Wind strich durch den Düsterwald und ließ die Bäume mit ihren spitzen Wipfeln hin und her schaukeln. Ein Rabe breitete seine Schwingen aus. Die schwarzen Federn leuchteten im Mondlicht silbern auf und erinnerten an das Spiegelbild der Sterne in einem klaren Fluss. Genau wie der, über den der Vogel hinwegflog. Die Wellen brachen sich sanft an den Felsen, die aus dem Wasser emporragten, und bedeckten es mit einer weißen Schicht.
Der Rabe flog weiter, bis er über einer kleinen Lichtung schwebte. Shadow betrachtete das schwarze Tier, das in seiner Familie als Bote des Schicksals bekannt war.
Wie passend..., dachte der Kater verdrossen und richtete seinen Blick wieder auf seine Pfoten. Seit drei Sonnenaufgängen war seine Mutter von ihm gegangen, doch es kam ihm vor, als wäre er gerade von ihrer letzten Ehre gekommen. Er erinnerte sich noch genau, wie Donner und Gewitter Finsternis in das Loch in der Erde getragen und schließlich begraben hatten.
Seufzend sah Shadow sich im Lager um. Keiner wagte es, sich ihm zu nähern. Nur ab und zu kamen Black und Dunkelheit vorbei und boten ihm etwas zu fressen an. "Du verhungerst noch.", hatte sein Freund ihm gesagt.
Aber Shadow war nicht nach fressen zumute. Es fühlte sich falsch an, unter den Lebenden zu weilen, während seine Mutter es nie wieder konnte.
Auf einmal tippte ihn jemand an der Schulter an und er sah überrascht auf. Dunkelheit lächelte ihm aufmunternd zu. "Düster hält gleich seine Ankündigung. Er sagt, dass du trotz...trotz der Umstände teilnehmen musst.", miaute sie sanft. "Hör zu, ich weiß, dass im Moment alles schwierig ist. Doch du musst nach vorne sehen! Das würde Finsternis wollen."
Shadow antwortete nicht. Erzähl du mir nicht, was sie gewollt hätte.
Mit einem aufmunternden Nicken drehte Dunkelheit sich um und tappte zu Schatten, die ihr eifrig über die Stirn leckte. Shadow knurrte in sich hinein. Wenn Finsternis nur hier wäre...
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"Seit ewigen Blattwechseln lebt der Stamm der Nacht jetzt schon in diesen Gebieten. Wir kämpften, wir töteten und wir gaben unsere Leben." Düster ließ seinen Blick über den Stamm der Nacht gleiten. Shadow schluckte, als er diese Worte hörte. Wie können wir das nur jeden Mond wiederholen? Wie lange wird es dauern, bis jemand wieder sein Leben für diesen Irrsinn lässt? Vielleicht hat das auch schon längst jemand, es wird nur nie wieder gesagt. Sterben nicht sowieso schon genug Katzen?
"Doch diese Nacht", fuhr Düster fort, "Werden wir kein Blut vergießen. Dieses Mal werden wir uns für unsere Sicherheit innerhalb des Territoriums einsetzen. Wir werden auf Eulenjagd gehen!"
Aufgeregtes Jubeln ertönte, doch Shadow sah den dunklen Kater zweifelnd an. Er hatte bereits von der Eulenjagd gehört, doch soweit er wusste, war die letzte schon ein paar Blattwechsel her. Dennoch konnte Düster es schönreden, wie er wollte. Es war nach wie vor eine Jagd, nur dieses Mal nicht nach Katzen. Zum Ende hin würde so oder so Blut an jeden Pfoten kleben.
Ein paar Schwanzlängen neben Shadow saß Mond. Ihr Verhältnis hatte sich auch nach Finsternis Tod nicht verbessert. Wieso denn auch? All die anderen liegen falsch, wenn sie sagen, dass uns der gemeinsame Tod einer geliebten Katze wieder zusammenbringen wird. Was für ein Fuchsdung! Sie tun so, als ob ihr Tod etwas Gutes war, aber das war es nicht. Nichts daran war gut und nichts wird je wieder gut sein!
Trotzdem riskierte der schwarze Kater einen kurzen Blick über die Schulter. Mond schien zu seiner Überraschung beruhigt darüber, dass sie auf Eulenjagd gehen würden. Könnte das mit ihren Gefühlen zusammenhängen? Macht sie sich um jemanden Sorgen? Shadow hatte sich daran gewöhnt, dass seine Schwester nichts mehr mit ihm teilte, doch was sie fühlte, konnte sie nicht vor ihm verbergen - ob er es wollte oder nicht.
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Zeit der Wahrheit (Abgeschlossen)
Fanfiction"Es ist deine Bestimmung, Shadow! Je eher du das akzeptierst, desto schneller kannst du ihr Leben retten!" Sobald die Sonne untergeht, erwachen die Katzen der Nacht. Unter ihnen der junge Kater Shadow. Seine einzige Aufgabe ist es zu töten. Denn un...