Teil 5

1 0 0
                                    

Nachdem ich nervig lange auf Frau Isses eingeredet hatte, betraten wir doch das Smoke and Rat's. Die kleine Bude lag im Vergnügungsviertel, wie die meisten anderen Orte, an denen man etwas zu Essen bekam. Die Restaurants, Dinners und alles weitere war umzingelt von Casinos, Nachtklubs und ähnlich einladenden Geschäften. Im Grunde war Smoke and Rat's ein düsterer, fast schon versiffter Laden der wenig bot, aber dennoch schaffte es Rat, der Betreiber, es irgendwie dass sein Geschäft immer voll von allerlei Leuten war. Rat war sehr nett zu uns Kindern, weshalb ich das Geschäft gerne aufsuchte. Ich bekam hier oft kostenlos etwas zu Essen. Dabei sah man Rat sein nettes Wesen gar nicht an. Er hatte ein fleischiges, vernarbtes Gesicht, seine Haare und sein Bart waren dunkel und verfilzt und seine Klamotten fleckig. Nur der Hunger hatte mich schließlich in seinen Laden getrieben, den jedes Kind im Waisenhaus wusste, das er uns half. Vielleicht tat er es, weil er früher selbst ein Waise gewesen war. Aber das war eine andere Geschichte.

Inzwischen war es schon Mittag und es wimmelte von Menschen, hauptsächlich jungen Taugenichtsen, die es nicht geschafft hatten an einen Job zu kommen. Wir hatten Glück und es verzog sich gerade ein Pärchen, sonst hätten wir wieder gehen müssen. Und Frau Isses hätte mich sicher in eines dieser 'Kinderfreundlichen' Lokale gezerrt, die voll von nervigen Kindern waren. Dieser Ort hier war mir dann doch lieber. Mit einen zufriedenen Seufzen ließ ich mich auf der roten Eckbank sinken und lächelte die alte Schachtel kurz an. Ich wusste nicht warum sie heute so nett war, aber es gefiel mir. Sonst machten wir nie was ich wollte, egal wie lange ich bettelte. Mit einen etwas angewiderten Blick schaute sie sich um, setzte sich aber neben mich »Und du kommst wirklich öfter hier her?« fragte sie ungläubig nach. »Klar. Hier gibt's gratis essen« grinste ich zufrieden und winkte Rat, der gerade aus der Küche kam und mich bemerkt hatte. »Das Essen im Waisenhaus ist auch kostenlos« bemerkte Frau Isses, schon fast vorwurfsvoll. »Ja klar, aber das Essen im Waisenhaus ist ja noch schlechter wie das Essen hier« grinste ich sie an. Vermutlich hätte sie mich nun geschimpft, von wegen das ich undankbar wäre, aber Rat trat an unseren Tisch und unterbrach so glücklicherweise unser Gespräch. 

»Ginny! Was kann ich meiner kleinen Prinzessin bringen?« fragte der alte Mann mit einen breiten Lächeln. Rat mochte mich, vermutlich weil ich weder seine Kunden belästigte, noch versuchte etwas zu klauen. Und ich mochte den etwas unheimlich aussehenden Mann inzwischen auch gerne. »Hallo Rat. Schön dich zu sehen. Das übliche? Milchshake und Eintopf« gab ich meine Bestellung auf, was eigentlich nur ein Spaß war. Denn eigentlich hatte Rat gar nichts anderes im Angebot, als Milchshake und Eintopf. Auf der Insel war es schon immer schwer, an Lebensmittel zu kommen. Fragend blickte ich zu Frau Isses und wartete, ob sie auch etwas essen wollte. So heftig wie die alte Frau ihren Kopf schüttelte, wollte sie aber offensichtlich nichts haben »Ich esse hier nichts« stellte sie fest. Rat musste lachen »Oh, vertrauen Sie mir wegen der Sache damals immer noch nicht?« wollte er höhnisch wissen. Isses hob nur ihre Augenbraue, was ihm noch stärker zum lachen brachte. Rat hatte ein lautes, ausfüllendes Lachen, das alle anderen Geräusche im Laden übertönte. »Wie Sie meinen" gluckste er und sah dann wieder lächelnd zu mir »Dein Essen kommt gleich Kleine« versicherte er, strubbelte mir nochmal durchs Haar und verschwand dann wieder in die Küche. Kopfschüttelnd sah Frau Isses ihm nach »Ich verstehe wirklich nicht wie du hier essen kannst. Weißt du den gar nicht woher Rat seinen Spitznamen hat?« wollte sie wissen. »Ich dachte immer Rat wäre sein Name« gab ich zu, worauf die Alte energisch ihren Kopf schüttelte. Dafür das sie so oft über Rücken- und Nackenschmerzen klagte, machte sie das ganz schön oft. Vielleicht kam es ja daher. »Natürlich nicht, niemand nennt sein Kind Rat, du dummes Mädchen« schimpfte sie mit mir »Sein Name ist eigentlich Kasimir und hat seinen Spitznamen daher das er Ratten, nun ja. Er hat sie gejagt ... und gegessen« erklärte sie und verzog angewidert das Gesicht. Auch ich zog eine kurze Grimasse »Das klingt echt eklig« musste ich zugeben »Aber geschadet hat es ihm ja anscheinend nicht. Und das Essen ist echt nicht übel« nahm ich Rat dann in Schutz. Man musste seine Freunde verteidigen und auch wenn ich kaum etwas über ihn wusste und er kaum etwas über mich, so würde ich ihn doch als Freund bezeichnen. 

»Du bist ein wahnsinnig stures Kind, das wird dir noch mal das Genick brechen« seufzte Frau Isses, ging dann aber nicht weiter darauf ein. Rat brachte mir kurz darauf das Essen. Mein Anstandswauwau drückte ihn das Geld für das Essen in die Hand, aber er schob es grinsend zu mir und klopfte mir kurz mit seiner Pranke auf die Schulter »Kauf dir was schönes Prinzessin.« »Danke Rat! Danke« glücklich umarmte ich ihn, auch wenn er dreckig war. Es war nicht viel Geld, aber es war eine Seltenheit das ich überhaupt mal Geld hatte. »Schon gut Kleine. Übertreib nicht« schmunzelte er und ich setzte mich wieder auf den Platz, steckte das Geld in meine Hosentasche und schaufelte hastig mein Essen in mich hinein. Auch wenn Rat etwas abweisend gewesen war, man merkte das meine Freude auch ihn glücklich stimmte. Mit leisen Pfeifen verschwand er wieder in der Küche. Frau Isses schüttelte nur den Kopf »Manchmal frage ich mich wirklich wie er es schafft diese Bruchbude am Laufen zu halten« bemerkte sie. Offenbar war es für sie wirklich rätselhaft. »Ich denke das meiste Geld kommt von den Nakoa« schmunzelte ich und aß meine Schüssel leer, ehe ich den Milchshake schlürfte. Wir schauten beide zu den lärmenden Männern hinüber, die tatsächlich einen großen Teil der Tische hier besetzten. Die Nakoa waren Söldner, die vor allem die Häfen und Fabriken bewachten. Sie waren die einzigen, die irgendwie für Ordnung sorgten, auch wenn sie eigentlich nur die Ware bewachten. Manche Ladenbesitzer schafften sich inzwischen sogar auch schon die durchtrainierten Wachen an. »Darf ich noch etwas hier im Viertel bleiben?« fragte ich Frau Isses bettelnd. Ich hatte keine Lust jetzt wieder zurück zum Waisenhaus zu gehen, den ganzen Weg in der Hitze zurück zu legen war jetzt nicht gerade mein Traum. Und jetzt hatte ich ja etwas Geld und die Läden waren oft gekühlt. Allerdings wartete ich die Antwort von der Alten gar nicht mehr ab, den ich hatte durch das verschmutzte Fenster Nikki gesehen. Sie war fast zeitgleich mit mir ins Waisenhaus gekommen und sowas wie meine große Schwester. Wir hingen sehr aneinander, so weit es eben mit einem Altersunterschied von einigen Jahren ging. »Danke« rief ich meiner Betreuerin zu, wie als hätte sie es bereits erlaubt und stürmte nach draußen.

Two BirdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt