"Jetzt streng dich doch mehr an."
Bei Skorpions harten Worten zuckte Shadow zusammen. So gut er konnte wich er der Attacke seiner Schwester aus und setzte mit einem schlecht gezielten Schlag zum Gegenangriff an. Mond schnurrte amüsiert, duckte sich und tauchte unter ihm durch. Überrascht wirbelte er herum. Die getüpfelte Kätzin erwartete ihn bereits mit einem triumphierenden Lächeln. Ehe Shadow reagieren konnte, riss sie ihm mit einem Tritt die Vorderbeine unter seinem Körper weg. Keuchend schlug er am Boden auf.
Doch ehe Mond sich erneut auf ihn stürzen konnte, rollte er sich zur Seite und sprang auf seine Pfoten. Als seine Schwester sich aufbäumte, um ihn mit den Vorderpfoten zu treffen, wirbelte der schwarze Kater herum und trat ihr in den Bauch.
Triumphierend warf Shadow den Kopf in den Nacken, doch da durchzuckte ihn ein dumpfer Schmerz. "Zu früh gefreut."
Mond hatte ihm mit einem gekonnten Schlag ins Bein getreten, woraufhin er zusammenbrach. Du musst wieder aufstehen., tadelte er sich selbst, aber seine Energie war aufgebraucht.
"Damit hat Mond gewonnen. Schon wieder." Skorpion seufzte und warf Shadow einen enttäuschten Blick zu. "Wenn du in drei Sonnenaufgängen noch leben möchtest, empfehle ich dir, dich mehr anzustrengen."
Shadow erhob sich mühsam und sah Skorpion nach, wie er zu Schleier tappte und sich mit seinem Bruder austauschte.
"Er hat recht.", miaute Mond. "Das da draußen ist gefährlich. Wir wollen beide nicht, dass du stirbst." Sie zwinkerte ihm zu. "Nächstes Mal lasse ich dich vielleicht gewinnen."
Shadow rollte mit den Augen. "Ernsthaft? Du schlägst mich nicht nur mühelos sondern trittst auch nochmal zu? Das ist nicht sehr ehrenhaft.", sagte er beleidigt, konnte ein Schnurren aber nicht unterdrücken. Mond knuffte ihm in die Seite.
Auf einmal gesellte sich Sasha zu ihnen. An ihrer Wange prangte ein blutiger Kratzer. "Was ist passiert?", fragte Mond entsetzt.
Die gelbe Kätzin sah ausweichend zu Boden. "Natter.", miaute sie knapp und schnippte abwehrend mit der Schwanzspitze.
Shadows Blick schnellte wütend zu der weißbraunen Kätzin, die mit Blitz diskutierte. Sie war gemein bis auf jedes Haar in ihrem Fell. Schon als Junges hatte sie Sasha schikaniert und sie gemeinsam mit Wolf vor dem ganzen Stamm bloßgestellt und blamiert.
Während er sich an die grausame Zeit von Sasha erinnerte, säuberte seine Schwester deren Wunde. "Aber sonst geht es dir gut?", hakte Mond nach und sah ihre Freundin eindringlich an.
"Ja, danke", miaute die Kätzin leise.
Plötzlich tappte Blitz zu ihnen. "Wie geht es dir?" Ihr Blick ruhte auf Sasha, die in ihrem Pelz zu schrumpfen schien.
"Besser."
Die Ausbilderin neigte zufrieden den Kopf. "Natter wird nachher den Beschützerbau säubern, falls dich das tröstet." Damit drehte sie sich um und lief davon.
Shadow sah ihr noch kurz nach, ehe er sich wieder an Sasha und Mond wandte. "Ich fürchte, ich bin noch nicht bereit", gestand er ihnen.
Mond legte den Kopf schief. "Bereit wofür?"
Shadow seufzte. "Für den ersten Auftrag.", flüsterte er, damit keiner der Ausbilder ihn hören könnte. Frost würde ihm vermutlich das Fell über die Ohren ziehen.
"Ach so, wenn es weiter nichts ist", schnurrte seine Schwester amüsiert. "Das habe ich eben schon bemerkt."
Shadow warf ihr einen bitteren Blick zu. Für sie ist das alles nicht so ernst. Sie weiß nicht, wie es sich anfühlt, ein Außenseiter zu sein. Wie es ist, vor der einzigen Aufgabe, die den Stamm ausmacht, Angst zu haben. Er sah in den dunklen Wald hinein. Die Bäume schaukelten und warfen ihre bedrohlich aussehenden Schatten über den moosbewachsenen Boden.
Ein Frösteln zog durch seinen Körper, wenn er daran dachte, wie er Seite an Seite mit seinen Stammesgefährten durch die Nacht zu streifte und seine Opfer tötete, ehe sie ihren gespenstischen Warnschrei zum Himmel hinaufschicken konnten.
Finsternis hatte ihm oft Geschichten über die Katzen vom Stamm des Lichts erzählt. Angeblich stieg ihre Seele nach dem Tod in die Sterne, von wo aus sie auf die Lebenden aufpassten und Katzen wie ihn bis in die Träume verfolgten. Deshalb mussten sie getötet werden, bevor sie sich mit dem sogenannten Morgenschrei retten konnten. Wenn eine Katze ihren Morgenschrei dennoch rufen konnte, brach sofort der Sonnenaufgang ein. Jede Katze vom Stamm der Nacht, die zu der Zeit nicht zurück im Düsterwald war, wurde vom Licht verschlungen. Nie kam eine von ihnen zurück.
Auch Shadows Vater hatte ihm manchmal Geschichten über die größten Kämpfer erzählt, die je gelebt hatten. Von Katzen, die doppelt so groß waren wie ihre Feinde und von Krallen, die schneller gezückt waren, als jeder andere es konnte. Doch auch sie fielen im Kampf.
Black hatte ihm schon oft gesagt, dass er auch wie einer von ihnen im Kampf sterben wollte. Der Tod...Shadow verstand nicht, wieso die anderen Katzen nur dieses Thema im Kopf haben konnten. Freuten sie sich denn gar nicht darüber, dass sie lebten? Wollten sie ihr Leben nicht genießen, sondern es nur den anderen wegnehmen?
Seine Gedanken schweiften immer weiter ab, sodass er gar nicht bemerkte, wie Frost sich ihnen näherte. "Wir gehen." Ihre kalte Stimme riss Shadow zurück in die Gegenwart. Den Namen haben ihre Eltern wirklich gut getroffen., dachte er, traute sich aber nicht, es auch nur zu flüstern.
Langsam erhob der schwarze Kater sich und tappte neben Mond hinter den anderen her. Sein Blick fiel auf Black.
Der Kater lachte gerade gemeinsam mit seiner Schwester Dunkelheit. Plötzlich drehte er seinen Kopf und funkelte Shadow durch seine braunen Augen an. Er sagte noch etwas zu Dunkelheit, ehe er sich zurückfallen ließ.
Nervös starrte Shadow auf den Boden. Was hatte sein Freund nur vor? War er überhaupt noch sein Freund? Unsicher spähte er zu Mond, die scheinbar mit Sasha ins Gespräch vertieft war. Black kam ihnen jetzt immer näher. Panik schnürte Shadows Kehle zu, als er an seinen Streit mit ihm dachte. Doch als der braungetigerte Kater bei ihnen ankam, wandte er sich an seine Schwester. "Dunkelheit sagt, sie habe gerade eine Maus mit Flügeln gesehen.", miaute er.
"Ich wusste es!" Aufgeregt rannten die beiden Kätzinnen los und holten zu Dunkelheit auf.
Für ein paar Herzschläge tappten Shadow und Black wortlos nebeneinander her. Shadow spürte, wie sein Herz schneller schlug und seine Gedanken anfingen zu rasen. Was würde jetzt geschehen?
Ohne ihn anzusehen miaute Black: "Du wirst nicht ewig so durch das Leben gehen können, das weißt du?"
Shadow blinzelte ihn verwirrt an. Was wollte sein Freund- Er stockte. Waren sie überhaupt noch Freunde?Es fühlte sich nicht so an. Allein der Gedanke daran, Black als Freund zu verlieren, tat Shadow entsetzlich weh. Aber wie konnte ein kleiner unnötiger Streit eine so starke Freundschaft zerstören? Oder war sie gar nicht so stark?
"Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest.", versuchte er Black zu erklären.
Ein Fauchen entfuhr dem braungetigerten Kater und Shadow unterdrückte das Verlangen, vor ihm zurückzuweichen.
"Du bist ignorant und egoistisch und denkst, du wärst besser als wir alle. Ich werde jedem zeigen, dass hinter deiner Fassade bloß ein schwaches Junges steckt!"
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Zeit der Wahrheit (Abgeschlossen)
Fanfiction"Es ist deine Bestimmung, Shadow! Je eher du das akzeptierst, desto schneller kannst du ihr Leben retten!" Sobald die Sonne untergeht, erwachen die Katzen der Nacht. Unter ihnen der junge Kater Shadow. Seine einzige Aufgabe ist es zu töten. Denn un...