Selbstloser Mord

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Voller Panik wirbelte Shadow herum. Seine Augen fest auf der roten Gestalt, die gerade ins Lager gestürmt kam. Mit einem tiefen Knurren entblößte sie ihre gelben Zähne und ihre langen Krallen fuhren klirrend über den steinernen Eingang. Hinter ihr tauchten fünf weitere Füchse auf. Entsetzt starrte Shadow sie an.

Er beobachtete, wie All fauchend auf den Rücken des ersten Fuchs' sprang und sich in seinem dichten Fell festkrallte. Ihm folgten Blut und Rabe, die sich kreischend auf die anderen stürzten. Auf einmal wurde Shadow von der Seite angerempelt und er fiel zu Boden. Sichel sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. In dem dunklen Grau schimmerte Angst, aber sein ganzer Körper war angespannt und bereit, die Füchse mit seinen scharfen Krallen bekannt zu machen.

"Das hier ist kein Ort für Lehrlinge. Geh und verteidige die Beschützer wenn nötig!" Noch während der letzten Worte rannte er auf einen der Füchse zu und bohrte ihm seine Klauen in die Schulter, um sich dann schwungvoll auf seinen Rücken zu schwingen.

Der Lehrling sah ihm noch kurz nach, ehe er schnell zu Black herüberrannte. Sein Freund stand mit vor Schreck geweiteten Augen am Rand der Lichtung. Als er Shadow entdeckte, atmete er kurz erleichtert aus, wurde aber sofort in den Ernst der Situation zurückgerissen."Was passiert hier?", rief er mit hoher Stimme.

Der schwarze Kater erwiderte seinen Blick. "Siehst du doch", zischte er. Eigentlich wollte er nicht so barsch klingen, Black hatte ja nur Ansgt, aber die hatte er auch. "Komm, wir müssen uns um die Beschützer kümmern."

Wie aufs Kommando ertönte ein panischer Schrei. Shadow wirbelte herum und beobachtete, wie Untergang erstarrt gegenüber von einem der Füchse stand.

Ohne zu überlegen sprintete Shadow auf sie zu. Er wusste nicht, was er in diesem Moment tat. Er wusste nur, dass er schneller sein musste. Noch schneller! Denn sonst würden es Untergangs letzte Atemzüge sein. Mit voller Kraft stieß er sich vom Boden ab und traf den Fuchs so hart von der Seite, dass dieser überrascht zurücktaumelte. Für einen kurzen Moment blieb das rote Tier irritiert stehen.

Shadow nutzte die paar Herzschläge und drehte sich zu Untergang um. "Geht es dir gut?", keuchte er. Die Beschützerin nickte zögerlich.

"Danke.", hauchte sie kaum hörbar.

Shadow spürte, wie sein ganzer Körper vor Adrenalin bebte. Das Blut pumpte in seinen Adern und schoss ihm in den Kopf. Alles schien sich zu drehen. Doch er hatte keine Zeit, um sich auszuruhen, denn der Fuchs hatte sich gesammelt und kam jetzt drohend auf Shadow zu. Seine Zähne gebleckt, seine Lefzen trieften vor Speichel. Er sieht mich als Beute. Ich bin die Maus und er die Katze! Was mache ich hier? Ich bin viel zu schwach und unerfahren, um mich gegen einen Fuchs zu wehren. Panik durchströmte seinen Körper. Die kleine Flamme Heldenmut, die zuvor in ihm entfacht war, erlosch und Shadow betete nur noch, dass irgendwer ihm zur Hilfe kommen würde.

Der Fuchs schoss mit einem triumphierenden Jaulen vor. Er musste Shadows Angst riechen und war sich seines Sieges bewusst.

Zu seiner Überraschung setzten Shadows Reflexe ein. Er rollte zur Seite, sodass das Tier ins Leere schnappte, so nah, dass er dessen Atem riechen konnte. Ein furchtbarer Gestank, der Shadow fast würgen ließ.

Er riskierte einen Blick in Untergangs Richtung, um sicher zu gehen, dass es ihr gut ging. Ein Fehler.

Sobald seine gesamte Aufmerksamkeit nicht mehr dem Fuchs galt, nutzte dieser seine Chance. Ein stechender Schmerz schoss durch Shadows Rücken, als der Fuchs seine Krallen in seinem Fleisch versenkte.

Er schrie auf. Heißes Blut floss aus der Wunde und tränkte sein Fell rot. Unbändige Schmerzen, wie Shadow sie noch nie gespürt hatte, durchströmten seinen Körper. Seine Sicht verschwamm und er versuchte verzweifelt, sich von dem Fuchs entfernen, bevor dieser ihn erneut angreifen konnte. Ich will nicht sterben! Ich will nicht sterben! Bitte, bitte lass mich am Leben!

Das wütende Heulen nahm er gar nicht mehr richtig war. Auch die gelbe Fellkugel, die hinter ihm hervorschoss und sich auf den Fuchs stürzte, war nur ein undeutlicher Farbschimmer. Plötzlich spürte er Fell an seiner Flanke. Er drehte den Kopf. "Mond, was-", krächzte er, stöhnte aber vor Schmerzen auf. Jeder Zentimeter seines Körpers brannte vor Qualen.

Die getüpfelte Kätzin schüttelte knapp den Kopf. "Nicht reden, komm! Sasha wird ihn nicht ewig aufhalten können."

Eine weitere Katze trat an Shadows Seite. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ er sich von Mond und Tunnel an den Rand der Lichtung führen. Sasha hat mich gerettet. Der Nacht sei Dank, ich lebe! Ich werde ihr auf ewig etwas schuldig sein.

Ein weiterer Schrei ließ das Lager erzittern, nur diesmal war es nicht Shadow.

"Sasha!"

Monds panisches Kreischen folgte. Die Stirn des Fuchses, gegen den er eben gekämpft hatte, blutete. Seiner Flanke fehlten ein paar Fellbüschel und unter seinen gewaltigen Vorderpranken hielt er ein zappelndes Junges fest im Griff. Nein, kein Junges. Sasha! Ihr kleiner Körper wand sich verzweifelt unter dem schweren Gewicht.

Neben ihm entfuhr Mond ein Jaulen.

"Ich komme, Sasha!"

Sofort wollte die getüpfelte Kätzin ihrer Freundin zur Hilfe zu eilen, doch ein anderer Fuchs stürmte ebenfalls los. Shadow brauchte nicht lange, um zu erkennen, was passieren würde.

"Mond, nicht!", schrie er. Ohne zu überlegen stürzte er nach vorne, warf sich auf seine Schwester und sie fielen zu Boden. Genau in diesem Moment schnappten die spitzen Zähne des anderen Fuchses über den beiden zusammen. Den Schmerz in Shadows Rücken spürte er in diesem Moment kaum, er war wie betäubt. Fauchend wollte der Fuchs sich erneut auf sie stürzen, doch Tunnel schoss vor und drängte ihn mit Eules und Klaues Hilfe zurück.

Ein Kreischen ertönte, doch es erstarb augenblicklich.

Das Knacken ging Shadow durch Mark und Bein. Er traute sich nicht, aufzusehen.

Mond neben ihm sprang auf.

Durch Shadows Sichtfeld liefen Rauch und Krähe, Sashas Eltern. Nichts von all dem kann echt sein. Ich muss träumen. Aufwachen! Ich muss aufwachen! Ich will aufwachen! Rote Gestalten rannten dieses Mal in die andere Richtung an ihm vorbei. Die Füchse. Das Lager war sicher. Ist es sicher? Verdammt, ist es sicher!

Monds Heulen traf ihn wie ein Schlag. Voller Schmerz und Wut. Krähe und Rauch stimmten mit ein.

"Jemand muss ihr helfen! Los, sie braucht Hilfe!" Mond. Ihr Schluchzen übertönte fast ihre Worte.

"Wir können nichts mehr für sie tun. Es tut mir so leid." All. Er klang erschüttert.

"Sieh her!" Wieder Mond. Wen meinte sie?

"Sieh her, Shadow!"

Der schwarze Kater zuckte zusammen. Sie sprach mit ihm. Zitternd hob er den Kopf, ob vor Schmerz, Schrecken oder Angst wusste er nicht. Sein Blick fiel auf Sasha. Die gelbe Käztin lag am Boden, ihre Kehle blutverschmiert und ihr Blick gen Himmel gerichten. Neben ihr hockten ihre Eltern. Sie bebten vor Schluchzen und wimmerten. Mond saß neben ihnen. Ihre Augen waren rot angelaufen und direkt auf Shadow gerichtet.

"Du bist Schuld! Hättest du mich nicht aufgehalten, wäre Sasha noch am Leben!", kreischte seine Schwester "Warum kannst du dich nicht raushalten? Du machst alles nur noch schlimmer. Finsternis hat recht! Du gehörst nicht zu uns, nicht zu unserer Familie, zu niemandem! Verschwinde! Hau ab!"

Shadow sah sie schweigend an. Er wusste, wie sehr Sasha und Mond einander gemocht hatten, aber wie konnte sie ihm die Schuld an ihrem Tod geben? Er erhob sie stöhnend. Mittlerweile spürte er wieder die widerliche Wunde, die der Fuchs ihm zugefügt hatte. "Wie kannst du so etwas nur sagen? Du bist doch meine Schwester.", wisperte er und stolperte zurück.

Jemand trat an seine Seite, Black, der offenbar genauso schockiert war wie Shadow. "Sie meint es nicht so. Komm mit."

Wie gelähmt tappte Shadow mithilfe seines Freundes davon. Er fühlte sich gebrochen. Der Schmerz in seinem Rücken war nichts gegen den in seinem Herzen.

Mond rief ihnen hinterher. "Du bist Schuld, dass sie tot ist. Du bist nicht mein Bruder. Ich hasse dich! Hörst du? Ich hasse dich!"

Zeit der Wahrheit (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt