Ich blieb länger unter der Dusche als nötig, aber das Wasser auf meinen Körper beruhigte mich wieder ein wenig. In der Damenumkleide war außer mir niemand, weswegen ich mich auf den gekachelten Boden setzten und einfach nur in die Leere starren konnte, während das Wasser auf mich niederprasselte. Am Anfang hatte ich es noch auf eine eher kalte Temperatur eingeschaltet, aber mittlerweile war es so heiß, dass die ganze Umkleide von dicken Dampfwolken eingenebelt war. Shade hatte mich einfach hier herein geschoben und meine Tasche abgestellt, ehe er in die Männerumkleide verschwunden war. Ob er draußen wartete oder nicht, wusste ich nicht. Gerade war es mir auch egal.
Für einen kurzen Moment hatte ich mich wohl gefühlt, dabei aber meine Deckung vergessen. Nur deswegen konnten die Männer, die mich nicht wirklich beachtet hatten, mich so aus der Ruhe bringen. Ich hasste dieses Gefühl der Schwäche. Früher, als noch alles in Ordnung war, waren es die Jungs, die Angst vor mir gehabt hatten. Damals verletzte es mich; machte mich traurig. Heute wollte ich nichts anderes, als diese Stärke zurück. Vielleicht war es einsam gewesen, wenn jeder unter meinen Blicken zusammen gezuckt war, aber immerhin war ich sicher. Ich musste um niemanden Angst haben; um niemanden Trauern. Musste nicht ständig überlegen, ob ich demjenigen vertrauen konnte oder lieber nicht. Würde er mir helfen oder mich am Ende verraten?
Trotzdem konnte ich mich auch nicht ewig in dieser Dusche verstecken. Es wurde wieder Zeit, die Maske aufzusetzen und so zu tun, als wäre alles in Ordnung oder zumindest auf dem Weg der Besserung.
Schnell und fast schon grob rubbelte ich mich ab und zog die Ersatzkleidung an, die ich mitgebracht hatte.
Meine noch nassen Haare band ich einfach zusammen, damit sie mir nicht im Weg waren, auch wenn mein Stylistenteam darüber wahrscheinlich den Kopf geschüttelt hätte. Zum ersten mal, in all der Zeit, fragte ich mich, wie es ihnen wohl ging. Waren sie auf unserer Seite? Auf Nios? Wollten sie da oben einfach nur überleben und versteckten sich im Kapitol? Waren sie schon tot?
Fragen über Fragen, die mir keiner beantworten konnte.
Ich zwang mich selber, nicht mehr darüber nachzudenken und ging wieder nach draußen.
Ohne zu schauen wer alles im Trainingsraum war, ging ich einfach raus. Was ich nicht sah, konnte mich schließlich nicht beunruhigen.
Dadurch rannte ich jedoch fast in den breiten Rücken von Shade, der tatsächlich auf mich gewartet hatte.
„Hat die dusche geholfen?“, wollte er wissen. Wieder war sein Blick neutral, was unglaublich half und mich zum nicken verführte, „Gut. Dann gehen wir mal los. Die Besprechung müsste gleich losgehen, wenn sich Nex und seine Leute nicht wieder in den Haaren haben.“
Dieses mal grinste er breit und nahm damit die schärfe aus den Worten, trotzdem wollte ich mehr darüber wissen, als wir neben einander hergingen.
„Es ist eigentlich immer ganz witzig den Dreien zu zusehen.“, begann Shade zu erzählen, „Eine Art Dreiecksbeziehung, die so schon seit über zehn Jahren besteht. Dervan ist jedoch der vorsichtigste von ihnen. Er will nicht, dass Nex sich immer kopfüber in irgendwelche Gefahren stürzt. Padax ist der Draufgänger. Wenn irgendwo eine heikle Mission ist, ist seine Hand immer als erstes oben. Er ist so etwas wie der beste Freund von Nex; fast wie ein Bruder. Nex vertraut nicht wirklich jemanden anderen, außer den beiden.“
„Dervan hat ihn großgezogen oder?“, versuchte ich noch mehr herauszubekommen. Wenn einer Informationen hatte, dann Shade.
Er nickte.
„Sein Vater war es damals, der Nex vor Nios Anschlag gerettet hatte und sich hier unten mit ihm und Dervan versteckt hatte. Er starb jedoch nicht lange danach. Keine Ahnung wie die beiden überlebt haben. Nex noch ein Kleinkind, dass gerade so laufen konnte und ein Teenager.“, kurz schüttelte der Mann aus Distrikt Zwei darüber den Kopf, „Irgendwie haben sie es aber geschafft und sogar immer mehr Rebellen zusammen getrieben. Das hier unten alles wieder aufgebaut.“
„Und woher kommt Padax?“, wollte ich nun wissen.
„Padax ist seine eigene Geschichte. Eigentlich hatte er ein super Leben. Sohn von reichen Eltern, aber er hat es gehasst. Aus Spaß hat er immer wieder geklaut, bis ihm bewusst wurde, dass er die Sachen auch einfach ärmeren Leuten geben konnte. So wurde Dervan auf den Jungen aufmerksam. Wie die meisten hier, ist Padax offiziell tot. Gestorben, als er mit 17 von einem Dach stürzte, dummerweise genau in den Fluss, der durch das Kapitol fließt. Seine Leiche wurde natürlich nie gefunden. Seitdem ist er ebenfalls hier unten.“
„Und wie geht es dir?“, wechselte ich abrupt das Thema und schien ihn damit, wie gewollt, zu überrumpeln.
Kurz verrutschte auch seine Maske und in seinen Augen lag so etwas wie Traurigkeit, ehe er sich wieder unter Kontrolle hatte.
„War schon besser. Aber hey, wer hätte auch gedacht, dass im Kapitol Navets Dad auf uns stößt und wir danach in einer mal wirklich kranken Arena eingesperrt werden?“
„Sind Bryony und Finn...?“
Ich getraute mich nicht einmal es selber auszusprechen aber eher weil es um Finn ging. Wir waren uns nicht mehr so nah wie früher. Er schien nicht mehr mein großer Bruder zu sein. Hatte ich überhaupt ein Anrecht in den Angelegenheit der Anderen herumzuschnüffeln. Andererseits wollte ich nicht nur immer über mich oder den Krieg da draußen reden.
„Keine Ahnung...“, seufze Shade, „Aber ich hab wohl kaum ein Recht mich einzumischen.“
„Willst du nicht um Bryony kämpfen?“
„Der Kampf war schon von Anfang an verloren.“, gestand er leise, „Bryony hat in mir nie das selbe gesehen, was ich in ihr sah. Im Inneren wusste ich, dass dieser Tag irgendwann kommen würde.“
Ich wusste nicht wirklich, was ich darauf sagen sollte. Für Navet schien er sein Vater zu sein, aber er war jung. Selber hatte ich immer nur meine Eltern vor Augen. Wenn ich mir bei einer Sache sicher war, dass sie sich liebten und ohne einander nicht mehr konnten.
Und selber?
Selber konnte ich ihn wohl kaum Ratschläge zu Liebesbeziehungen geben.
Also schwieg ich; was Shade nicht zu stören schien.
Ohne etwas zu sagen gingen wir weiter, bis wir endlich bei den Besprechungsräumen angekommen waren._____________________________________________________________________________
Was haltet ihr von dem Kapitel? Wie findet ihr Shade? Ich freu mich über Kommentare und Sterne *.*
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Primrue Mellark 3 | Ungewolltes Vermächtnis
FanfictionTeil 3 der Geschichte um Primrue Mellark [Teil 1: http://www.wattpad.com/story/14799951-primrue-mellark-ungewolltes-erbe // Teil 2: http://www.wattpad.com/myworks/19788964-primrue-mellark-2-ungewolltes-schicksal] Ich weiß nicht, wie lange ich in de...