Primrue Mellark 3 | Kapitel 21

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Die Stunden verschwammen zu Tagen; die Tage zu Wochen. Schon lange wusste ich nicht mehr wirklich welches Datum wir hatten oder wo wir waren. Ein Einsatz reite sich an den nächsten, während ich kaum noch schlief, was jedoch eher an mir selber lag.

Meine wenige freie Zeit verbrachte ich bei Nex, auch wenn wir meistens nur schweigend beieinander saßen. An dem Tag, an dem wir das komplette Team verloren hatten, saßen wir zum ersten mal einfach nur beieinander, während Nex mich fest an sich drückte. Irgendwie waren wir auf seinen Sofa eingeschlafen und später mit schmerzenden Gliedern aufgewacht, was uns beide kurz Lachen ließ. Zumindest, bist uns wieder klar war, wo wir waren und was alles schon passiert war. Trotzdem hatte es gut getan; war so etwas wie eine kleine Heilung, die nicht wirklich etwas brachte, aber für wenige Sekunden halfen, sich besser zu fühlen.

Seit damals hatte Nio jedoch auch noch mehr daran gesetzt uns zu besiegen. Überall spitzten die Kämpfe sich weiter zu.

Während ich die letzte Zeit jedoch irgendwie überstanden hatte, wusste ich mittlerweile nicht einmal mehr, wie ich die Augen aufrecht halten sollte, weswegen ich eine weitere Tablette einwarf, um weiter zu funktionieren. Genauso wie ich mir eine weitere Hand voller kalten Wasser ins Gesicht schüttete, als ich hörte, wie die Wohnungstür aufging.

Shade war wohl zurück und ein wenig Anspannung viel von meinen Schultern. Wir sahen uns kaum, doch tat es immer wieder gut mitzubekommen, dass es ihm gut ging und er noch lebte, auch wenn niemand sagen konnte, wie lange dies so blieb. Schließlich hatte ich Live mit ansehen können, wie schnell es vorbei sein konnte.

Deswegen verließ ich auch das Badezimmer, um kurz mit ihm zu reden, jedoch reichte mir schon der Anblick seiner angespannten Schultern, damit ich wusste, dass etwas nicht stimmte.

Er ließ sich gerade seufzend auf das Sofa fallen, als er mich bemerkte.

„Was ist passiert?", wollte ich sofort wissen, während ich kurz auf die kleine Platzwunde auf seiner Stirn schaute.

Ich war selber erstaunt wie neutral meine Stimme dabei klang, aber ich war mir sicher, dass ich nicht wirklich lockerer wirkte, als Shade selber.

Einen Moment schien er sogar zu überleben, ob er es mir sagen wollte, als er endlich raus rückte.

„Wir hatten ein paar Probleme."

„Und?", hakte ich nach, da er nicht schnell genug war.

„Cato ist noch auf der Krankenstation.-"

Shade sagte noch irgendetwas aber ich war bereits aus den Zimmer gerannt, Richtung Krankenstation.

Ich rannte fast eine Helferin um, als ich herein stürmte und mich dementsprechend alle anstarrten.

Cato war einer von ihnen.

Er hockte auf einer der Liegen; einen Verband um seinen Unterarm.

„Alles okay?", fragte ich sofort außer Atem und ging auf ihn zu.

„Nur ein Kratzer.", brummte er.

„Ein Kratzer der genäht werden musste und ruhig gehalten werden will.", meinte daraufhin der Arzt und schüttelte den Kopf.

„Was ist passiert?", konzentrierte ich mich wieder auf Cato, der nur mit den Schultern zuckte.

„Etwas ging zu früh los, weswegen ich Shade weg ziehen wollte und dabei mein Arm in Mitleidenschaft gezogen wurde."

„Das nächste mal können sie auch einfach hier her kommen. Wir trennen den Arm sauberer und hygienischer ab, wenn das ihr Wunsch ist.", behauptete der Arzt, um dann aus dem Zimmer zu gehen ohne auf den wütenden Blick von Cato zu achten.

„Warum hast du das gemacht?", wollte ich wissen, als auch die Anderen, mir fremden, Leute verschwunden waren.

Cato schnappte sich jedoch nur sein Shirt und zog es sich über, während er gleichzeitig von der Liege aufstand.

„Cato...", bat ich ihn und er seufzte.

„Shade war in Schwierigkeiten und ich hab ihn geholfen. Deswegen hab ich es gemacht."

„Um dich dabei schlimmer zu verletzen als er?", versuchte ich ihn zu verstehen, was ihn jedoch nur wütender zu machen schien.

„Daran hab ich in der Situation sicher nicht gedacht.", presste er hervor.

„Du solltest mehr auf dich aufpassen."

„Ach ja?", kurz lachte er bitter auf, „Schon mal in den Spiegel geschaut Primrue? Wann hast du das letzte mal wirklich geschlafen oder schluckst du einfach nur noch mehr von diesen Pillen? Wie viele Tabletten nimmst du mittlerweile, um noch zu funktionieren?"

Betroffen blickte ich zu Boden, da ich nicht wirklich auf diese Frage antworten sollte. Besonders, da es gerade nicht um mich ging, sondern um ihn, weswegen ich einfach etwas anderes vorbrachte.

„Als Shade rein kam und sagte, dass du verletzt wärst, dann...", suchte ich nach Worten, „Ich hab mir Sorgen gemacht und war da sicher nicht die Einzige."

„Dann weißt du ja wie ich mich immer gefühlt hab, wenn ich wieder sehen musste wie du dich verletzt, ohne an mich oder deine Eltern zu denken!"

Erstarrt blickten wir uns nur an, während die Welt kurz still stand und ich versuchte, die Worte zu verkraften.

Auch Cato schien, als hätte er es nicht wirklich laut aussprechen wollten, aber wir wussten doch Beide, dass er Recht hatte.

Mit Beiden.

Trotzdem traf es mich aus seinen Mund immer noch mehr, als aus jeden anderen.

Ich wollte etwas erwidern, wusste aber nicht was, weswegen ich nur den Mund öffnete, um ihn danach wieder zu schließen.

Cato seufzte nur, ehe er kurz den Kopf schüttelte.

„Vergiss es einfach."

Das war alles was er sagte, ehe auch er aus den Raum ging und mich einfach stehen ließ.

Alles was ich jedoch wusste war, dass er Recht hatte und ich es verdiente.

Schließlich hatte ich alles kaputt gemacht. So wie ich war, konnte kein Mensch existieren. Ich war nur ein Schatten meiner selbst. Nur ein Geist blickte mir im Spiegel entgegen. Ein Wesen, welches ich nicht kannte; jedoch kannte ich mich doch nicht einmal mehr selber. Wer ich war; was ich wollte.

Eigentlich wollte ich nur vergessen. Vergessen, was war und was noch vor mir stand.

Nur für ein paar Stunden, bei jemanden sein der mich nicht verurteilte und mich so nahm, wie ich nun war.

Und da gab es zur Zeit nur Einen.

Nex.


Primrue Mellark 3 | Ungewolltes VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt