Prolog

122 18 8
                                    

Tiefes Schwarz prangte am Himmel und verweigerte den Sternen, ihr silbernes Licht auf den Boden fallen zu lassen. Sanfter Wind strich durch die dichten Kieferbäume, die daraufhin ein kaum hörbares Zischen von sich gaben. Eine Eule flatterte zwischen den langen Ästen umher und gab ein heiseres Krächzen von sich. Ihre orangenen Augen glühten in der Nacht.

Eine hellgraue Kätzin trat auf eine staubige Lichtung. In ihren braunen Augen stand Erschöpfung geschrieben, doch ihre Stimme war ruhig.

"Zeig dich endlich! Du kannst dich nicht ewig verstecken."

Stille. Die Kätzin schnaubte wütend und tappte in die Mitte der Lichtung. Erst jetzt konnte man eine Narbe erkennen, die über ihrem rechten Auge prangte. "Du weißt, dass ich es sowieso schaffen werde!", rief sie herausfordernd.

Gerade wollte die hellgraue Kätzin umdrehen, als eine beige Kätzin mit weißen Pfoten aus einem Gebüsch schlüpfte. "Das weißt du nicht.", entgegnete sie scharf.

"Natürlich! Er ist doch nur ein naives Junges."

Die beige Kätzin zuckte mit den Ohren und machte ein paar Schritte auf die andere zu, bis sich fast ihre Nasen berührten. "Wirklich? Bist du dir da so sicher?", knurrte sie.

Mit einem Fauchen kniff die hellgraue Kätzin die Augen zusammen. Für einen kurzen Augenblick flackerte Unsicherheit in dem dunklen Braun auf.

"Erinnere dich an letztes Mal.", fuhr die beige Kätzin mit den weißen Pfoten fort. "War es da auch nur ein Junges? Lass dein Vorhaben und wir werden-"

"Es ist mir vollkommen egal, was ihr möchtet oder tut!", unterbrach die hellgraue Kätzin sie zischend und fuhr die Krallen aus. "Dieser Kater hat eine Gabe. Eine Gabe, die gleichzeitig ein Wunder und ein Fluch ist! Und du wirst mir dabei nicht im Weg stehen, Nachtigall!"

Die Kätzin mit dem Namen Nachtigall wich mit aufgerissenen Augen zurück. "Das ist die falsche Entscheidung.", miaute sie bestimmt, doch in ihrem Blick lag Verzweiflung. "Er ist die einzige Chance, Frieden zu bringen."

Die hellgraue Kätzin legte knurrend die Ohren an. "Ach ja?" Sie machte einen Schritt auf Nachtigall zu. "Du meinst wohl eher euren Frieden."

Ohne der beigen Kätzin eine Möglichkeit zum Entkommen zu geben, sprang sie mit einem Kreischen vor. Ein gezielter Schlag traf Nachtigall am Kopf.

Diese wich benommen von zurück. "Das...kannst...du nicht machen.", keuchte sie überrascht.

Doch die hellgraue Kätzin schnaubte nur verächtlich. "Wie gesagt: Du stehst mir nicht im Weg!" Mit einem weiteren Sprung schoss sie vor. Aber diesmal war Nachtigall schneller. Sie duckte sie rasch und wich somit dem Schlag gekonnt aus. Blitzschnell setzte sie zum Gegenangriff an. Ihre Krallen zerfetzten das linke Ohr der hellgrauen Kätzin.

Jaulend wirbelte diese herum und bleckte die Zähne. Blut tropfte auf den Boden. "Du kannst nicht gewinnen!", rief sie, ehe sie unter Nachtigall hindruch tauchte und ihr von hinten auf den Rücken sprang.

Überrascht taumelte die beige Kätzin ein paar Herzschläge hin und her, fasste sich dann aber wieder. Ein Kreischen entwich ihr, als die andere Kätzin ihr die Krallen ins Fleisch bohrte und eine tiefe Wunde hinterließ.

Unter stechenden Schmerzen bäumte sie sich auf, warf ihre Gegnerin ab und kauerte sich in Angriffsstellung.

"Lass den Unsinn, Kralle!"

Doch Kralles Augen blitzten nur gehässig auf. "Flehen hilft dir nicht mehr." Sie duckte sich vor einem laschen Schlag. Nachtigall verlor immer mehr Blut aus ihren Wunden und ihre Angriffe wurden schwächer. Kralle jaulte triumphierend. Ein letztes Mal holte sie aus und traf Nachtigall an der Schläfe.

Die beige Kätzin stöhnte noch einmal auf, sackte dann aber reglos zusammen.

Zufrieden schüttelte Kralle sich, wobei Blutspritzer den Boden sprenkelten. In ihrem Ohr piepte es leicht, dort, wo Nachtigall ihre Krallenspuren hinterlassen hatte.

Schnell packte die hellgraue Kätzin Nachtigall am Nackenfell und zog sie von der Lichtung ins finstere Schwarz hinein.

Die beiden Katzen wurden von den Schatten verschluckt und als ob nichts gewesen wäre, kehrte erneut Ruhe ein.

Zeit der Wahrheit (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt