Seit gefühlte Tagen lief ich vor der Tür auf und ab.
Auch wenn es erst Stunden her war, als wir Shade wieder zurück unter die Erde gebracht hatten, schienen Jahre dazwischen zu liegen, seit er angeschossen wurde.
Wie auch ich damals, war er sofort in den OP-Saal gekommen und operiert wurden.
Mittlerweile war die OP vorbei; laut den Ärzten war alles gut verlaufen, aber noch war er nicht aufgewacht.
Bryony durfte als einzige bei ihm im Zimmer warten, doch auch ich wollte den Mann, der immer ein Auge auf mich hatte, sehen, ehe ich wirklich ruhig sein konnte. Gleichzeitig hatte ich so eine Ausrede, warum ich nicht zu Cato ging. Sein Blick hing mir immer noch nach und ich wusste nicht wirklich, was ich davon halten sollte. Ich hatte nur reagiert, so wie früher auch immer. Was war also auf einmal sein Problem?
Als die Tür hinter mir aufging, zuckte ich wie immer zusammen, wirbelte aber auch gleich herum.
Bryony stand mir gegenüber. Sie wirkte müde, lächelte aber leicht.
„Wartest du hier schon die ganze Zeit?", fragte sie verwirrt, und ich nickte schnell, „Dann geh zu ihm. Er ist wach und eigentlich schon wieder viel zu fit, für so eine Wunde."
Kurz drückte sie meine gesunde Schulter, ehe sie an mir vorbei ging und erklärte, dass sie nach Navet sehen wollte.
Einen kurzen Moment warte ich noch, ehe ich langsam in das Krankenzimmer ging.
Überall waren, wie auch bei mir damals, Geräte, die alle möglichen Dinge anzeigten, von denen ich keine Ahnung hatte.
Shade lächelte mich sofort an, als er mich saß, wodurch ich mich ein bisschen besser fühlte.
„Wie geht es dir?", fragte ich trotzdem sofort.
„Wie als wenn mich jemand angeschossen hätte.", kontere er frech, weswegen ich mit machte.
„Ja, kenn ich. Echt dummes Gefühl."
„Kannst ja nicht den ganzen Ruhm für dich alleine haben.", grinste Shade breit.
„Du hast uns einen ziemlichen Schrecken eingejagt.", meinte ich auf einmal, und vertrieb dadurch auch das Lächeln aus seinem Gesicht.
So gut ich auch kampftechnisch funktioniert hätte, war die Sorge um den Mann aus Distrikt Zwei riesig gewesen. Alles hatte mich wieder an die Arenen erinnert; an die Gefangenschaft. Dazu war Shade mir wichtig geworden; besonders da er mich nicht so ansah, wie die Anderen. Er schien nicht darauf zu warten, wann ich austickte; sondern nahm mich so wie ich war.
„Glaub mir, ich war auch nicht so begeistert.", gestand er ruhig, „Hatte noch nicht vor zu sterben, besonders nicht so."
Nicht durch einen Hinterhalt. Das passte nicht zu ihm, dass wusste ich. Wenn er im Kampf starb, dann weil er jemanden beschützt hatte.
„So leicht lässt du dich aber nicht unterkriegen.", lenkte ich ihn deshalb ab.
„Nein, so schnell wirst du mich nicht los, Kleine."
Den Kosenamen meiner Eltern und meines Großvaters aus seinem Mund ließ mich schmunzeln.
„Aber ich hab gehört, du hast die beiden Gegner alleine fertig gemacht?", wollte er nun wissen.
Kurz zuckte ich die Schultern.
„Es war ein Reflex.", spielte ich es herunter, doch Shade ging darauf nicht ein.
„Das war mutig.", meinte er, „Niemand springt einfach so einen Mann entgegen, der ein Gewehr in der Hand hat."
„Ich anscheinend schon."
„Manche würden es ja todesmutig nennen.", behauptete der Mann aus Distrikt Zwei, weswegen ich ihn wieder musterte.
Immer noch war keine Verurteilung in seinen Augen zu sehen.
„Wie würdest du es nennen?", fragte ich deshalb.
Kurz schien er zu überlegen und mich ebenfalls zu mustern.
„Ich denke, dass Mut keine Schwäche ist; sonder von Menschen besessen wird, die etwas zu beschützen haben und dafür auch alles opfern würden."
Dankbar sah ich ihn an und lächelte auch kurz. Shade schien zu verstehen, warum ich dies alles tat. Es gab so viele, die einfach verdient hatten, nicht mehr verletzt zu werden. Meine Eltern, Annie, Haymitch, ja sogar Gale. Sie alle hatten bereits so viel verloren. Es wurde Zeit, dass es aufhörte und das sie es nicht wieder selber machen mussten. Sie alle waren nicht mehr die Jüngsten; besonders Haymitch. Auch wenn er noch schimpfen konnte, wie früher, wollten seine Knochen und Gelenke doch schon lange nicht mehr so, wie er wollte.
„Wie lange fällst du aus?", versuchte ich das Thema zu wechseln.
Shade nahm es an. Vorsichtig setzte er sich auf und ließ die Beine über die Liege hängen, ehe er neben sich klopfte. Ich nahm die Einladung an, besonders da meine Füße mich bald umbrachten.
„Richtig ausfallen nur ein paar Tage. Danach können wir wieder trainieren.", meinte er nach einer Weile.
„Das klingt gut, aber bist du sicher, dass du dich nicht länger schonen musst?"
„Ist doch nur ne Fleischwunde.", behauptete er, worauf wir uns anblickten und beide zu lachen anfingen.
„Die erst haben da aber was anderes gesagt."
Die mir noch fremde Stimme, ließ mich zusammen zucken und zur Tür schauen.
Padax hatte sich gemütlich gegen die Leiste der Tür gelehnt und schaute uns beide an.
„Und was willst du hier?", fragte Shade den Mann, grinste dabei aber.
„Ich glaube, Bryony sagte irgendetwas von, dass ich dich im Notfall ans Bett fesseln sollte, wenn du nicht freiwillig liegen bleiben würdest.", gab Padax grinsend zurück, ehe er näher kam und mir die Hand reichte.
„Wir hatten noch nicht persönlich das Vergnügen.", stellte er sich charmant vor, „Hab von deiner Aktion heute gehört. Hätte glatt ich sein können."
„Weiß den schon jeder davon?", seufzte ich auf.
Für mich war es nichts großes gewesen. Es war wirklich nur eine Art Reflex. Ein kurzes Aufblinken des Kampfeswillen, den ich einmal besessen hatte.
„Hey hier unten ist nicht viel los. Manchmal kommen nur schlechte Nachrichten. Da muss man so etwas feiern.", verteidigte sich Padax.
„Und du kannst jetzt gehen und Bryony sagen, dass ich keinen Babysitter brauch.", beschwerte sich Shade, was den Mann aus dem Kapitol nur dazu veranlasste ihn einen Kuss zu zuwerfen.
„Ich hab auch besseres vor, aber ich leg mich nicht mit ihr an. Einmal in ihrem Klammergriff reicht mir."
Verwirrt schaute ich zwischen Shade und Padax hin und her, die sich ein kleines Augenduell lieferten.
Nach einer Weile gab jedoch sogar Shade nach und legte sich wieder hin.
„So ist brav und jetzt wird geschlafen. Mit Frauen kannst du wieder morgen flirten.", warf Padax in den Raum und bat mich damit indirekt zu gehen.
Ich verdrehte kurz die Augen in Richtung von Shade, sodass es der andere Mann nicht sehen konnte, und äffte kurz Nios Freund nach, ehe ich das Zimmer verließ.
Hinter mir war das Lachen von dem Mann aus Distrikt Zwei und Padax, der fragte, was los sei, zu hören.
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Primrue Mellark 3 | Ungewolltes Vermächtnis
FanficTeil 3 der Geschichte um Primrue Mellark [Teil 1: http://www.wattpad.com/story/14799951-primrue-mellark-ungewolltes-erbe // Teil 2: http://www.wattpad.com/myworks/19788964-primrue-mellark-2-ungewolltes-schicksal] Ich weiß nicht, wie lange ich in de...