Komplikationen

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"Du musst härter zuschlagen.", tadelte Kralle Shadow. "Wie willst du deinen Gegner besiegen, wenn er von deinen Angriffen keinen Schaden bekommt? Gleich nochmal!"

Erschöpft stellte der schwarze Kater sich wieder in Kampfposition und wartete auf Kralles Zeichen. Als seine Mentorin mit dem Schweif schlug, sprang er vor. Mit seinen Krallen schlug er nach der imaginären Katze, ließ sich zu Boden rollen und wirbelte mit den Hinterbeinen über den Boden, wodurch Staub aufgescheucht wurde.

Kralle nickte knapp. "Schon besser." Dann tappte sie ein paar Schritte weiter, bis sie genau vor Shadow stand. "Jetzt versuch es an mir."

Shadow starrte sie überrascht an. Unsicher trat er von einer Pfote auf die andere, aber die hellgraue Kätzin sah ihn weiterhin auffordernd an. "Nun mach schon.", miaute sie ungeduldig.

Shadow atmete einmal tief ein, dann sprang er erneut vor. Mit seiner rechten Pfote zielte er auf Kralles Ohr, doch ehe er zuschlagen konnte, drehte sie sich zur Seite und er fiel mit einem überraschten Maunzen zu Boden. "Zu langsam.", spottete Kralle. "So wird das nichts. Nochmal."

Shadows Gliedmaßen schmerzten, als er sich zum zweiten Mal der unheimlichen Kätzin gegenüberstellte. Erschöpft nickte er, um zu zeigen, dass er bereit war. So gut er konnte stieß er sich ab und holte aus. Kralle duckte sich platt an den Boden, wartete, bis Shadow mit einem dumpfen Aufprall zu Boden gefallen war, wirbelte herum und stützte sich mit beiden Vorderpfoten seitlich von ihm ab.

"Jetzt hör mir mal zu: Du wirst härter und besser trainieren müssen, wenn du dich wirklich wehren möchtest. Oder willst erneut Schuld daran haben, dass jemand stirbt?", fauchte sie ihn an.

Shadow zuckte unter diesen Worten zusammen. Erneut tauchten Bilder von Sasha in seinem Kopf auf, wie sie vor ihm liegt, tot, und seine Pfoten blutverschmiert. Überall folgten sie ihm hin.

Es ist meine Schuld., dachte er. Ich habe Mond aufgehalten. Hätte ich das nicht getan, hätte sie Sasha retten können. Ich habe sie umgebracht!

Kralle riss ihn aus seinen Gedanken, indem sie ihm einen Klaps verpasste. Ein kurzer Schmerz durchschoss Shadow und Blut rann aus seiner Stirn. "Du musst lernen, wie du dich gegen die anderen wehrst. Du siehst doch, was sie von dir denken. Es wird nicht lange dauern, bis sie dich jagen." Damit stieg Kralle von ihm herunter und tappte ein paar Schritte von ihm weg.

"Ich werde mir mehr Mühe geben.", versprach er.

Die hellgraue Kätzin wirkte nicht überzeugt, nickte aber zufrieden. "Na dann ist ja gut. Lass uns weiter trainieren."

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Jaulen. Erschrocken sprang Shadow auf die Beine und sah sich um. Das Jaulen verebbte, bis es nicht mehr zu hören war. "W...was war das?", fragte der Lehrling mit zittriger Stimme. Kralle zuckte mit den Schultern. "Das ist nicht von Bedeutung. Wahrscheinlich ist es nur eine Eule gewesen."

Eine Eule? Shadow versuchte seine Zweifel zu unterdrücken, vermutlich wäre es besser, wenn seine geheime Mentorin sie nicht bemerkte. Er folgte Kralles Blick in den finsteren Wald. Das dichte Geäst ächzte unter dem schneidenden Wind, der zwischen den Bäumen umherstrich. Während Shadow gedankenverloren durch die verzweigten Bäume starrte, tappte Kralle an den Rand der Lichtung.

"Du musst dich konzentrieren.", rief sie zu ihm herüber. "Das Leben da draußen ist kein Spiel. Oder warum dachtest du, sterben jedes Mal Katzen aufs Neue, obwohl sie gerade mal so alt sind wie du?"

Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie mit einem Seufzen fort: "Ich weiß, was du durchmachen musst. Mir ging es damals ähnlich. Aber deshalb habe ich noch lange nicht aufgegeben." Sie musterte Shadow kurz, der sie überrascht ansah. Er wollte sie fragen, wovon sie sprach, doch die hellgraue Kätzin kam ihm erneut zuvor. "Doch das liegt lange in der Vergangenheit. Lass uns weiter mit dem Training machen." Shadow blinzelte irritiert, gehorchte dann jedoch und lief in die Mitte der Lichtung, um sich erneut auf die hellgraue Kätzin zu stürzen. In seinem Kopf wuselten haufenweise Gedanken. Was hat Kralle damals erlebt? Ist sie der Grausamkeit zum Opfer gefallen? Und wird es mich auch noch treffen?

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Shadows Knochen schmerzten, als er sich zu Dunkelheit setzte, die gerade mit ihrer Pflege beschäftigt war. Der schwarze Kater hatte Mühe, seine Augen aufzuhalten, es fühlte sich an, als hätte er keine Sekunde geschlafen. Das Training endete nicht einmal in seinen Träumen, geschweige denn seine Verletzungen. Als er am Morgen aufgewacht war, war die Wunde an seiner Stirn getrocknet und eine Kruste hatte sich gebildet.

Am Anfang war Shadow noch überrascht gewesen, doch nach der dritten Nacht hatte er sich bereits daran gewöhnt. Auch seine Mutter fragte ihn nicht mehr, wo er sich denn dieses Mal herumgetrieben hatte.

Dunkelheit unterbrach ihre Wäsche und musterte Shadow. "Geht es dir gut? Du siehst müde aus. Vielleicht solltest du dich ausruhen."

Mit einem dumpfen Aufprall ließ der Lehrling sich neben ihr nieder. "Mir geht es gut, wirklich.", grummelte er. Sein Bick wanderte über die Lichtung und er entdeckte Mond, die mit gesenktem Kopf am Eingang des Lehrlingsbau saß. Seitdem Sasha gestorben war, hatte sie kein Wort mit ihm gewechselt. Jedes Mal, wenn er ein Gespräch anfangen wollte, ignorierte sie ihn oder fauchte ihm ins Gesicht. Die getüpfelte Kätzin gab Shadow nicht nur die Schuld an Sashas Tod, sondern beschuldigte ihn auch, dass er ihr ihr Glück nicht gönnte und es nicht ertrug, dass sie auch Freunde hatte.

"Du musst dich daran gewöhnen, dass sie noch eine Weile trauern wird.", unterbrach Dunkelheit Shadows Gedanken.

"Und was, wenn ich das nicht will?"

"Du kannst es nicht ändern.", erklärte die rotbraune Kätzin. "Sie hat jemanden verloren, der ihr sehr am Herzen lag. Gib ihr noch etwas Zeit."

Mühsam erhob Shadow sich. "Vielleicht sollte ich das." Damit tappte er über die Lichtung davon, den Blick erschöpft auf den Boden gerichtet.

Plötzlich tauchte Narbe vor ihm auf und er musste abrupt stoppen, um nicht in sie hinein zu laufen. "Alles in Ordnung?", hakte die hellgraue Kätzin nach. "Du siehst nicht gut aus."

Entnervt schüttelte Shadow den Kopf. "Nein, mir geht es gut."

Die Kämpferin wirkte verblüfft, fragte aber nicht nach und lief weiter. Nur nur ein paar Herzschläge danach kam Finsternis auf ihn zu. Besorgt leckte sie ihrem Sohn über die Ohren. Seit ihrer kränkenden Worte, die sie an Neumond zu ihm gesagt hatte, hatte sich ihr Verhältnis zwar gebessert, doch es würde nie wieder das selbe sein. "Shadow, was ist denn mit dir los? Du bist ja völlig fertig. Komm, ruh dich aus."

Wütend sah Shadow sie an. "Fuchsdung nochmal! Mir geht es gut! Warum fragen mich das alle? Könnt ihr mich nicht mal in Ruhe lassen?", blaffte er Finsternis an und wollte gerade davon stürmen, als Gewitter auf sie zu kam.

"So redest du nicht mit deiner Mutter.", tadelte er ihn mit vorwurfsvollem Unterton. "Nur weil du schlecht gelaunt bis, kannst du das nicht an ihr auslassen. Sei doch nicht immer so undankbar!"

Shadow brauchte ein paar Herzschläge, um das zu verdauen. Wie konnte sein Vater, der nie, wirklich nie für ihn da war, so mit ihm reden? Voller Zorn stieß er Gewitter beiseite und rannte aus dem Lager. Die frische Luft umhüllte ihn sofort und milderte etwas seinen plötzlichen Wutausbruch.

Doch er war immer noch sauer auf seinen Vater. So gut wie nie hatte er sich um Shadow gekümmert, warum sollte es ihn also interessieren, was er von ihm dachte? Die Pfoten des schwarzen Katers trugen ihn immer weiter in den Wald hinein, während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Warum muss alles so schrecklich kompliziert sein?

Zeit der Wahrheit (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt