Ein neuer Morgen brach an und noch immer wirkte es nicht so, wie als würde Nikki heute wieder kommen. Der Himmel unterstützte jedes Gefühl der Trübselig- und Hoffnungslosigkeit. Die Wolken waren dunkelgrau und es regnete in Strömen. Es war einer dieser Tage, an denen man einfach nur niedergeschlagen sein konnte. Pixel und ich, wir hatten uns hinunter in Nikkis Zimmer zurück gezogen und schauten jetzt auf dem kleinen Fernseher den Nikki zusammen gebaut hatte alte Cartoons. Eigentlich liebte ich es, den bunten Figuren bei ihren Abenteuern zuzusehen, aber gerade machte es mir so gar keinen Spaß. Ohne Nikki war es einfach nicht das gleiche, ihre farbigen Kommentare fehlten mir. Es war lustiger gewesen, zusammen etwas zu gucken. Gemeinsam darüber zu rätseln wie es weiter ging, über eine Figur herzuziehen oder auch ein wenig zu zanken. Pixel versuchte zwar, unterhaltsam zu sein, aber das einzige was er tat war, die Szenen zu analysieren. So gern ich Pixel auch hatte, mit meiner besten Freundin konnte er nicht Schritt halten. Schon nach einer Folge wurde ich zu unruhig, um weiter vor dem kleinen Bildschirm zu hocken. Ich stand auf und begann, wenn auch mit schlechtem Gewissen, Nikkis Sachen zu durchwühlen. Irgendwo musste sich doch etwas finden lassen, dass Auskunft darüber gab, wo sie hingegangen war. Nach nur einigen Minuten des Suchens fand ich in einer Schublade etwas, dass mich auf eine ausgezeichnete Idee brachte. Es waren Blaupausen, Pläne von Pixels Robotergestalt und darüber, wie man die KI von der kleinen Box in der er anfangs gefangen war in die Metallhülle verfrachten konnte. Aber da waren nicht nur die Pläne von Pixel, nein, dort waren auch Pläne für 'Nox'. Nox war, zumindest nahm ich das an, Nikkis digitaler Assistent. Hatte sie damals nicht erwähnt gehabt, dass sie auch so ein Ding bekommen hatte? Für Nox hatte sie wohl auch eine Hülle angefertigt, eine schlanke, schwarze Katze mit Augen wie Silbermünzen. »Hey Pixel! Komm mal her!« forderte ich ihn aufgeregt auf und zeigte auf die Pläne von Nox, als er angetrippelt kam »Nikki hat auch einen Assistenten, so wie du einer bist! Kannst du nicht Kontakt zu ihm aufnehmen? Nox weiß ganz sicher, wo Nikki ist!«
»Hm, Ja ... Nein« druckste Pixel peinlich berührt herum und senkte den Blick. Stirnrunzelnd blickte ich auf ihn hinab »Was soll das heißen 'Nein'?« Ich war mir nämlich ganz sicher, dass er so etwas konnte. Wieso auch nicht? Hatte er nicht immer mit seinen vielen Fähigkeiten geprahlt? Und jetzt, wo sie mal nützlich wären, wollte er sie plötzlich nicht einsetzen? Beklommen hob Pixel den Blick und legte seine kalte Metallpfote auf meine Hand, wie als wollte er damit Trost spenden »Ginessa, sei bitte nicht böse« begann er fiepend. Merkwürdigerweise bewirkten gerade diese Worte, dass irgendwie sauer auf ihn wurde, denn offenbar hatte er etwas blödes gemacht, auch wenn ich noch nicht wusste, was es war. »Rück schon raus« blaffte ich ihn also ungeduldig an. Pixels Ohren klappten nach hinten um und seine Augen wurden größer, sodass er nun wirklich fast niedlich Aussah und man sogar beinahe wieder Mitleid mit ihm haben könnte. »Also ... ich, ähm« er senkte erneut den Blick, schnaufte leise und schwieg ein paar Sekunden, ehe er den Mut fand weiter zu sprechen. Die Worte brachen aus ihm heraus, wie eine Flut zuvor angestauten Wassers »Es war so, ich hab mir irgendwie schon gleich gedacht, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Jedenfalls in der Nacht, als du tief und fest geschlafen hast, hab ich versucht Nox anzurufen. Ich dachte du freust dich, wenn du Morgens aufwachst und ich dir gleich etwas berichten kann. Am besten etwas positives, dass meine Sorge doch unbegründet war und Nikki nur irgendwo übernachtet hat weil es schon zu spät zum Nachhause laufen war oder so ähnlich. Jedenfalls hab ich Nox angerufen, aber er ging nicht ran. Also, er ging nicht nur nicht ran, seine Leitung ist komplett weg. Ich hab es dann ab und zu nochmal versucht, wenn du gerade mit anderen Dingen beschäftigt warst, aber da ändert sich einfach nichts. Ich glaube, Nox ist ausgeschaltet oder vielleicht sogar kaputt. Und das könnte bedeuten das Nikki« Pixel brach ab und spähte nur zögernd zu mir hinauf. Es brauchte ein paar Momente, bis ich Pixels Geschwafel wirklich verstanden hatte, aber dann lief mir sofort ein kalter Schauer über den Rücken »Das heißt, Nikki könnte etwas passiert sein« kombinierte ich die eben geschilderten Tatsachen. Das Nox offenbar nicht reagierte und Nikki seid Tagen nicht kam, verhieß nichts gutes.
»Wir müssen sie finden. Los Pixel, wir haben schon viel zu viel Zeit verschwendet« beim Herausrennen schnappte ich mir meinen Rucksack, flog regelrecht die Stufen hinauf und war dann auch schon in der Küche und kletterte auf die Theke, um gleich aus dem Fenster springen zu können. Noch immer herrschte der Regen dort draußen, aber selbst die Nässe konnte mich gerade nicht mehr abschrecken. »Pixel! Wo bleibst du denn? Wir müssen uns beeilen!« schrie ich ungeduldig nach meinen Freund, der sich etwas schwer damit tat, die vielen Kellerstufen nach oben zu kommen »Aber Gin! Der Fernseher läuft sogar noch. Und es Regnet!« fiepte er wenig begeistert, auch wenn er ergeben neben mir auf die Theke kletterte. Vielleicht hatte Pixel Angst, wegen des Wassers zu Rosten. »Das bisschen Wasser geht schon« wischte ich seine Bedenken zur Seite und zerrte einen gelben Regenmantel, den ich von Camille geschenkt bekommen hatte, aus der Tasche und schlüpfte hinein. Nach kurzen überlegen band ich Pixel dann auch eine Plastikfolie um, die eigentlich dafür da war, um Essen einzupacken. Aber es würde ihn zumindest etwas trocken halten. »Jetzt müssen wir aber echt los« stellte ich fest und sprang auch schon aus dem Fenster, und landete direkt in einer Pfütze. Das dreckige, kalte Wasser schwappte sofort in meine Turnschuhe und durchnässte meine Füße. »Ih« ich verzog kurz das Gesicht, stiefelte dann aber gleich weiter. Vermutlich wäre es ohnehin passiert, früher oder später wäre ich ja so oder so in eine Pfütze getreten. Pixel achtete da schon mehr darauf, dass seine Pfoten trocken blieben. Geradezu akrobatisch sprang er von einem trockenen Fleck zum nächsten, manchmal Meterweit über eine Pfütze hinweg. Vermutlich war das auch der bessere Plan, denn in so manchen Schlaglöchern hatte sich bereits das Wasser gesammelt. Dennoch sah es nicht tiefer aus, wie die seichten Pfützen die sich überall verteilten, doch wenn ich hineintrat, sank ich bis zu den Knöcheln oder einmal sogar fast bis zu den Knien in brackiges Wasser ein. »Wo gehen wir eigentlich hin?« hakte Pixel nach und blickte sicher nervös um. Das verlassene Viertel lag jetzt im Regen noch stiller da wie sonst. Nur das Trommeln der Tropfen auf den Dächern, dem Pflastersteinen oder den Autodächern machte Lärm. Ansonsten verriet nur das schwache Licht aus manchen Häusern, dass hier jemand lebte. Ich achtete aber nicht viel darauf, oder insgesamt auf meine Umgebung, ich hielt den Blick nur stoisch geradeaus gerichtet, in Gedanken dabei zu Planen, wie ich Nikki am besten und schnellsten fand. So musste ich bei Pixels Frage auch nicht lange überlegen, ich hatte mir schon einen Plan gefasst »Wir gehen zu aller erst Rat besuchen. Und falls er nichts weiß, alle anderen die Nikki kennen könnten. Irgendwer muss sie in der letzten Zeit gesehen haben. Oder wissen, was sie vor hatte.« Ich hoffte, auf diese Art und Weise meine Freundin schnell wieder zu finden. Am besten Wohlbehalten. Mit etwas Glück würde es vielleicht sogar klappen. In den Filmen funktionierte so etwas zumindest immer. Nur falls niemand Informationen hatte, wüsste ich nicht, wie ich weiter vorgehen sollte.
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Two Birds
FantasyWir schreiben das Jahr 4055. Die Welt ist untergegangen und alle Länder sind beinahe komplett im Meer versunken. Das Waisenkind Ginessa muss sich auf der riesigen, heruntergekommen Stadtinsel zurechtfinden, auf der es keine Regeln gibt. Als eines Ta...