Teil 62

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»Also ich fühle mich nicht gerade gemocht« brummte ich und, ausnahmsweise, lachte dieses Mal niemand. Die alte Frau packte mein Kinn mit ihren spitzen Fingern und zwang mich, zu ihr hoch zu sehen »Das ist also das Kind?« fragte sie mit ihrer schönen Stimme und Danel nickte zu der Frage nur »Ja Amslet. Das ist sie. Birdie ist offenbar mit dem Mädchen befreundet, dass uns Geld schuldet. Zumindest leben sie im selben verlassen Haus.« Ich öffnete den Mund um zu sagen, das ich gar nicht Birdie hieß, und es nur ein dummer Spitzname war, den dieser Idiot mir verpasst hatte, aber nach einen Augenblick des Überlegens hielt ich lieber doch den Mund. Amslet schien ohnehin zu merken, dass es nicht mein echter Name war. Ein Schmunzeln verzerrte ihr ohnehin schon entstelltes Gesicht »Birdie hm? Wie niedlich. Und wo ist dieser Junge?«

»Den hab ich!« eine pinkhaarige Frau mischte sich in das Gespräch ein, sie zerrte einen Stuhl hinter sich her, auf dem gefesselt und geknebelt Imp hockte, der mit Todesblicken um sich warf. Offenbar hatte er sich, im Gegensatz zu mir, gegen seine Ergreifung gewehrt. Die Frau hatte eine Bisswunde am Arm und ein blau geschlagenes Auge. »Ein Wildfang, wie ich sehe« tat Amslet das ganze erstaunlich nachsichtig ab. Ihr Blick glitt zwischen mir und Imp hin und her »Fnan, nimm dem Jungen den Knebel und die Fesseln ab. Er wird uns nun nichts mehr tun.« »Aber Amslet! Der Kleine ist ein Wilder, ich sags dir! Der hat mich angefallen, bevor wir überhaupt zur Tür rein sind!« protestierte die Pinkhaarige, seufzte aber ergeben als sie merkte, dass der Widerspruch nichts brachte »Gut, aber wenn er Radau macht, bin ich nicht Schuld.« Sie band Imp los und zog ihn den alten Lappen aus dem Mund, woraufhin Imp sofort ausspuckte »Pfui! Bäh! Wird aber auch mal Zeit! Dieses blöde Ding hätte mich beinahe erstickt!« »Hier wird nicht gespuckt Kleiner!« die Stimme der Alten unterbrach Imps Gefluche. Er zog eine Schnute, blieb aber still und verdiente sich damit das Lächeln der alten Dame. »Nun ihr Beiden, ich will nichts schlimmes von euch. Nur reden. Aber nicht hier, ich bin alt und muss mich setzten. Danel, ich begebe mich mit unseren Besuchern in den Salon. Behalte du solange die Lage hier im Blick. Und Annibal, sei ein Schatz und mach uns einen Tee« nachdem sie ihre Befehle ausgesprochen hatte, konzentrierte Amslet sich wieder auf uns »Kommt mit Kinderchen« forderte sie uns auf und machte sich, mit ihren trägen Schritten, wieder auf dem Weg die Treppe hoch. Ich hatte Recht gehabt, wir befanden uns hier wirklich in einem eindrucksvollen Herrenhaus. Früher, sehr viel Früher, bevor das Uptown als Insel entdeckt worden war, befanden sich nämlich auch noch alle wohlhabenden Leute hier im Downtown. Sie riegelten sich in diesem Bezirk, der nun schon seid etwas über hundert Jahren verlassen war, ab. Mit Mauern und den Nakoa als bezahlten Wächtern. Sie errichteten hier ihre mal bescheideneren und mal protzigeren Häuser und Villen und ließen niemand aus der 'Unterschicht' hinein. Als all diese Leute in das Uptown flohen, verwilderte dieser Abschnitt der Stadt, da immer noch niemand über die hohen Mauern kam. Erst als diese im Laufe von Jahrzehnten löchrig wurden und einstürzten, gab es einen Weg in das vergessene Viertel. Aber zu dem Zeitpunkt war es bereits zu spät, die Natur hatte sich diesen Teil der Insel zurück erobert. Niemand wollte mehr dort wohnen, die Häuser wurden zwar geplündert, aber nur die verzweifelten Seelen oder die tapfersten Gangs ließen sich hier nieder. Die Cobras zählten wohl zu letzteren. Sie hatten diese Villa in beschlag genommen und sie, offenbar, recht gut in Schuss gehalten. Der alte Marmorboden glänzte im Licht einiger Kerzen, auch die Möbel sahen noch so gut wie Makellos aus, wenn auch zu modern für diese Art von Behausung. Die Holzvertäfelung an den Wänden war auch noch intakt und den leeren Farbeimern zu Urteilen, die in einer Ecke gesammelt herum standen, waren die Wände auch erst frisch gestrichen worden. 

Amslet führte uns in ein kleines Nebenzimmer, neben der Tür hing ein ausgeblichenes Schild, dass diesen Raum als Saloon auszeichnete, und setzte sich in einen unbequem aussehenden Sessel. Imp und ich dagegen blieben unsicher in der Tür stehen, ohne zu wissen, was nun zu tun war. Ich wusste nicht genau, was ich erwartet hatte, aber ein Teekränzchen mit einer alten Dame jedenfalls nicht. Ich dachte, als diese Gangster mich entführten, dass ich in einen dunklen Kellerloch aufwachen würde, womöglich an einen Stuhl gefesselt und mit Folterinstrumenten umgeben. Oder das ich gar nicht mehr aufwachen würde, weil am Grund des Ozeans lag. Jedenfalls war ich innerlich so ziemlich auf alles eingestellt gewesen, aber nicht darauf. »Na kommt schon Kinderchen! Ich werde hier nicht jünger!« forderte die alte Dame uns auf und streichelte dabei Kifle über das weiche Fell. Ich tauschte einen kurzen Blick mit Imp, der so unsicher wie ich aussah, es dann aber mit einem Schulterzucken abtat und sich auf einen der anderen Sessel niederließ. Also blieb mir nichts anderes übrig, als es meinem Kumpel gleich zu tun. Ich schloss die Tür hinter mir und nahm dann auf dem letzten freien Sessel platz. Kaum hatte mein Hintern das Leder berührt, begann Amslet auch schon wieder vor sich zu sprechen. »Nun ihr beiden Süßen, ihr wisst ja sicher warum ihr hier seid. Ihr steht im nahen Kontakt mit diesem Mädchen, Nikki nicht wahr? Jedenfalls schuldet sie mir Geld. Und das hätte ich gerne wider, versteht ihr?«

»Ich hab mit denen eigentlich gar nichts am Hut! Wir waren nur zusammen im Waisenhaus, ansonsten kenne ich sie eigentlich gar nicht!« warf Imp hastig ein, aber Amslet ignorierte diesen doch eher schlampigen Einwand schlicht und ergreifend »Ihr beiden seid jung, sehr jung, deswegen hege ich keinerlei Hoffnung, dass einer von euch das Geld haben wird, oder auch nur einen Bruchteil davon. Seht, ich mag keine sinnlose Gewalt. Derartiges ist völlig ohne Stil und Klasse. Also würde ich nur sehr ungerne zum äußersten greifen. Eure Aufgabe ist es, eure Freundin zu finden und mir dann bescheid zu geben wo sie steckt. Das bekommt ihr ja sicher hin.« Ein kurzes Klopfen an der Tür zerstörte die Stille, die abgesehen von Amslets Worten den Raum beherrschte. Fast in der gleichen Sekunde ging die Tür auf und Annibal kam herein, schwerfüßig und bedächtig wie ich ihn bisher auch kennen gelernt hatte. Zwischen seinen großen Pranken balancierte er ein zierliches Tablett aus Silber, auf dem noch zierlichere Tassen und eine Kanne aus Glas stand. Er stellte es auf dem runden Couchtisch ab, goss in jede Tasse Tee und verteilte diese dann am Amslet, Imp und mich, ehe er sich wieder aus dem Zimmer trollte. Amslet trank einen langen, genießerischen Schluck aus der Tasse, obwohl der Tee noch dampfte. Es schien sie nicht zu stören, stattdessen atmete sie wohlig aus und ihr starrer Körper entspannte sich etwas. In der Annahme, so schlimm könnte es also nicht sein, tat ich selbst einen großen Schluck und hätte beinahe alles wieder ausgespuckt. Nicht nur das der Tee so heiß war das er mir Zunge und Mund verbrannte, er schmeckte wirklich widerlich. Wie vergammeltes Grünzeug! Und vermutlich würde er noch schlimmer schmecken, wenn nicht ohnehin schon ein Großteil meiner Geschmacksnerven abgebrannt wären. Mit einem einzigen großen Schluck rann der Tee meinen Hals hinab und verbrannte auch diesen. Aber ich traute mich nicht darüber zu jammern, stattdessen hörte ich Imp zu, der mit Amslet diskutierte.

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