Einer Schauer lief Shadow den Rücken hinunter. Konnte Black das wirklich ernst meinen? Was hatte er vor? Ehe er überlegen konnte, riss der braungetigerte ihn von den Pfoten und mit einem dumpfen Knall kam er auf dem Boden auf. Er keuchte überrascht. "Was bei der Nacht!" Hilfesuchend sah der schwarze Kater zu Mond und den anderen, die jedoch unbeschwert weiterliefen. Bemerkten sie denn gar nichts?
"Ruf ruhig um Hilfe, sie werden dich nicht hören.", knurrte Black in einem abfälligen Ton, den Shadow noch nie bei ihm gehört hatte. Und er machte ihm Angst.
Black fuhr seine Krallen aus, seine Augen blitzten bedrohlich und Shadow meinte, ein Lächeln über sein Gesicht huschen zu sehen. Was ist los mit ihm? Der schwarze Kater versuchte hektisch, sich zur Seite rollen, aber Black schlug in den Boden neben ihm ein. "Weißt du überhaupt, was es bedeutet, immer im Schatten von anderen stehen zu müssen? Nein, natürlich nicht. Seit wir Junge sind, interessiert sich jeder nur für dich! Sogar..." Er machte eine Pause und sah weg.
Shadow wusste nicht, worauf er hinaus wollte. Verwirrt starrte er Black an. "Was willst du von mir?", fragte er ihn so ruhig wie möglich, obwohl seine Stimme bestimmt bebte vor Spannung. "Du bist mein Freund und ich möchte dich nicht für einen einfachen Streit verlieren."
Für einen kurzen Moment veränderte sich der Blick des Lehrlings. Er zögerte. "Du...du..." Plötzlich verengten sich seine Augen wieder zu Schlitzen und er riss den Kopf herum. "Du bist nicht mein Freund! Du bist nur ein Weiterer, der versucht mich zu täuschen. Solchen Katzen wie dir darf man nicht trauen!"
Katzen wie mir? Was redet er da? Shadow versuchte seine Angst zu verdrängen. In Blacks Augen zeigten sich Hass, Verachtung und...Trauer?
"Ich wusste nicht, dass du so denkst. Warum hast du mir denn nie etwas gesagt?" Der schwarze Kater wand sich verzweifelt am Boden und versuchte, sich unter Black zu befreien.
Doch dieser rührte sich nicht. "Im Nachhinein kann man immer um Vergebung betteln, aber ich bin nicht mehr so naiv. Ich bin nicht mehr auf dich angewiesen." Triumphierend hob er seine krallenbesetzte Pfote, in seinem Blick lag pure Wut. Shadow hielt den Atem an. Er würde mit Kraft nicht weiterkommen. Vorsichtig hob er erneut zum Sprechen an. "Auch wenn du mich nicht mehr als deinen Freund ansiehst, ich werde immer für dich da sein und dir helfen, egal wie schwer es sein mag, Black.", presste er so gut wie er konnte hervor.
Erleichtert stellte er fest, dass Blacks Griff sich lockerte und der braungetigerteKater von ihm abließ. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch plötzlich jagte ein Zucken durch seinen Körper. Er krümmte sich, seine Krallen fuhren sich ein und aus. Ein heiseres Krächzen, das vermutlich ein Schrei sein sollte, kam aus seiner Kehle. Er bäumte sich auf, ließ sich fallen. Das Braun in seinen Augen schien herumzuwirbeln und Shadow wurde bei seinem Anblick übel. Der schwarze Kater wollte Black helfen, doch seine Muskeln gehorchten ihm nicht - er war wie vor Schreck erstarrt. Was passiert mit ihm?
Plötzlich wurde Shadow von einer Woge der Kälte überschwemmt und er keuchte überrascht. Ein dumpfes Geräusch drang zu ihm vor, es war wie ein Fauchen.
Dann, von einem Moment auf den anderen, war alles verschwunden. Keine Kälte, kein Fauchen. Shadow sah zu Black, der mit weitaufgerissenen Augen zu ihm herüber starrte. Auch er hatte sich beruhigt, sein Körper zuckte nicht mehr.
"W-was ist passiert?", stotterte er.
Shadow blinzelte verständnislos, unfähig, etwas zu erwidern. Black tappte auf wackelnden Beinen zu ihm herüber. Der schwarze Kater wich zurück und Black blieb verwirrt stehen. "Was hast du?"
Shadow sog scharf die Luft ein. Er wusste nicht, was hier gerade geschah, aber es gefiel ihm nicht. "Du hast..." Er zögerte. "Wir hatten Streit."
Black schüttelte den Kopf. "Das kann nicht sein. Wir streiten uns nicht! Wir sind doch Freunde."
Die Worte hallten immer wieder in Shadows Kopf wieder. Freunde...Freunde...Feinde? Das liegt alles so nah beieinander. Hat Kralle recht? Aber woher wusste sie das? Ich muss sie noch einmal sehen. Sie weiß mehr, als ich denke! Beruhigend nickte er Black zu. "Alles gut, lass uns das einfach wieder vergessen."
Black wirkte unbehaglich, aber er neigte zufrieden den Kopf. "Dann" Er sah sich um. "Sollten wir wieder die anderen finden."
Shadow folgte seinem Blick. "Du hast recht.", murmelte er und erhob sich. "Du hast recht."
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In der Nacht wurde Shadow von Träumen heimgesucht. Er lief wieder durch den unheimlichen Wald, an dem er bereits vor einiger Zeit gewesen war. Der dichte Nebel hinderte ihn daran, in den Wald hineinsehen zu können. Irgendwann kam er bei der Lichtung an, bei der er auch zuletzt gewesen war.
Unsicher sah er sich nach Kralle um, doch die hellgraue Kätzin war nirgends zu sehen. Mit einem mulmigen Gefühl tappte Shadow in die Mitte der Lichtung. "Hallo?", rief er, bewusst, dass seine Stimme vor Angst bebte. Keine Antwort.
Enttäuscht wollte er umkehren, als ein Lachen ertönte. Erschrocken wirbelte er herum. Doch da war immer noch niemand. Sein Blick wanderte umher, bis er auf einmal zwei leuchtende Augen aus der Finsternis heraus stechen sah. Das dunkle Braun umklammerte ihn fest und er hatte das seltsame Gefühl, dass sie seine Gedanken lesen könnten.
"K-kralle?", fragte er unsicher.
Der Umriss einer Katze erschien auf dem Baum. Shadow schnappte nach Luft, als die Katze den Stamm hinunter kletterte und auf ihn zukam. Als sie aus den Schatten heraustrat, wurde ihr hellgraues Fell sichtbar. "Da bist du ja, Shadow. Ich wusste, dass du zurückkommen würdest.", schnurrte sie.
Shadow schluckte und nickte zögerlich. "Du hattest recht. Du wusstest, dass Black und ich uns streiten würden. Woher?"
Kralle wog nachdenklich den Kopf hin und her. "Du bist also daran interessiert, mehr zu erfahren?" Shadow überlegte. War es die richtige Entscheidung, Kralle zu vertrauen? Er kannte sie doch gar nicht. Aber sie schien etwas zu wissen. Etwas, was Shadow auch wissen musste.
Kralle bemerkte offenbar, dass er unsicher war, denn sie tappte um ihn herum und miaute: "Ich kannte schon mal eine Katze wie dich. Ich trainierte und half ihr, doch letztlich musste ich den Preis für ihr Versagen zahlen."
Shadow schluckte. "Was ist mit ihr passiert?"
Die hellgraue Kätzin sah ihn an. "Sie wurde ermordet. Ermordet von dem Anführer des Stammes des Lichts, als sie in einen unnötigen Kampf geschickt wurde. Ich wurde für unsere Niederlage verantwortlich gemacht, dabei hat mir einfach die Zeit gefehlt. Ich hätte sie nur länger trainieren müssen." Mit einem nachdenklichen Nicken fuhr sie fort. "Es ist kein Zufall, dass wir uns getroffen haben." Sie sah Shadow an. "Ich denke, ich kann dir helfen. Wenn du mich nur lässt.", fügte sie hinzu.
Shadow spürte, wie sich ein Knoten in seinem Magen formte. Ich kann ihr nicht vertrauen. Aber wenn der Preis der Tod ist, lasse ich mich lieber auf ihre Hilfe ein. "Nun gut.", hob er an und Kralle schnurrte zufrieden. Ehe sie etwas erwidern konnte, fügte er rasch hinzu: "Aber eine Frage habe ich noch: Warum willst du mir helfen?"
Für einen kurzen Moment zögerte Kralle. Wusste sie nicht, was sie daraufhin sagen sollte? Hatte sie etwa keinen Grund und alles, was sie wollte, war ihn auszunutzen? Nur wofür? Shadow unterbrach seine Gedanken an dieser Stelle. Ich muss wirklich damit aufhören, alles zu hinterfragen und so ein Feigling zu sein! Wie soll ich so je töten?
Kralle schien glücklicherweise nichts von seinen Zweifeln gemerkt zu haben, denn sie antwortete mit einem geheimnisvollen Lächeln: "Das erkläre ich dir, sobald die Zeit reif ist."
Sie neigte zum Abschied den Kopf, schob sich an Shadow vorbei und verschmolz ohne einen weiteren Blick mit Schatten. Shadow sah ihr kurz nach, ehe er sich seufzend setzte. Hoffentlich habe ich keinen Fehler gemacht. Bitte, bei der Nacht, lass mich diesen Tag, diese Entscheidung, nicht bereuen.
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Zeit der Wahrheit (Abgeschlossen)
Fanfiction"Es ist deine Bestimmung, Shadow! Je eher du das akzeptierst, desto schneller kannst du ihr Leben retten!" Sobald die Sonne untergeht, erwachen die Katzen der Nacht. Unter ihnen der junge Kater Shadow. Seine einzige Aufgabe ist es zu töten. Denn un...