Die Brünette warf ihre Haare zurück und traf mit ihren seidigen Haarsträhnen einige Gesichter. Empört schnaubten diese auf und liefen trotzdessen weiter, ohne Anmerkungen. Sie erzählte von ihrem Rum, sprach von Reichtum und wie einfach es sei, sich etwas aufzubauen und auf sich stolz zu sein. Und selbstverständlich war ich auf solches Gequatsche anfällig und hörte der äußerst arroganten Frau zu.
Aufeinamal verblasste die Farbe im Fernseher und er schielt sich aus. Verwundert suchte ich nach der Fernbedienung und fand sie in einer anderen Hand hervor.
»Du solltest dir so einen Quatsch nicht anschauen. Diese Leute erzählen nur Bullshit im Fernsehen, um Hilfebedürftige noch verzweifelter zu machen, als sie es schon sind.« Roman warf die Fernbedienung auf den Glastisch und warf mir einen missbilligenden Blick zu. Nun fragte ich mich wirklich, was ich denn sei, wenn nicht Hilfebedürftig?
Stumpf - wie ich war - folgte ich ihm die angrenzende Küche und beobachtete meinen Retter, der sich nun ein Glas Alkohol einschenkte. Neugierig blickte ich nun auf die etwas bräunliche Substanz im Glas. Alle tranken Alkohol, während ich nie davon probiert hatte. Aus einem, traute ich mich überhaupt nicht. Und der andere Grund war, dass ich andere Getränke bevorzugte.
»Alkohol ist schlecht.«
Und warum trinkst du es dann, Roman?
Mit verengten Augen wand ich mich von ihm ab und blickte stattdessen aus der Glasfront. Roman widersprach sich, aber ihm fiel es wahrscheinlich nicht auf. Mir war durchaus bewusst, wie schlecht Alkohol war. Zu welchen Schäden es führen könnte und wie viele Tode es in Amerika gab. Jedes Jahr starben täglich 88.000 Tausend Menschen an den schweren Folgen vom Alkoholkonsum. Seien es Alkoholvergiftungen oder Herz - Kreislaufprobleme. Wieso also nahm er vor meinen Augen eine Flasche Alkohol heraus und mir zu verdeutlichen, wie schlecht es sei.
Verwirrt von diesem Mann drehte ich mich um und verschwand aus der Küche, geradewegs ins Wohnzimmer. Am liebsten hätte ich den Fernseher nun wieder abgeschaltet und der Brünette weiter zugehört, aber Roman hatte auch Recht gehabt. Die Menschen im Fernsehen versuchten den anderen Hilfe anzudrehen, die ihnen schlimmere Folgen anstellen könnte, als sie schon hatten. Weshalb sowas durchging, verstand ich nicht und wollte ich auch nicht.
Dass ich dumm und naiv war, wusste ich. Schließlich habe ich die Worte von der Frau an den Lippen abgelesen und hätte am liebsten bei der dickgeschriebenen Nummer angerufen.
»Was hast du heute gemacht?« Roman ließ sich auf der Couch nieder. Eine Hand legte er auf der Lehne, während er mit der anderen sein Glas hielt. Er saß dort breit. Er ließ einen förmlich fühlen, wer das Sagen hatte und wessen Reich das war. Das tat Cason auch, aber dies gefiel mir hier mehr. Genüsslich nahm er einen Schluck vom Alkohol und richtete danach seine intensiven Augen auf mich.
Schulterzuckend ließ ich mich ebenfalls auf dem gegenüberliegenden Sessel nieder und überlegte. Sollte ich ihm von meinem Wohlsein ansprechen und ihn fragen, ob ich noch weitere Tage bleiben könnte? Einen anderen Ausweg gab es nämlich für mich nicht. Adalynn war nicht da und zu meinem Bruder würde ich nicht kehren. Ausschließlich waren meine Eltern, die in New Jersey lebten.
»Ich war einwenig spazieren, aber alleine war es einwenig langweilig.« Wie die Botschaft für ihn ankam, fiel mir erst nach wenigen Sekunden auf. Das hatte ich sicherlich nicht gewollt, aber bestimmt gab er mir Recht. In der Winterzeit alleine durch die Stadt zu streifen und die glücklichen Menschen zu sehen, die sich auf Weihnachten freuten, machten mich innerlich kaputt. Eine kleine Familie werde ich nie haben. Cadon wäre nie mit mir in den Weihnachtsmarkt gefahren und wir hätten nie zusammen kandierte Äpfel gegessen.
Erträumen konnte man sich viel, aber die Realität leider nicht. Die schlug bloß einem auf das Gesicht.
Roman nickte. Ganz langsam, aber dachte er über meine Worte nach.
»Ich kann mir morgen früher freinehmen, dann können wir zusammen zum Weihnachtsmarkt. Vermutlich möchtest du da hin, oder?« Gespannt wartete er auf eine Antwort von mir. Doch die kam nicht, denn nun verwirrte mich seine Freundlichkeit. Er legte auf mein Wohlergehen wirklich viel und tat alles, damit es mir gefiel und ich nicht einsam war. Er würde sich für mich früher freinehmen, damit wir Zeit verbringen konnten. Verrückt.
Ob ich ihn nun nicht ausreichend kannte oder mochte, ich würde zustimmen. Ich brauchte den Kontakt zu Menschen und meine Freiheit, die mir zustand. Außerdem konnte ich mit diesem Abend Roman besser kennenzulernen. Vorgehabt hatte ich länger bei ihm zu bleiben, damit ich ein Dach vorm Kopf habe. Die Option, dass ich zu Cadon zurückkehre, drang mir überhaupt nicht in den Kopf.
»Das wäre schön...« Ich räusperte mich lautstark, um ihn nochmals aufmerksam auf mich zu machen. »Ich hätte da übrigens noch eine klitzekleine Frage...« Nervös wie ich wieder wurde, strich ich mir über den Oberarm und schluckte hart, als Roman sich vorlehnte und sein Glas auf den Glastisch zwischen uns stellte. Würde dieser Tisch dort nicht stehen, würden sich wohlmöglich unsere Knie berühren.
»Die Frage lautet?«
Er ließ alles stehen und liegen, um sich meine Frage anzuhören. Wenn er nicht aufhörte, dann würde ich ihn wohlmöglich schneller mögen, als geplant und gedacht.
»Du weißt ja, dass ich nicht Nachhause möchte. Aus dem einen und anderen Grund...« Nuschelnd räusperte ich mich. »Daher war meine Frage, ob ich bei,-«
»Du kannst und sollst auch solange bleiben, wie du möchtest. Hier bei mir wird es dir besser gehen, das verspreche ich dir. Ich werde mich um dich kümmern und dafür sorgen, dass du alles hast, was du brauchst. Wenn du etwas bestimmtes brauchst, dann sag mir einfach bescheid.« Überfordert blickte ich ihm entgegen und verbleibe einige Sekunden stocksteif, bevor ich auftaue und peinlich berührt lächele. Er hatte mich von meinem Vorhaben unterbrochen, weil er wusste, was ich wollte.
Da ich nun seine Zustimmung bekommen hatte, wusste ich allerdings nicht mehr was ich sagen sollte. Roman saß da und blickte stumm in meine Augen. Ich wusste zwar nicht, was er in ihnen sah, aber es zog ihn förmlich an.
»Dann bleibe ich...Kann ich in der Zeit etwas Gutes tun? Schließlich möchte ich dir ja nicht auf dem Nacken sitzen.« Er schüttelte den Kopf, nahm noch einen Schluck von seinem Alkohol und klopfte neben sich. Wie auf Befehl sprang ich auf, ohne einen Gedanken im Hinterkopf zu haben. Hastig setzte ich mich - mit einem gesunden Abstand - neben ihn und presste meine Knie fest einander. Schlagartig drang sein Duft zu mir, machte mich ganz weich.
Würde er sich dennoch einwenig bewegen oder zu mir rutschen, dann würden sich unsere Knie berühren.
»Schreibe mir eine Liste auf, welche Dinge du benötigst.«
Das Gesicht verziehend nickte ich wiederwillig und überlegte. Ich würde keinen Zettel schreiben. Und ich würde mir auch nicht alles von ihm zahlen lassen. Das war überhaupt nicht nötig. Warum bot er mir so unendlich viele Hilfe an? Verstand Roman etwa nicht, dass es mir nach all der Hilfe unangenehm war? Ich wollte ihm nicht auf dem Nacken sitzen und glücklich mit seinem Geld spielen.
»Danke, aber ich,-«
Und wieder unterbrach er mich.
»Kein Aber. Schreib die Liste, Tracy.« Murmelnd nickte ich wiedermals kleinhaut und blickte leer auf sein iPhone, dass er mir in meine leere Handfläche lag. Die Notizen sprangen heraus. Mit Bedacht schrieb ich bloß kleine und nicht allzu wichtige Produkte auf. Kosmetik war überteuert und Binden waren mir zu unangenehm. Diese Dinge würde ich heimlich besorgen, wenn er wieder auf der Arbeit wäre. Schwierig würde es bloß beim Geld sein.
Einigermaßen zufrieden mit der Liste, reichte ich Roman sein iPhone zurück. Er warf prüfend einen Blick über die Notizen und seufzte lautstark auf. Dennoch sagte er nichts, gab keine Aussage von sich. Bestimmt war ihm meinen innere Aufruhr und Bescheidenheit aufgefallen.
Er ließ sein iPhone wieder in seine vordere Hosentasche gleiten und nahm noch einen Schluck von seinem Getränk, dabei lehnte er sich wieder nachhinten, sodass sich unsere Kniee berührten. Stocksteif hielt ich meinen Blick geradewegs auf mein Knie und erstarrte, als er seine große rechte Hand auf mein Oberschenkel plazierte. Ganz sanft, ganz lieblich.
»Ich will nur für dich da sein.«
★★★
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Inviolable touch
RomanceDARK ROMANCE »Wer auch immer versucht, dich zu verletzen oder zu belästigen, der ist bereits unter uns« Angst würde die Achtzehnjährige Tracy nie wieder bei Ihm verspüren. Er ließ sie anders fühlen, verstand sie und liebte sie. Zeigte ihr die andere...