Teil 67

1 0 0
                                    

Wir bekamen tatsächlich etwas zu Essen. Es sah aus wie Dosenfutter, dazu verkochtes Gemüse, aber es schmeckte erstaunlich gut. Zumindest nicht so schlecht, wie ich zuerst gedacht hätte. Helga kümmerte sich sehr lieb um uns, fragte uns darüber aus, was wir um diese Uhrzeit auf den Straßen trieben und ob sich keiner um uns sorgte. Wir erzählten ihr, dass unsere Eltern uns zu unseren Cousin Zev geschickt hatten, da sie etwas wichtiges zu tun hatten, aber das wir uns auf dem Weg dorthin verlaufen hatten. Das war eine Lüge, und Lügen sollte man nicht, aber für die Leute hier unten schienen Waisen recht ungewöhnlich zu sein und ich beschloss das es besser war, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Schon kurz nachdem wir gegessen hatten, nickte ich ein. Pixel hatte bereits den Geist aufgegeben und lag wie Tot auf meinem Schoß. Ob Imp auch eingeschlafen war, wusste ich nicht, als ich in den Schlaf sank war er jedenfalls noch munter. Als ich wieder erwachte, wusste ich erst mal nicht wo ich war. Geschweige denn wie lange ich geschlafen hatte. Es könnten Minuten oder auch Stunden gewesen sein. Jedenfalls nahm ich an, dass es Morgen war. Es drangen keine Stimmen mehr aus dem Kneipenraum zu uns. Mit einem schläfrigen gähnen wollte ich mich schon ausstrecken um die steifen Muskeln wieder in Bewegung zu bringen. Im sitzen auf einem Sofa zu schlafen, war ja doch wahnsinnig unbequem. Dabei stieß ich mit dem rechten Arm gegen etwas und nach einem kurzen Blick zur Seite erkannte ich Imp. Der Jüngere war ebenfalls eingeschlafen und hatte sich währenddessen an mich geschmiegt. Als ich dies bemerkte, gab ich mir Mühe, möglichst bewegungslos sitzen zu bleiben, um ihn nicht aufzuwecken. Warum genau, wusste ich nicht. Wenn meine Theorie stimmte, musste es ja Morgen sein und das hieß, dass wir so schnell wie möglich zu diesem Mädchen mussten, dass vielleicht wusste in welche Liga Zev gehörte und damit, in welche Ebene wir nach ihm suchen mussten. Jede Sekunde zählte, denn keiner von uns konnte ahnen, wo Nikki gerade war und was sie vielleicht durch machen musste. Trotz dieses Zeitdrucks, brachte ich es nicht über mir, Imp zu wecken. Eigentlich hatte er ja gar nichts mit dem ganzen zu tun gehabt, er kannte Nikki ja kaum. Nur weil er mit mir unterwegs gewesen war, hatte die Gang auch ihn in diese Mission mit eingebunden, Nikki und damit ihr Geld wiederzufinden. Imp selbst konnte gar nichts dafür, vermutlich wollte er nicht mal mit suchen. Aber dennoch, er beschwerte sich mit keinem Ton darüber. 

Schweigend beobachte ich meinen Wegbegleiter, wie er schlafend dalag. Ab und zu kam ein leiser, fast tonloser Laut über seine Lippen oder seine Gesichtszüge zuckten. Er schien zu träumen. Und da er nicht dabei lächelte, war es wohl kein guter Traum. Gerade als zu dem Entschluss kam, ihn doch aufzuwecken, erledigte sich die Sache von selbst. Die Tür wurde geöffnet, ganz langsam im Versuch uns nicht zu wecken, was aber daran versagte, dass die Tür quietschte wie ein leidendes Tier. Sofort war Imp hochgefahren, blanke Panik in seinem Blick, die sich gleich darauf in Verwirrung umwandelte, als er sich umblickte. »Wir sind in der Bar Imp« flüsterte ich ihm leise zu, ehe ich mich auch schon an Helga wand, die mit einem Frühstückstablett in der Hand, herein getreten war. Ein entschuldigendes Lächeln lag auf ihrem Gesicht »Tut mir leid, ich wollte euch Kinder nicht wecken. Aber es ist fast 9 Uhr, und meine kleine Schwester ist inzwischen auch wach. Hier, esst noch schnell etwas. Danach könnt ihr mit ihr reden.« Wie abgemacht führte Helga uns, nachdem wir gegessen hatten, die schmale Treppe hoch in ihre Wohnung. Sie lebten dort alle zusammen, der alte Opa, die Mutter, Helga und ihre jüngere Schwester Kinaya. Letztere entpuppte sich als ein erschreckend blasses Mädchen, dass schmal und kränklich in ihren Bett lag und es, so erfuhren wir von Helga, schon lange nicht mehr verlassen konnte und es wohl auch nie wieder würde. Beim Spielen in den Tunneln war ein Teil der Decke eingekracht und hatte Kinayas Unterkörper begraben. Ihre Beine waren völlig zertrümmert gewesen und mussten amputiert werden. Seitdem konnte sie, natürlich, nicht mehr laufen und obendrein war sie fiel Krankheitsanfälliger und allgemein schwächer geworden. Früher war sie wohl ein sehr lebhaftes, abenteuerlustiges Kind gewesen. Nun zeugte nichts mehr davon, außer das verschlagene Funkeln in ihren Augen. »Meine Schwester hat gemeint, wir wollt mich etwas fragen? Wegen eines Arenakämpfers wohl? Tja Leute, ihr habt Glück! Ich weiß absolut ALLES über jede Liga, jeden Kampf und jeden Kämpfer« sie nickte in Richtung des kleinen Fernsehers, der an ihrem Bettende stand »Ich verpasse nie einen Kampf« erklärte sie mit einem gewissen Stolz. 

»Richtig! Wir müssen herausfinden, in welcher Liga dieser Zev ist, damit wir Wissen auf welche Ebene wir müssen« Imp trat übereifrig einen Schritt näher in den engen Raum, hin zum Bett und spähte kurz zu dem Fernseher, der jedoch nicht lief. »Zev?« Kinaya machte einen Verwirrten Eindruck »Das ist aber nicht sein Kämpfername oder? Ich brauche schon den Kämpfernamen. Die echten Namen der Gladiatoren werden nie verraten« berichtete sie, mit einem Hauch von Frustration. Imp warf mir einen fragenden Blick zu, aber ich zuckte nur mit den Schultern. Ich erinnerte mich nicht mehr, wie Zevs Name in den Arenen lautete, auch wenn ich ihn damals sicher gehört hatte. »I-Ich- also ehrlich gesagt weiß ich den Namen gar nicht. Ich kenn ihn nur als Zev. Hm. Aber er hat so ein Laserschwert und eine glänzende Rüstung und« ich wollte schon weiter mit der Beschreibung seiner Gestalt ausholen, aber offenbar war das gar nicht nötig. Fast wie ein Blitz fuhr das Mädchen, dass bisher in ihrem Kissen gelehnt hatte hoch, ein aufgeregtes Grinsen auf dem Gesicht »Sag nichts! Es gibt ohnehin nur EINEN der mit einem Laserschwert kämpft! Der gefallene Engel!« hektisch tastete sie auf ihrem Bett herum, bis sie eine Fernbedienung fand, dann griff sie unter das Bett und zog eine Kiste mit winzigen Chips heraus, die sie durchwühlte, bis sie den passenden fand. Sie reichte ihn Imp und der steckte es in den Fernseher. Ein paar Minuten später saßen wir alle drei da, Kinaya auf ihrem Bett ins Kissen gekuschelt, Imp und ich auf dem Boden vor dem Fernseher. Wir schauten zu wie Zev, mit beeindruckender Geschwindigkeit und Eleganz, einen Gegner nach dem anderen fertig machte. Währenddessen redete Kinaya die ganze Zeit »Der gefallene Engel ist SO cool! Es heißt, er kommt von der Oberwelt! Aber warum er hier runter gekommen ist, dass weiß niemand. Jedenfalls steigt er schneller in der Liga auf, als man gucken kann! Überlegt mal, vor ein paar Monaten war er noch in der Blechliga, jetzt ist er schon beinahe in der Platinliga angekommen. So schnell hat das noch nie jemand geschafft. Er macht jeden Gegner den man ihm vorsetzt einfach in ein paar Minuten fertig« ihre Stimme triefte förmlich vor Bewunderung, als sie ihren Blick vom Bildschirm losriss und zu uns starrte »Und ihr kennt ihn persönlich? Wirklich? Wie ist er so? Ist er nett? Oder unheimlich? Er gibt fast nie Interviews, deswegen weiß man kaum was von ihm. Ihr beide habt echt Glück, jemanden so großartigen zu kennen!«


Two BirdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt