Primrue Mellark 3 | Kapitel 40

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Zwei Jahre.
Es hatte ganze zwei Jahre gedauert, bis wieder so etwas wie Normalität in unser Leben getreten war.
Die Krieger um Nex hatten am Ende gesiegt und Tris hatte seinen restmäßigen Platz als Präsident wieder eingenommen. Nex, Dervan und Pax waren bei ihnen geblieben, um als eine Art Beraterstab und Aufpasser zu fungieren.
Bryony und Navet waren mit Finn nach Distrikt Vier gegangen.
Annie schien durch ihren Enkel regelrecht aufzublühen, wie wir alle erfreut feststellten. Der kleine Junge schien sie an Finnick zu erinnern und Navet war wissbegierig, wenn es um seinen Vater und Großvater ging.
Shade hingegen kam mit uns nach Distrikt Zwölf, da er, wie er selber meinte, nichts mehr in Distrikt Zwei verloren hatte. Zu viel war in den letzten Monaten passiert, als das er einfach dort hin zurück gehen konnte. Ich konnte damals nicht verbergen, dass ich froh darüber gewesen war, besonders da er sich Henna annahm, die dank Nio auch niemanden mehr hatte. So gerne ich mich selber um sie gekümmert hätte, so sehr hatte ich doch selber mit den Nachwirkungen der Vergangenheit zu kämpfen.
Immerhin hatte mein Vater nicht mehr vor zu verhungern oder sonst irgendwie zu sterben, auch wenn er niemals ganz derselbe wurde. Ohne Katniss war ein Teil von ihm gestorben und ich wusste, dass er nur noch hier war, weil ich ihn brauchte.
Jedoch hatte er ohne Katniss wieder stärkere Probleme, mit seiner eigenen Folter vor über dreißig Jahren.
Manchmal, wenn es ihm schlecht ging, erkannte er nicht einmal mich, weswegen ich bald nach unserer Rückkehr nach Distrikt Zwölf ganz zu Cato gezogen war, während Gale sich bei meinem Vater häuslich einrichtete, um auf ihn aufzupassen.
Cato.
Ohne ihn hätte ich sicher die letzten Jahre nicht überstanden, weswegen ich auch erneut nach meinen Finger griff, an dem der Ring hing, der mich zu seiner Frau machte.
Seit einem Jahr waren wir verheiratet und ich verstand immer noch nicht warum er nach all den Problemen bei mir geblieben war. Immer wieder wachte ich nachts schreiend auf und manchmal hatte ich ganze Tage, in denen ich einfach nicht richtig funktionieren konnte. Und doch war er immer da. Er lief davor nicht weg, sondern blieb an meiner Seite.
Deswegen war ich heute auch hier.
Seufzend schaute ich auf und blickte auf den Eingangsbogen des Friedhofes.
Ich war nicht hier gewesen, seit ich wieder zuhause war.
Doch jetzt trugen mich meine Beine zu dem Grab meines kleinen Bruders, neben dem nun auch meine Mutter beerdigt war.
Frische Blumen lagen auf den Grab, was mir zeigte, dass mein Vater immer noch täglich hier her kam.
Es gab Tage, an dem ich immer noch der Meinung war, dass ich hier hingehörte und nicht die Beiden aber ich konnte es nicht ändern. Alles was ich tun konnte, war weiterleben.
Die Zeit war reif, dass ich aufhörte mir die Vergangenheit vorzuhalten.
„Hey ihr zwei.", begann ich deswegen leise, „Ich weiß ich war noch nie hier aber ich weiß, dass ihr sowieso immer bei mir seid. Nicht wahr? Ihr würdet mich nie alleine lassen."
Vorsichtig kniete ich mich hin und begann mit dem zweiten Ring zu spielen, der über Catos Ehering am gleichen Finger war.
Es war Catos Idee gewesen, dass ich nach unserer Hochzeit auch weiterhin Dillians Ring tragen sollte, da er immer ein Teil von mir sein würde.
Ein Teil, den ich jetzt loslassen musste, um nach vorne zu schauen, weswegen ich den Ring vorsichtig entfernte.
„Ich möchte euch um einen Gefallen bitten.", flüsterte ich, als ich den Ring langsam in meiner Hand hin und her drehte und betrachtete, „Ihr werdet immer in mir weiterleben. Alle Drei. Deswegen müsst ihr Zwei jetzt auf ihn für mich aufpassen okay? Es wird Zeit, dass ich weiterlebe."
Vorsichtig und mit Bedacht legte ich den Ring auf den Grabstein meiner Mutter, während sich Tränen in meinen Augen bildeten.
Ich hasste Abschiede.
Als mich Hände von Hinten umarmten, zuckte ich nur kurz zusammen.
Sie waren so vertraut wie das Atmen, weswegen ich mich mit geschlossenen Augen gegen Cato lehnte.
„Du musst das hier nicht machen, dass weißt du.", flüsterte er in mein Ohr und küsste mich auf den Scheitel.
„Doch muss ich.", gab ich leise zurück, „Die Vergangenheit ist vorbei und jetzt zählt die Zukunft."
Seine Hände wanderten wie von selber auf meinen Bauch, wo er seine Finger auf der Wölbung Ruhen ließ.
„Meine Mom wäre sicher unglaublich stolze Großmutter gewesen, auch wenn sie es geleugnet hätte.", gestand ich und spürte ihren Verlust, selbst nach zwei Jahren, schwer auf mir lastend.
„Vor dreißig Jahren hat sie gekämpft, um euch eine bessere Zukunft zu geben und genau so hat sie sie nun erneut verteidigt.", erinnerte mich Cato, während er über meinen Bauch strich und beide Kinder auf die Stimme und Berührung ihres Vaters reagierten.
Ich zuckte zusammen, schmunzelte aber gleichzeitig.
„Sie ist unglaublich stolz auf dich.", sagte Cato, „Sie, Haymitch, Dillian und all die Anderen, die Gestorben sind. Wir werden sie nicht vergessen und dadurch Leben sie weiter."
Dankbar drehte ich mich in den Armen meines Mannes um und küsste ihn kurz, ehe ich mich an seine Schulter lehnte.
Die Sonne ging gerade unter und tauchte den Friedhof in ein wunderschönes Orange.
Die Lieblingsfarbe meines Vaters.
Ich war glücklich. Trotz allem was passiert war und was ich verloren hatte, war ich doch in diesen Moment glücklich und zufrieden.
Immer würde ich mit den Problemen, die die Spiele und Nio in mir hervorgerufen haben, leben müssen aber mit Cato an meiner Seite konnte ich es. Solange er da war, wenn ich aus Alpträumen hervorschreckte, konnte ich sie überstehen.
Wenn er da war, konnte ich Leben.
„Lass uns nach Hause gehen Primrue.", murmelte Cato ruhig und strich mir über den Rücken.
Noch einmal küsste ich ihn sanft, ehe ich mich an seine Seite kuschelte.
Die letzten Sonnenstrahlen schienen auf das Grab meiner Mutter und meines Bruders und zum erstenmal sah ich, wie friedlich es wirkte.
Zu Hause war nicht unbedingt ein genauer Ort, sondern es war da, wo die Menschen lebten, die einen verstanden. Die einen sahen, so wie man war und einen trotzdem liebten.
Ja, ich war endlich zu Hause.



ENDE Teil 3

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Ja, es gibt noch einen vierten Teil, der aber auch für sich alleine stehen könnte. Ich hoffe ihr freut euch darauf und lasst mir noch ein paar Kommentare und Sterne da. Sagt mir was ihr von dem Teil gehalten habt.

Primrue Mellark 3 | Ungewolltes VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt