Primrue Mellark 3 | Kapitel 17

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„Primrue?"

Die Stimme drang nur langsam an mich heran, weswegen ich erst verspätet darauf reagieren konnte. 

Durch meinen tränenverhangenen Blick sah ich nur verschwommen, doch erkannte in den besorgten Blick sofort Nex. 

Ausgerechnet er musste mich finden, was mich innerlich ärgerte. Er hatte genug andere Probleme. Ich wollte stark wirken und nicht an irgendeiner Wand sitzen und weinen. Ich nutze deswegen auch meine langen Haare, um mein Gesicht ein wenig zu verdecken. 

„Alles okay.", behauptete ich sofort, auch wenn es nicht wirklich überzeugend klang. Selbst in meinen Ohren klang es erbärmlich.

Nex strich mir jedoch nur kurz über den Kopf. Freundschaftlich, fast sanft, und doch tat die leichte Berührung unglaublich gut. Die Abweisung von Cato schmerzte einfach zu sehr. Ich wünschte mir in seinen Armen liegen zu können, aber das war nun nicht mehr möglich. Ich fühlte mich allein und die Nähe von Nex tat deswegen gut. 

... Ich war wirklich einfach nur erbärmlich.

„Komm, ich helf dir hoch. Der Boden ist wirklich nicht der richtige Ort für dich." 

Es war der perfekte Ort für mich, auch wenn ich dies nicht laut sagte. Jedoch gehörte ich doch eigentlich genau hier hin. Nicht einmal Cato, der immer an meiner Seite gestanden hatte, konnte mich noch ansehen.

„Ich sitz ganz gut.", brachte ich hervor, was Nex kurz seufzen ließ. 

Ein Teil von mir hoffte, dass er gehen würde, aber er setzte sich einfach neben mich. 

„Wie geht's deiner Schulter?", versuchte er es eindeutig mit einen anderen Thema, was sogar ein kurzes schmunzeln auf mein Gesicht zauberte, welches Nex, dank meiner langen Haare, jedoch nicht sehen konnte. 

„Der geht es gut."

„Auf jeden Fall besser als Padaxs Kopf.", stellte Nex fest und nun schaute ich ihn besorgt an. 

Ich hatte den anderen Mann gar nicht mehr gesehen, weswegen ich nun Angst hatte, dass ihn etwas passiert war. Doch Nex lächelte nur, wodurch ich verwirrt wurde. Anscheinend schien sich dies auf meinen Gesicht wieder zu spiegeln, da Nex weiter erklärte. „Er war wohl der Meinung, dass er durch ein Rohrsystem klettern musste und hat sich dabei wohl etwas mit seiner Größe verschätzt."

Ich konnte nicht verhindern, dass ich es bildlich vor mir sah und nun auch lachen musste. 

„Kam er selber heraus?", wollte ich deswegen wissen. 

„Nein. Flax hat ihn raus geholt. Sah sehr lustig aus, besonders da die beiden gleichmäßig fluchten.", grinste Nex, ehe sein Gesicht wieder etwas ernster wurde, „Und so sieht das schon wieder besser aus."

„Was?"

„Du. Immerhin lächelst du, auch wenn es nicht wirklich deine Augen erreicht. Aber besser als die Tränen."

Er hatte es wirklich geschafft mich abzulenken, was ich nicht für möglich gehalten hätte. Es schmerzte immer noch, aber immerhin war ich kein kleines Häufchen Elend mehr. 

„Danke.", brachte ich deswegen leise hervor und kuschelte mich an seine Schulter. 

Sofort legte sich sein Arm um mich und ich fühlte mich nicht mehr ganz so allein. 

„Willst du darüber reden?"

„Ich...", begann ich und überlegte, wie es wohl am Besten zu erklären war, „anscheinend haben einige erst erkannt, wie anders ich geworden bin." 

„Cato.", stellte Nex sofort fest und ich fand es wieder einmal beängstigend wie viel Wissen er einfach nur durch Beobachtungen hatte. 

„Ja Cato.", gestand ich seufzend, „Vielleicht... vielleicht ist einfach nur zu viel passiert. Vielleicht hatten wir uns einfach nur was vorgespielt." 

„Menschen verändern sich. Wenn sie gefoltert werden, aber auch wenn sie im Krieg sind.", meinte Nex und fixierte mich mit seinen Augen, „Gib ihn ein wenig Zeit."

„Ich glaub, die haben wir nicht.", seufzte ich, ehe ich mir die Reste der Tränen weg wischte, „Ich bräuchte eine neue Unterkunft."

„Willst du zu deinen Eltern?", wollte er wissen und sofort schüttelte ich den Kopf. 

„Nein! Sie machen sich genug sorgen. Sie dürfen davon nichts erfahren. Nicht so!"

„Okay.", gab Nex sofort nach, „Willst du alleine Leben oder zu jemanden dazu? Johanna wohnt alleine." 

„Shade.", platze es aus mir heraus, was Nex mich verwirrt anschauen ließ, weswegen ich schnell weiter führte, „Ich meine, nur wenn er alleine lebt und zustimmt. Er lebt doch alleine, oder?"

„Ja er lebt alleine.", grinste Nex kopfschüttelnd. „Sollen wir ihn gleich fragen gehen?"

„Wäre vielleicht nicht schlecht. Ich brauch dringend ein wenig Schlaf.", bat ich. 

Erneut nickte Nex, ehe er geschmeidig Aufstand und dann auch mir nach oben half. Schweigend gingen wir neben einander her, bis wir Shades Zimmer erreichten, der sogar öffnete, auch wenn er verschlafen wirkte. 

Sein Zimmer war identisch mit dem von Cato und er hatte auch kein Problem damit, einen Partner aufzunehmen. Zwar konnten wir um die Uhrzeit kein zweites Bett auftreiben aber das war egal. Ich musste schließlich auch noch all meine Sachen aus Catos Wohnung schaffen, aber dafür wartete ich lieber, bis er nicht da war. Viel hatte ich nicht.

Aber immerhin hatte ich einen Platz zum schlafen, auch wenn es im ersten Moment etwas komisch war, als Nex gegangen war. 

Shade rieb sich müde über das Gesicht. Er wirkte wirklich erschöpft, weswegen ich mich noch schlechter fühlte.

„Tut mir Leid, dass ich hier einfach so herein platze.", entschuldigte ich mich deswegen. 

„Das brauchst du nicht Primrue.", winkte der Mann aus Distrikt Zwei ab und setzte sich auf das Bett, „Aber dass das klar ist; das Bett gehört mir." 

Erneut musste ich kurz auflachen, als ich mich auf das Sofa fallen ließ. 

Schweigend brachte mir Shade eines seiner Kissen und eine Decke, mit der ich mich zu decken konnte.

„Alles okay Kleine?", fragte er jedoch leise, als es wieder ruhig zwischen uns beiden. Unsere Blicke trafen sich und wieder kam dieses wehmütige Lächeln auf sein Gesicht, „Tut mehr weh als jede Wunde, nicht wahr?"

Ich wollte gar nicht wissen, warum Shade schon wieder wusste, was mit mir los war, aber er tat es. Und wie immer verurteilte er nicht, sondern war einfach da.

Nun war ich es die sich seufzend über das Gesicht strich. Zum Teil aber auch, um die wieder aufkommenden Tränen zu verstecken. Doch nach wenigen Sekunden antwortete ich auf seine Frage. Leise und kaum hörbar.

„Fühlt sich an, als wäre man Tod."

Primrue Mellark 3 | Ungewolltes VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt