Primrue Mellark 3 | Kapitel 25

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Schlagen. Schlagen. Treten.
Schlagen. Schlagen. Treten.
Hochkonzentriert ging ich immer wieder genau diese Abfolge durch, während das Bedürfnis, Tabletten zu nehmen, an mir nagte. Den kalten Entzug hatte ich mittlerweile gut überstanden, aber noch waren die Schmerztabletten ein großer Teil meines Denkens. Ein Teil von mir würde immer gegen den Drang, etwas nehmen zu wollen, ankämpfen müssen, aber damit musste ich klar kommen.
Cato dabei an meiner Seite zu wissen, half jedoch ungemein. Auch jetzt war er es wieder, der meinen Schlag abfing und mich deswegen zum halten anregte. Schwer atmend schaute ich in seine grauen Augen auf, die mich verstehend musterten.
„Denkst du nicht, es ist genug für heute?"
„Ich muss wieder fit werden. Ohne den Tabletten!", erinnerte ich ihn und ließ meinen Arm herunter.
Cato ließ es zu, behielt mein Handgelenk jedoch umfangen, wodurch er hinter her ging und knapp vor mir stehen blieb. Ich versuchte mich auf seine Augen zu konzentrieren. Gleichzeitig strich er mit seinen Daumen sanft über meine Haut, was mich mehr als ablenkte.
„Langsam.", erinnerte er mich, „Du weißt was wir ausgemacht haben. Schritt für Schritt."
„Du hast ja Recht.", seufzte ich, „Tut mir Leid."
Lächelnd zog er mich an sich und ich ließ mich seufzend an seine Brust fallen.
„Ich weiß das still halten nichts für dich ist aber du machst das super.", lobte er mich und es tat unglaublich gut.
„Dann braucht ihr mich wohl nicht mehr.", machte sich Shade bemerkbar.
Er hatte mein Training sofort wieder übernommen, so wie ich ihn gefragt hatte. Ich konnte sehen, dass er sich Vorwürfe machte, wie meine Eltern. Es hatte ein wenig gedauert, bis ich ihm klar machen konnte, dass mein Zustand sicher nicht sein Fehler gewesen war, sondern dass ich dankbar war, dass er immer da war und mir auch jetzt wieder half.
„Ja, ich denke wir machen Schluss für heute. Cato hat Recht. Es reicht.", antwortete ich deswegen lächelnd in seine Richtung, was ihn grinsend necken ließ.
„Morgen gleiche Zeit?", wollte er noch wissen und ich nickte zustimmen, woraufhin er den Trainingsraum verließ.
Niemand war heute hier, doch auch wenn andere den Raum mit nutzten, war es nicht mehr so schlimm wie am Anfang. Zumindest wenn Cato bei mir war.
„Nun da wir alleine sind...", begann er und grinste mich an, was mich ebenfalls lächeln ließ. Froher noch, als über meine eigenen Fortschritte, waren die von Cato. Er war immer noch verbissener, als früher. Besonders wenn ich nachts von Alpträumen gequält aufwachte und in seinen Armen weinte, konnte ich sehen, wie sehr es ihn schmerzte, mich so zu sehen. Früher hatte ich in seiner Nähe nie Alpträume gehabt aber zu wissen, dass er da wäre, wenn ich aufwachte, half mir mehr, als ich sagen konnte.
„Ja?", spielte ich deswegen mit. Vorsichtig lehnte ich mich gegen seine Brust und streckte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen.
Immer noch lächelnd senkte er den Kopf, bis sich unsere Lippen federleicht berührten, um sich gleich wieder weg zu ziehen und mich schmollend zurück zu lassen.
„War das alles?", beschwerte ich mich wie ein kleines Kind, was ihm zum lachen brachte.
„Seit wann so geizig?"
„Seit ich weiß, dass jeder der Letzte sein kann.", gab ich ernst zurück und auch sein Lächeln verschwand.
Wir waren beide seit meinem Entzug nicht mehr oben gewesen, aber wir wussten, dass wir früher oder später wieder mussten. Die Kämpfe wurden erbitterter und beide Seiten hatten Verluste. Es konnte jeden von uns treffen.
Einen Moment starrte mich Cato nur an, als wenn er sich jeden Millimeter meines Gesichtes einprägen wollte. Doch dann kam er endlich wieder langsam auf mich zu und ich seufzte erfreut, als er mich wieder küsste. Dieses mal schlang ich jedoch meine Arme um seinen Hals, damit er nicht wieder verschwinden konnte, was auch seine Hand an meine Wange wandern ließ, als er den Kuss vertiefte.
Ich spürte regelrecht, wie ich dahinschmolz. Wenn meine Mutter früher so etwas behauptete hatte, konnte ich immer nur den Kopf darüber schütteln. Doch jetzt verstand ich es, was sie meinte. Es war, als würde mein Körper weich und anschmiegsam werden, um zu den von Cato zu passen.
Alles um uns war egal, wenn wir uns küssten, weswegen auch jetzt uns ein Räuspern, aus unserer eigenen kleinen Welt holte.
Jedoch kannte ich die Person mittlerweile gut genug, dass ich sie sogar an ihren räuspern erkannte und schuldig erstarrte.
„Ich wollte euch nicht stören.", versuchte Nex neutral heraus zu pressen, doch ich konnte den Schmerz regelrecht daraus hören.
Zu wissen, dass ich daran Schuld war, machte die Sache nur um so schlimmer.
„Wir wollten sowieso gerade gehen.", gab Cato ruhig zurück und rückte ein wenig von mir ab.
Er zog mich nicht an sich oder versuchte Nex irgendwie anders klar zu machen, dass ich zu ihm gehörte und dafür war ich ihn dankbar. Es zeigte mir, dass er mir vertraute. Kurz schaute er mich an und schien zu wissen, dass ich auch noch mit Nex reden musste, weswegen er mir unauffällig zu nickte.
„Ich warte draußen.", meinte Cato leise und lächelte mir aufmunternd zu, ehe er ohne ein weiteres Wort an Nex vorbei ging und die Trainingshalle verließ.
Er ließ uns schweigend zurück und so unangenehm auch die Situation war, ich konnte immer noch nicht behaupten, dass es sich falsch mit ihm anfühlte.
„Es tut mir Leid."; brachte ich nach einer Weile heraus, auch wenn sich die Worte falsch anfühlten. Nichts war gut genug, um seinen Schmerz etwas zu Lindern.
„Schon gut. Du hast dich eben entschieden.", antwortete er Schulterzuckend, „Er war es immer. Irgendwo innen drin hab ich es gewusst, aber ein Teil hat eben gehofft."
„Aber ich war nicht fair dir gegenüber.", platzte es aus mir heraus, „Ich hab dich ausgenutzt, ohne es zu wollen Nex! Ich hasse mich dafür, wirklich! Du verdienst so etwas nicht und ich weiß einfach nicht..."
„Hey", unterbrach er mich sanft und zog mich im nächsten Moment auch schon an sich. Erst da merkte ich die Tränen, die über meine Wangen liefen.
„Ich liebe dich Nex.", flüsterte ich, „Es ist nur..."
„Ohne ihn kannst du nicht Leben.", beendete er meinen Satz und hielt mich weiter leicht in seinen Armen. Erleichtert stellte ich fest, dass es schwer werden würde aber ich Nex dadurch nicht verloren hatte.
In seinen Worten war keine Wut und nicht einmal wirklich Schmerz. Es zeigte einfach wieder, wie ähnlich Nex und ich uns waren; vielleicht zu ähnlich.
Denn er verstand mich.

Primrue Mellark 3 | Ungewolltes VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt