Teil 35

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Hauptsächlich klapperten wir sämtliche Bekleidungsläden ab, die Klamotten für Kinder im Angebot hatte. Das Clothes Contact, im Kleinen Kleiderladen und das Batch. Wir machten einen Zwischenstopp im Süßigkeitenladen und tranken Kaffee, oder in meinen Fall Limonade an unserem Lieblingscafe, dass an eine Antike Stadt angelehnt war. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits drei Stunden durch die verschiedenen Geschäfte gerannt. Camille und ihre besten Freundinnen Rana und Chiara redeten munter durcheinander, sie besprachen die Kleider, die sie mir gekauft hatten. Mir selbst war reichlich rätselhaft, wie man sich so sehr für etwas Stoff begeistern konnte. Ein kunstvoll gearbeitetes, weißes Kleidchen mit vielen Spitzen und Glitzer hatte es ihnen besonders angetan. Es lag sehr eng am Oberkörper an und wurde unten hin breiter. Ich glaube, es sollte eine Art Abklatsch eines Brautkleides sein, zumindest sah dieses Kleid denen ähnlich, die ich auf solchen Bildern gesehen hatte. Ich hatte mich tief in den Korbsessel zurück sinken lassen und beobachte das ganze eher abschätzig, während ich an dem süßen Getränk nippte. Ich denke, sie nahmen an, dass ich durch den Zucker etwas beruhigt wäre. Aber da hatten sie falsch gedacht. Ich hatte so gar keine Lust mehr, weiter ihre Kleiderpuppe zu spielen. Wir hatten jetzt schon drei Outfits zusammen gestellt, von denen die ich nur anprobieren musste und die dann verworfen wurde ganz zu schweigen, so langsam reichte es mir. Die Frauen hatten ihren Spaß gehabt, jetzt war ich doch endlich mal an der Reihe. Ich beobachte etwas weiter, wie sie sich nun über ein anders Kleid, dieses war mit Blumenmuster geschmückt, unterhielten und stand leise, ganz leise auf. Ohne die drei auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen entfernte ich mich vorsichtig von ihnen, Schritt für Schritt. Erst als ich um die nächste Ecke verschwunden war, wand ich ihnen den Rücken zu und rannte so schnell ich konnte davon. Mir war gerade egal wohin, Hauptsache, ich brachte erstmal möglichst viel Abstand zwischen sie und mich. Noch ein Kleid würde ich nicht anprobieren. Das könnte sonst noch Stunden so weiter gehen. 

Fast hätte ich den Fehler gemacht, an der Eisdiele anzuhalten. Emils Eiscreme war einfach der beste Laden, wenn es um die kalten Köstlichkeiten ging. Aber der langen Schlange nach zu Urteilen, müsste ich locker einige Minuten anstehen, bis ich überhaupt mal drankommen würde. Und bis dahin hätte mich Camille und ihre Freundinnen sicher gefunden. Man durfte nie unterschätzen, wie schnell sie sein konnten, wenn sie wollten. Also huschte ich weiter durch die Gänge, die Treppen hinunter und kam schließlich im Erdgeschoss der riesigen Galerie an. Hier unten war ein Weg nachdraußen, der direkt auf das Deck führte. Ich musste über das Deck, vorbei an den Pool, wieder nach drinnen durch den Aufenthaltsraum, von dort in die Gänge die zu den verschiedenen Kabinen führten, drei Treppen hinunter und dann war ich in den Maschienenräumen, in denen ich dann endgültig sicher davor war, gefunden zu werden. So weit kam ich jedoch gar nicht. Zwar schaffte ich es ziemlich weit, bis in die Gänge hinein, die bereits prächtig mit Girlanden und Lichterketten geschmückt waren, zum Ehren des Festes heute Abend, aber dann öffnete sich plötzlich eine Tür. Und wer, von allen möglichen Menschen, kam ausgerechnet dort heraus? Richtig, Breeze. Das Schicksal war heute wirklich nicht sehr gnädig zu mir. Wie konnte es sein das ausgerechnet jetzt, wo ich hier entlang kam, auch Breeze sein Zimmer verließ, in dem er sich offenbar zurück gezogen hatte? Das war nicht fair. Seinen Gesichtsausdruck zu Urteilen, schien er das gleiche zu empfinden wie ich, als er mich sah. »Du schon wieder« er klang resigniert. Betont lässig schloss er die Tür hinter sich und lehnte sich gerade so dagegen, dass er mit dem Rest seines langen Körpers den Gang blockierte. Ich konnte nicht mehr vorbei, ohne über seine Beine zu steigen. Und wenn ich das versuchen würde, würde er mich sicher stolpern und hinfallen lassen. So dumm war ich nicht. Also blieb ich stehen und schwieg einfach nur ergeben zu seinen Sticheleien.

In seinen dunklen Augen lag ein verdächtiger Funke, ein Glanz der erahnen ließ, das die Erzählungen der anderen Kinder nicht nur Lügen und Gerüchte waren. Breeze konnte gefährlich sein. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich ihm zu stellen, oder viel mehr, ihm die Hölle heiß zu machen. Jetzt jedoch, wo wir hier alleine im Gang standen, Auge in Auge, schwand mein Mut. »Ähm. Darf ich vorbei?« ich machte einen Schritt auf ihn zu, zuckte aber gleich wieder zurück, als er sich nur etwas bewegte. »Weiß nicht. Darfst du?« ein teuflisches Grinsen huschte über sein Gesicht. Eigentlich war Breeze tatsächlich hübsch, mit den Markanten Gesichtszügen, den dunklen Haar und Augen und der ständigen Ausstrahlung eines missverstandenen Rebellen. Aber dieser Ausdruck, denn er gerade zur Schau trug, ließ ihn unfassbar hässlich erscheinen. Hässlicher als Theodor, mit den teigigen Gesicht und hässlicher als Clara, die mit den hohen Wangenknochen und zu großen, weitabstehenden Augen eher an ein Alien erinnerte als an ein Mädchen. Das gerade war eine andere Hässlichkeit, eine, die Angst machte. »Ehrlich Breeze, ich will nur vorbei« murmelte ich und konnte nicht anders, als den Blick zu senken. Wegzusehen. »Ja, dass glaub ich dir gerne. Und was willst du tun, wenn ich dich vorbei lasse hm? Du willst uns doch eh nur beklauen!«

Für den Bruchteil einer Sekunde brachte dieser schwere Vorwurf mich aus dem Konzept, ich starrte Breeze mit offenen Mund an. Er stieß sich von der Tür ab und stand jetzt, zu voller Größe aufgerichtet, im Gang. Er kam ein, zwei Schritte auf mich zu, aber für jeden Schritt den er näher kam, wich ich einen zurück. »Klauen? Was soll ich denn von euch klauen wollen? Du spinnst wohl!« fauchte ich ihn an, aber es kam nicht sehr überzeugend rüber, das merkte ich selbst. »Spinne ich? Ich denke nicht. Du bist einfach nur ein dreckiges Straßenkind, das sich bei den Erwachsenen einschleimt und nur darauf wartet, dass wir den Inseln näher kommen. Dann klaust du etwas, gehst von Bord und machst dich mit deiner Beute davon, nicht wahr?« dieses Mal wartete er keine Antwort ab. Bevor ich überhaupt gucken konnte, hatte er mich am Kragen gepackt und mit den Rücken gegen die Wand gepresst. Ich fühlte die kühle, harte Holzvertäfelung im Rücken und vor mir den warmen Atem von Breeze. Irgendwas roch komisch an seinen Hauch, so scharf. Was war das? Ich konnte den Geruch nicht zuordnen, aber es roch unnatürlich, brannte regelrecht in der Nase. »Jetzt hast du nicht mehr so eine große Klappe hm? Du kannst auch nur auf Groß tun, wenn andere dabei sind, hab ich recht? Ihr seid doch immer so ein verlogenes Pack. Das weiß doch jeder« Der Junge ballte schon seine Hand zur Faust, mit der anderen hielt er mich fest, und holte aus »Aber keine Sorge, schlechte Manieren kann man ausprügeln.«

Two BirdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt