Primrue Mellark 3 | Kapitel 7

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Von der ersten Sekunde war mir klar, dass ich träumte.
Das Gras unter meinen Füßen fühlte sich zu schmerzhaft an; es wirkte zu dunkelgrün.
Der Wind wehte eisig um mich herum und doch fror ich nicht wirklich.
Trotzdem half mir dieses Wissen nicht wirklich. Im Gegenteil. 
Ich hatte nie wirklich Angst vor der Dunkelheit gehabt, aber hier, in diesen Traum, war sie erdrückend. 
Unrealistisch, wie es war, konnte ich nur etwas in dem Umkreis von einem Meter sehen und nicht mehr. Machte ich jedoch einen Schritt nach vorne, verschwand ein Stück der Dunkelheit hinter mir, um ihn vor mir Platz zu machen. 
Unsicher stand ich da. Ein Teil von mir wusste, dass es besser wäre einfach hier stehen zu bleiben aber ein anderer wollte unbedingt weiter gehen. Natürlich war dieser Teil stärker, wie immer in solchen Träumen und ich musste ihn wohl oder übel nachgeben. 
Ich spürte, wie mein Herz gegen meinen Brustkorb schlug und immer schneller wurde, als ich weiter ging. 
Irgendetwas würde in diesen Wald, ohne Geräusche, noch passieren.
Eine Ewigkeit lief ich orientierungslos durch die Gegend und hoffte schon, dass ich einfach aufwachen würde. 
Jedoch passierte etwas anderes. 
Die Bäume, die rechts und links zum kleinen Teil erkennbar waren, verschwanden und machten einer offenen Lichtung platz. 
Erst in der nächsten Sekunde merkte ich, wie ich langsam aber sicher mehr sehen konnte. 
Ich atmete tief ein und aus. Versuchte mich zu beruhigen. 
Meine Alpträume hatte ich mittlerweile lange genug, um zu wissen, was nun kommen konnte. 
Trotzdem war der Anblick, des kleinen Leichnams kaum zu ertragen. 
Keuchend atmete ich ein und ging neben Haymitch in die Knie. 
Er trug die gleiche Kleidung wie damals in der Arena; hatte die gleichen Wunden, die sein leben geraubt hatten. 
Trotzdem konnte ich nur apathisch durch seine blonden Locken streichen. Immer und immer wieder, während die Tränen still über meine Wangen liefen. 
Der Traum und damit die Qual war damit aber noch immer nicht vorbei. 
Als noch mehr von der Gegend heller wurde, presste ich für eine Sekunde die Augen zu und hoffte durch reine Willenskraft aufzuwachen. 
Jedoch half es nichts, weswegen ich sie wieder öffnete, nur um nun auch Dillian am Boden liegen zu sehen.
Mit starren, offenen Augen blickte er genau auf mich und brannte sich regelrecht erneut in mein Gehirn.
Dieses mal dauerte es nicht so lange, und die nächste Gestalt tauchte auf. 
Karlic. 
Bleich und genau so tot wie die anderen lag er da; auch wenn das Blut noch aus seiner tödlichen Wunde floss, als wäre er gerade erst gestorben.
Schluchzend blickte ich zu Boden, als es weiter ging, auch wenn die nächste Gestalt stand. 
Kalt lächelnd schaute Nio auf mich herab und schien mich nur durch seiner Lebendigkeit zu verhöhnen. 
Immer mehr Leichname tauchten nun auf und ließen mein Blut in den Adern gefrieren. 
Mom, Dad, Cato, Nex, Byony, Finn, Shade. Alle. 
Ich presste meine Lider zusammen, um es nicht mehr sehen zu müssen, aber es schien, als hätten sich die Bilder bereits in meinen Kopf eingebrannt. 
Ich hörte mich selber darum flehen, dass er aufhören sollte, doch Nio lachte mich nur aus. 
Immer wieder bat und wimmerte ich, auch wenn er mich zumindest nicht mehr auslachte. 
Gefühlte Stunden hockte ich in den schmerzhaften Gras und weinte. 
Bis sich Finger sanft um meine legten. 
„Wach auf Primrue.“
Catos Stimme. 
Wie oft war es sie, die mich in die Realität zurück führte und von dem Traum befreite.
Ich öffnete die Augen und war wieder in den grauen Raum, in dem er mich zurück gelassen hatte; nur das mittlerweile das Licht wieder heller brannte. 
Erleichtert schaute ich an die Decke und spürte wie die Tränen aus dem Traum, auch in der Realität über meine Wangen liefen. 
„Alles okay?“, fragte Cato und ich schaute erstmals zu ihm. 
Er saß neben dem Bett und musterte mich besorgt. Ich hasste diesen Ausdruck in seinen Augen. Immer war er derjenige von uns beiden, der sich Sorgen machen musste. 
„Ich bin okay.“, behauptete ich deshalb, auch wenn die Tränen noch nicht versiegen wollten, „Nur ein Alptraum.“
„Es ist nie bloß ein Alptraum; das wissen wir beide.“, erinnerte er mich, „Willst du darüber reden?“
Über die Toten, an denen ich Schuld war? Über die, an denen ich vielleicht noch Schuld sein würde?
Schnell schüttelte ich den Kopf, weil ich mich daran nicht erinnern wollte. 
„Okay.“, meinte Cato verständlich und stand wieder auf, „Ich geh nur schnell duschen. Kommst du klar?“
„Sicher.“, log ich wieder, auch wenn ich nicht sicher war, was passieren würde, wenn er mal aus dem Raum war. 
Mein Blick folgte ihm, bis ich Cato nicht mehr sehen konnte, doch ich stellte erfreut fest, dass er die Tür einen Spalt auf ließ. Es war nicht einfach da, so wie er verschwunden war, es mir vorkam, als würde es ein wenig dunkler im Zimmer werden, aber auf dem Lichtstrahl aus dem Bad konzentriert konnte ich es aushalten. 
Trotzdem war ich mehr als froh, als er wieder kam, weswegen ich ihn ein Lächeln schenkte. 
„Wie lange warst du überhaupt weg?“, fragte ich um etwas gegen die Stille zu tun. 
„Drei Stunden. Hatte länger gedauert als gedacht.“, schien er sich fast zu entschuldigen, weswegen wieder Schweigen zwischen uns ausbrach. 
Es war nicht wirklich unangenehm aber es fühlte sich auch nicht wirklich richtig an.
„Soll ich das Licht anlassen?“, riss Cato mich aus meinen Gedanken. 
Ich schaute wieder zu ihm auf und sah, dass er schon auf halben Weg zum Sofa war. 
„Gedimmt reicht.“, meinte ich, ehe ich auf meine Hände, die sich in der Decke eingekrallt hatten, starrte.
Ich wusste nicht mehr, um was ich ihn beten konnte. Was stand mir noch zu?
Trotzdem nahm ich meinen Mut zusammen und sprach meinen Wunsch aus. 
„Ich...also kannst du... willst du vielleicht auch im Bett schlafen?“, stammelte ich ungeschickt und fügte schnell hinzu, „Es ist genug Platz.“ 
„Willst du das denn?“, fragte nun Cato und ich spürte seinen Blick regelrecht auf mir, wodurch ich wieder aufblickte. 
Einen Moment starrten wir uns einfach nur gegenseitig an, ehe ich nickte. 
„Davon hab ich in meiner Zelle immer geträumt. Einfach wieder neben dir liegen zu dürfen.“, gestand ich und spürte die Röte mir ins Gesicht schießen. 
Cato schien es aber nicht zu stören. Sanft lächelnd kam er zu mir und legte sich vorsichtig, darauf bedacht nicht doch irgendwie an die Verletzung zu kommen, neben mich. 
So gut wie ich konnte, kuschelte ich mich an ihn und für einen Moment bildete ich mir ein, dass auch Cato sich neben mir entspannte.
„Schlaf gut.“, murmelte ich leise. 
Sanft drückte er mir einen Kuss auf den Scheitel, ehe er mir ebenfalls eine gute Nacht wünschte. 
Zum ersten mal seit langen, hatte ich wieder keine Angst vor dem einschlafen.

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Primrue Mellark 3 | Ungewolltes VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt