Teil 73

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»Ich bitte Sie, machen sie nicht so einen Aufstand! Sie tun ja so, wie als ob es Gesetze gäbe. Es ist für alle ein guter Deal. Sie wissen doch am Besten, dass das Waisenhaus kurz vor dem Aus steht. Die reichen Säcke wollen kein Geld mehr in die Kinder investieren, sie sind verbittert. Und ohne eine neue Einkommensquelle, ist der Laden in nicht mal einem Monat dicht!« quiekte eine schrille Stimme eindringlich, regelrecht beschwörend, auf Frau Isses ein.

»Ich habe doch schon Nein gesagt! Mögen meine Kollegen davon halten was sie wollen, ich leite dieses Waisenhaus immer noch. Und ich sage Nein! Nein, Nein, Nein! Und das ist auch mein letztes Wort in dieser Angelegenheit.«

»Aber denken Sie doch nur mal nach! Ich meine, es passiert immerhin nichts schlimmes. Nur ein kleines Austauschprogramm. Und dafür gibt es eine satte Prämie! Jetzt, wo ihre Bälger im sterben liegen, zahlen sie tausende, ach was, hunderttausende Coins für ein Kind!« die Stimme wurde, falls möglich, sogar noch aufgeregter, offenbar versetzte allein die Vorstellung von so viel Geld ihn in Aufregung. Was ich nachvollziehen konnte, ich selbst konnte mir so viel Geld nicht mal vorstellen. »Ich bleibe bei meiner Meinung. Wir finden schon einen anderen Weg, um unsere Kinder durchzufüttern. Und nun gehen sie, sofort!«

»Oh, dass wirst du noch bereuen, du alte Pute! Warts nur ab, in weniger als einen Monat ist der Laden zu! Für immer! Und am Schicksal der Kinder ändert sich trotzdem nichts. Sie werden dort Enden, so oder so!«

Die Tür flog auf und ich kroch noch ein Stück zurück, noch mehr unter dem Tisch, damit der Herauskommende Herr mich nicht sah. Viel erkannte ich nicht, ich sah von dort unten nur die Beine und er war sehr schnell wieder weg. Aber ich musste ihn auch gar nicht sehen, Frau Isses half mir unbeabsichtigt dabei. Sie trat nur einen Schritt aus ihrem Büro und schrie ihm hinterher »Und lassen Sie sich ja nie wieder hier Blicken Herr Krosux!«

Herr Krosux, der Name sagt mir etwas. Plötzlich, wie ein Blitzschlag, erinnerte ich mich wieder. Herr Krosux, dass war Grinsie! Dieser gruselige Kerl vom Jugendamt, der plötzlich für mich verantwortlich gewesen war. Dieser ausgeflippte Kerl mit seinen schrecklich bunten Büro! Der Kerl, der mir Pixel geschenkt hatte. Ich hatte ja sofort gewusst, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Offenbar verkaufte er die Kinder des Waisenhauses an die Uptowns! Wegen der Seuche, dass hatte ich ja auf dem Schiff gelernt, starben ja viele ihrer Kinder. Deswegen wollten sie wohl Kinder aus dem Downtown kaufen! Aber, das war doch eigentlich gut oder? Warum hatte sich Frau Isses dann so gegen diesen Vorschlag gewehrt? War sie nicht immer heilfroh, wenn jemand von uns adoptiert wurde? Vor allem, wenn es dafür auch noch ein sattes Geld gab? Wieso war es ihr dann dieses Mal nicht Recht? Na ja, Frau Isses war eine alte, komische Frau. Inzwischen vielleicht sogar etwas debil. Jedenfalls würde ich Nikki finden, wenn sie im Uptown war! Ganz sicher. Ich wartete noch, bis Frau Isses wieder im Büro verschwunden war und die Tür geschlossen hatte, dann rannte ich wieder ins Treppenhaus, wo Pixel wartete. Noch erzählte ich ihm aber nichts von dem erlebten, sondern wir rannten erstmal so weit vom Waisenhaus weg, wie uns unsere Füße trugen. Erst dann, nach einer kurzen Verschnaufpause, begann ich Pixel zu erklären, dass ich das Gespräch belauscht hatte und das Nikki vermutlich von irgendwelchen Eltern im Uptown gekauft worden war. Sicherlich war sie dort. Pixel, der dieses mal sogar mal wirklich mitdachte, kam gleich ein genialer Einfall »Lass uns Marsi davon erzählen! Wenn Nikki im Uptown ist wie deine Freundin, dann findet sie sie sicher! Du hast doch dieses Funkgerät!«

»Pixel, du bist genial!" lobte ich den kleinen Roboter für die Idee, drückte ihn kurz an mich und rannte dann gleich mit ihm weiter, zum Treffpunkt den wir vereinbart hatte. Zwar war ich noch etwas zu früh, aber ich war viel zu aufgeregt darüber, etwas nützliches herausgefunden zu haben, als das ich darauf achten würde. Wir hatten als Treffpunkt den Hafen ausgewählt, genau bei der Bank, die Nikki und ich immer bezogen hatten. Vermutlich, weil das ein einfacher Treffpunkt war, den niemand verfehlen konnte und bei dem Missverständnisse ausgeschlossen waren. Denn es gab nur diesen einen Hafen und es gab nur diese eine Bank. Natürlich waren Zev und Imp noch nicht da, aber Pixel und ich vertrieben uns die Zeit mit Spielen wie Verstecken, Fangen, Schere-Stein-Papier oder Ich-sehe-was-was-du-nicht-sieht. So ging die Zeit doch Recht schnell vorbei. Als erstes kam Zev, hatte aber nichts neues zu berichten. Pixel wollte gleich stolz von unseren Fortschritten erzählen, aber ich konnte ihn gerade noch aufhalten. Ich wollte, dass alle versammelt waren, um von dieser guten Neuigkeit zu hören. Doch Imp kam einfach nicht. Wir warteten und warteten, aber von dem kleinen Rotschopf war nirgendwo etwas zu sehen. »Verlaufen hat er sich sicher nicht, Imp kennt die Insel ja« murmelte ich nachdenklich und Zev zuckte mit den Schultern »Ich kenn ihn kaum, aber in meinen Augen macht er den Eindruck, wie als ließe er sich leicht ablenken. Bestimmt hat er irgendwo etwas anderes interessantes gesehen oder schlichtweg die Zeit vergessen. Er taucht schon wieder auf.« Mein Blick streifte in Richtung der Gassen und ich dachte besorgt an Imp, der ja oft recht unvernünftig war. Andererseits, was konnte ihn schon groß passieren? Die Menschen hier waren im großen und ganzen nett zu Kindern. Sicher hatte Zev Recht und er trieb sich einfach nur irgendwo herum, vielleicht auf der Suche nach Essen, um seinen immer hungrigen Magen zu füllen. Da Imp so schnell wohl nicht kam, erlaubte ich Pixel nun doch, zu erzählen, was der kleine Roboter auch sehr eifrig tat.

Am Ende seiner Ausführung, erklärte Pixel noch den Plan, Marsi in die Sache mit einzubeziehen, damit sie im Uptown nach Nikki suchen sollte. Der Vorschlag wurde von Zev eher zögerlich aufgenommen. Den Uptowns könnte man nicht trauen, meinte er. Aber ich wusste ja, dass Marsi so gut war, wie sonst niemand. Wenn wir jemanden aus dem Uptown vertrauen konnten, dann wohl ihr. Immerhin hatte ich Monatelang dicht mit ihr zusammen gelebt. Ich erzählte Zev also ein wenig mehr über Marsi, wie gewissenhaft sie ihre Arbeit am Schiff wahrgenommen hatte, dass wir nie miteinander gestritten hatten, wie lieb sie zu allen gewesen war und auch sonst alles, was mir positives zu ihr einfiel. Als der Ältere meine Mühe bemerkte, ließ er sich schließlich doch überzeugen und gab sein Okay zu dem Plan. Da Imp immer noch nicht aufgekreuzt war, obwohl wir bereits eine Stunde gewartet hatten, zogen wir ohne ihn zurück zu dem verlassenen Haus, dass ich mit Nikki bewohnt hatte. Dort angekommen erklärte Zev, er würde nun doch mal nach Imp suchen, nur zur Sicherheit. Er wäre bald wieder da. So verschwand Zev auch schon wieder aus dem Fenster. Pixel blieb in der Küche, legte sich auf ein sonniges Fleckchen und meinte, er würde sich aufladen. Und ich verzog mich oben in mein Zimmer und versuchte dort, Marsi über Funk zu erreichen. Dieses Mal kam ich sogar zu ihr durch und wir redeten und redeten, stundenlang, sodass es, als ich endlich zum eigentlichen Thema kam, bereits Nacht wurde. Zwar erklärte meine Freundin sich bereit, so gut zu helfen wie es ging, aber ohne einen Anhaltspunkt, wo sie suchen sollte, war es geradezu Aussichtslos. »Weißt du, unsere Insel ist echt groß. Größer sogar als eure. Wenn ich sie einfach so suche, ohne Anhaltspunkt, dann finde ich sie sicher nie. Du hast doch erzählt, dass du von diesem komischen Jugendamt Arbeiter etwas aufgeschnappt hast? Sicher hat er in seinem Büro mehr Infos! Wenn du rausfindest zu welcher Familie, in welches Haus oder zumindest in welchen Bezirk sie gebracht wurde, würde das schon sehr helfen« erklärte Marsi mir nachdenklich, aber auch etwas träge. Man merkte ihr an, dass sie langsam müde wurde. Nur ich war noch immer munter wie ein Fisch im Wasser. Was erstaunlich war, denn ich konnte mich daran erinnern, wann ich zuletzt geschlafen hatte. »In Ordnung. Ich erzähl meinen Freunden davon, dann mach ich mich auf den Weg und beschaff dir die Infos. Wir sprechen uns Morgen wieder okay? Um 18 Uhr?« schlug ich vor, Marsi stimmte zu und wir wünschten uns eine Gute Nacht, auch wenn meine nicht gerade versprach, friedlich zu werden.

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