Treue

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Shadows Herz pochte immer schneller. Die Katzen vom Stamm der Nacht kamen langsam auf ihn zu - ihre Ohren angelegt und das Fell gesträubt. Was soll ich jetzt nur machen? Panisch ging er rückwärts auf die tote Esche zu. Klaue bleckte bedrohlich die Zähne. "Was hast du jetzt vor?", knurrte er.

Neben ihm starrte Frost Shadow mit eiskalten Augen an, die ihrem Namen gerecht wurden. "Ich wusste immer, dass mit dir etwas nicht stimmt. Du bist ein Feigling, ein Verräter und ein Mörder."

Am liebsten hätte Shadow laut "Nein" geschrien und wäre davongerannt, einfach irgendwo hin, nur nicht hier. Doch das ging nicht. Klaue, Frost, Krähe und die anderen hatten ihn umzingelt. Hinter der Menge sah er Düster, der ihn mit entsetzten Augen anstarrte. Ein paar Schwanzlängen neben ihm saßen Finsternis und Gewitter.

"Ihr wisst, dass ich es nicht war.", rief Shadow ihnen zu, aber seine Eltern wichen seinem Blick schnell aus. Nur Black und Dunkelheit versuchten sich an den Katzen vorbei zu drängen, um dem schwarzen Kater zu helfen, doch sie wurden von Fuchs und Kratzer zurückgehalten.

Auf einmal machte Krähe einen Sprung nach vorn. "Dir wird niemand helfen. So wie niemand All geholfen hat.", fauchte er schmerzverzerrt.

Shadow riss die Augen auf. "Aber warum hätte ich All töten sollen? Ich hatte doch gar keinen Grund. Etwa die Sicherheit, dass ich Stellvertreter bleibe, obwohl ich das niemals werden wollte? Jemand muss mich ausgetrickst haben.", miaute er dem weißen Kater mit den grauen Streifen panisch zu.

Es herrschte Stille, bis jemand anderes das Wort ergriff.

"Was ist mit Rache?"

Alle wirbelten zu Mond herum, die gelassen am Rand der Lichtung saß. Düster zuckte verwirrt mit den Ohren. "Wovon redest du?", fragte er und machte einen Schritt auf sie zu. Shadow erstarrte augenblicklich. Könnte es sein, dass Mond ihn und All gesehen hatte, als der ehemalige Stellvertreter ihn töten wollte?

Die getüpfelte Kätzin sah ihren Bruder ausdruckslos an. "Shadow trägt diese Wunden nicht von dem Angriff einer Eule. Sie stammen von All, der Shadow aus Neid angegriffen hat. Und nun ist All tot und das Fell meines-" Sie zögerte." "Unseres Stellvertreters liegt bei seiner Leiche." Mond musste diesen Gedanken nicht zu Ende führen. Shadow konnte sehen, wie die Katzen vom Stamm der Nacht eigenständig begriffen, was sie meinte.

Finsternis stieß einen spitzen Schrei aus. "All hat dich angegriffen!" Sie starrte ihren Sohn entgeistert an. "Warum hast du nichts erzählt?"

Krähe fauchte verärgert. "Halt dich da raus!", fuhr er sie an, woraufhin die getüpfelte Kätzin verstummte und nervös von einer Pfote auf die andere trat. Der weiße Kater mit den grauen Streifen kniff die Augen zusammen. "Du hast All also nicht nur aus Angst sondern auch aus Rache getötet?" Wütend machte er einen Schritt auf Shadow zu. "Du verdients es nicht Stellvertreter zu sein. Du bist hinterhältig, feige und grausam."

Diese Worte trafen Shadow so hart, als würde sein Gegenüber ihm in den Bauch treten. "Nein.", wisperte er nur noch. Seine Gedanken wurden hin und her geschleudert, sein Herz raste.

Plötzlich holte Krähe aus. Shadow konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, bevor er sein Gesicht traf. Keuchend drehte er sich um und bohrte seine Krallen in das Holz der toten Esche, wobei die Schmerzen in seinem Rücken um eine Unterbrechung flehten. Doch Shadow wusste, dass er darauf jetzt keine Rücksicht nehmen durfte. So gut wie er konnte zog er sich auf einen Ast hoch. Mit seinen Hinterpfoten versuchte er Halt zu finden und stützte sich mit seinen Pfoten an dem Baum ab.

Ächzend drückte er sich hoch, bis er sicher auf einem breiten Ast saß. Unter ihm fauchte Krähe wütend auf. Gerade, als der Kater zum Sprung ansetzte, stellte sich jemand ihm in den Weg.

"Beruhig dich!", befahl Düster dem Kämpfer streng. "Wir können auch darüber reden."

Krähe schnaubte abfällig. "Worüber reden? Er ist ein Verräter und er sollte das bekommen, was Verräter verdienen."

Mit einem kurzen Blick auf Shadow antwortete der Anführer vom Stamm der Nacht: "Es kann sein, dass jemand Shadow austricksen möchte. Wir sollten ihm eine Chance geben, seine Treue zu beweisen, nicht wahr?" Er sah mit seinen braunen Augen durch die Menge, die meisten wichen seinem Blick aus und starrten zu Boden.

Shadow zuckte unsicher mit den Ohren. Was schwebte Düster wohl vor? Das gleiche schienen sich auch seine Stammesgefährten zu fragen, denn sie fingen an, untereinander zu tuscheln und ihm neugierige Blicke zuzuwerfen.

"Krähe, ich kann verstehen, dass du wütend bist. Aber Shadow ist immer noch einer von uns - sogar unser Stellvertreter. Er hat noch nie etwas falsch gemacht, also geben wir ihm eine Chance, sich zu beweisen.", schlug Düster vor, der seine Augen jetzt wieder auf den weißen Kater mit den grauen Streifen gerichtet hatte.

Dieser zögerte. "Was schwebt dir vor?", blaffte er schließlich. Shadow hielt den Atem an. Er konnte sich nicht vorstellen, was Düster von ihm verlangen würde.

Er sah, wie Black und die anderen Lehrlinge ebenfalls rieten. "Meint ihr, er muss seinen Mut beweisen?", miaute Dunkelheit und schnippte erwartungsvoll mit der Schwanzspitze.

Black zuckte mit den Schultern. "Vielleicht muss er durch den Fluss schwimmen." Hoffentlich nicht. Diese beklemmende Nässe, die einen in den Abgrund zieht, wäre die perfekte Tarnung für einen Mord. Shadow schluckte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Düster, der seinem Stamm inzwischen bedeutet hatte, sich vor ihm zu versammeln.

"Nun", er sah zu dem schwarzen Kater hinauf. "Wir können nicht wissen, ob du All wirklich umgebracht hast, aber es spricht vieles gegen dich. Also musst du eine Aufgabe erfüllen, die deine Treue gegenüber mir und deinem Stamm beweist. Außerdem..." Er drehte sich um und sah Mond an. "Wir können keine Katzen gebrauchen, die ihre eigene Familie verraten."

Überrascht weiteten sich Shadows Augen, als Mond auf ein Zeichen hin von Fuchs und Kratzer nach vorn gedrängt wurde. Seine Schwester versuchte sich zu wehren, aber die Kater waren zu stark für sie.

Düster erhob die Stimme. "Treue wird am besten bewiesen, indem man zeigt, dass man alles für seinen Stamm tun würde. Und wäre es nicht ein guter Beweis, wenn man seine eigene Schwester tötet, nur um seinem Clan zu dienen?" Shadow erstarrte. Was redet er da für einen Fuchsdung? Entsetzt starrte er den dunklen Kater an und spürte, wie sein Magen sich verknotete. Düster lächelte. "Shadow, du hast zwei Monde Zeit, um sie zu töten!"

Zeit der Wahrheit (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt