiner Grossmutter stand er im Türrahmen und sah zur schlafenden Amelia. Auch Ylvy konnte die roten Farbmuster sehen, die Amelia mittlerweile ständig umgarnten. Sogar während des Schlafes schien sie keine Ruhe zu bekommen. Finn seufzte. Obwohl sie bereits seit einem halben Jahr ein Paar waren, hatte Finn ihr nichts von seiner Gabe erzählt. Genauso wie Ylvy und Ruan die Gabe für sich behielten. "Ylvy, ich kann nicht einfach zusehen, wie sie sich selbst kaputt macht." Die kleine Frau strich sich ihr weisses langes Haar aus dem Gesicht, legte eine Hand auf seine Schulter und sah ihrem Enkel tief in die Augen. "Du musst für dich selbst entscheiden, was richtig ist. Mein Wissen und meine Heilkräfte sind ausgeschöpft. Ich kann ihr nicht helfen." Mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedete Ylvy sich, breitete ihre violetten Flügel aus und flog davon. Finn setze sich auf die Bettkante und strich über die Wange seiner Liebsten. Jedes starke Gefühl hatte er Amelia ausgesetzt und doch war ihre Gabe nicht entzündet worden. Er seufzte. Jedes Gefühl, ausser eines. Seit Wochen dachte er darüber nach und jedes Mal wurde ihm schwer ums Herz. Unschlüssig biss er sich auf die Lippen und schluckte den gebildeten Kloss im Hals hinunter. Während er alleine, so wie seit Wochen, das Nachtessen zubereitete, fasste er einen Entschluss. Er würde es durchziehen, auch wenn er dabei alles verlieren wird, was er besass.
"Hey mein Schatz, was ist den los? Du bist seit Tagen so ruhig. Wie war dein Tag?" Mit glänzenden Augen sah Amelia ihren Liebsten an, doch dieser schien bereits wieder in den eigenen Gedanken versunken zu sein und antwortete erst, als sie ihre Frage wiederholt hatte. "Ich möchte heute den Abwasch machen, Finn." Sie stand auf und nahm mit zittrigen Fingern die Teller vom Holztisch. "Traust du dir das zu? Soll ich dir helfen?" Finn war sehr einfühlsam und schien bedrückt. Amelia bestand darauf den Abwasch alleine zu machen und schickte Finn ins Wohnzimmer. Erschöpft, aber freudig, den Abwasch ohne Anfälle alleine bewältigt zu haben, trat Amelia einige Zeit später zu ihm. Finn legte sein Buch zur Seite und nahm Amelia auf den Schoss. Er kuschelte seinen blonden Kopf an ihre Brust und schnurrte. Amelia lächelte leicht und strich ihm über den Kopf. "Wir haben heute den letzten Schliff am Haupthaus fertiggestellt." "Oh wow, grossartig!" "Morgen Nachmittag wird es eine Feier geben. Ich möchte, dass du mitkommst." Finn sah zu Amelia hoch. "Ich werde Brigitte sagen, dass ich am Morgen nicht arbeite und hoffe so am Nachmittag genug fit zu sein. Okay, Liebster?" Verträumt antwortete Finn. "Das wäre wirklich grossartig." Als Amelia aufstand und im Badezimmer verschwand, dachte Finn nach. Doch egal wie er es drehte und wendete es würde Folgen haben. Hoffentlich bringe ich morgen nicht nochmals ein Engel um, dachte er für sich.
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Frühlingskind
FantasyABGESCHLOSSEN "Der Nebel war noch dichter geworden, um sie herum war es stockfinster und sie konnte ihre Begleiter nicht hören und schon gar nicht sehen. Als sie eine weitere Minute nur ihnen eigenen Atem vernehmen konnte, versuchte sie gar nicht er...