five

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Der Wald hatte sich in einen Schneeschloß verwandelt. Große Eiszapfen hingen von den Baumästen hinunter und drohten zu zerbrechen. Die Sonne kämpfte sich durch die grauen Wolken und ließ einige Strahlen in den Wald scheinen, die ihn elegant wiederspiegelten. Der kleine See war eingefroren, alles in weißen Tönen. Ein Eichhörnchen rannte hastig durch die Büsche und kletterte an einem Baum hinauf.

Von den großen Tannen fiel Schnee auf den Boden. Sie erinnerten mich an Weihnachten, den wir bald hatten. Der Schneesturm hatte den Wald in eine Wunderschöne Kulisse gezaubert. Tagsüber war alles so friedlich, die Schönheit da draußen, lud einen förmlich ein. Doch Nachts schrie es nur von Dunkelheit und Ängsten. Der Verstand riet einem immer ab, sich nachts aufzuhalten. Doch manche waren so neugierig auf die Welt, wollten jeden Millimeter erkunden und ließen sich erschlingen.

Die kuriosen Gedanken würden sicherlich viele abschrecken, sie würden mich für verrückt halten.

Ein sanftes Klopfen an der Tür ließ mich aufzucken. Hektisch schaute ich an mir hinunter und blickte auf die tickende Uhr an der Wand. Ganze sechs Stunden hatte ich geschlafen. Mittlerweile musste mein Bruder doch gemerkt haben, dass ich außer Haus war. Oder er vergnügte sich wieder mit Magdalena. Wütend biss ich die Zähne zusammen und zählte innerlich von zehn runter. Es konnte mir doch egal sein. Viel lieber will ich mir Gesicht ansehen, wenn sie sehen, dass ich weg bin. Und ich würde ihnen überhaupt nichts erzählen.

»Gut geschlafen?« Roman trat ein und ließ seinen Blick prüfend durch das Zimmer gleiten, bis er mit seinen hypnotisierenden Augen bei mir stehen blieb. Neugierig hob er eine Augenbraue und blickte an mir hinunter. Noch immer trug ich das viel zu große Pullover, doch die Hose hatte ich ausgelassen. Auch wenn es nichts zu sehen gab, starrte er nur zu offensichtlich auf meine nackten Beine. Wahrscheinlich musterte er die blauen Flecken, die durch meine Tollpatschig entstanden waren.

»Außerordentlich gut. War sogar besser als Zuhause.«

Ich könnte mich für meine damliche Klappe verfluchen. Cadon sagte mir immer wieder: Erst nachdenken und dann reden. Wahrscheinlich fehlten mir einige Gehirnzellen, die meine Eltern mir damals aus dem Hirn geprü-

»Ich hab Frühstück hergerichtet. Du kannst erst ruhig duschen gehen. Ersatzklamotten lege ich dir raus.« Wieder verschränkte er seine Arme und blickte monoton zu mir herüber. Es schien mir so, als würde er immer wieder eine kühle Maske aufsetzen.
Manche Menschen behielten nun mal ihre Gedanken und Emotionen gern für sich, andere trugen ihr Herz auf der Zunge. Vermutlich hielt er seine gestrige Idee mich zu retten und in dieses Haus zu bringen, mittlerweile schlecht. Eventuell bereute er es schon und wollte mich loswerden?

Schließlich war ich doch nur eine Fremde, die mit ihrer Naivität spielte und sich nachts gerne der Gefahr ausstellte.

★★★

Hektisch wickelte ich mich meinen zitternden Körper in den Bademantel und kämte noch hastig meine verwuschelten Haare, die durch die heiße Dusche einwenig nass geworden war. Gähnend verließ ich das Badezimmer und schlüpfte wiedereinmal in kuschelige Wollsocken, die Roman mir bereits herausgelegt hatte.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir es bereits elf Uhr hatten. Um diese Uhrzeit war Cadon bereits bei der Arbeit. Magdalena schlief eigentlich immer aus, danach fuhr sie jeden Morgen mit ihren Freundinnen in den Gymnastik Kurs. Nur hatte ich keinerlei Ahnung, ob einer überhaupt wusste, dass ich weg war. Normalerweise weckte mich Magdalena immer, bevor sie aus dem Haus ging. Vielleicht dachte sie auch nur, ich hätte Schule?

Schwachsinn. Ich hatte schon seid einer Woche Winterferien. Das musste sie doch wissen.

Nachdenklich verließ ich das Schlafzimmer und zog die Tür leise hinter mich zu. Der Flur in dem ich stand zog sich noch einige Meter weiter. Links wäre die entsprechende Treppe hinunter in die Küche und dem Wohnzimmer. Doch rechts hatte ich ihn gestern verschwinden sehen. Es handelte sich um ein weiteres Schlafzimmer, als ich meine Neugier nicht unterdrücken konnte und die Türklinke hinunterdrückte. Als ich einen Schritt in das Zimmer wagen wollte, flatterte aufeinamal mein Herz auf und ließ mich aprubt stoppen.

Es war nicht vernünftig in privaten Räumen zu fummeln. Das machte man doch nicht.

»Tracy!« Rief seine Stimme urplötzlich von unten, gar nicht so weit entfernt, als ich dachte. Wie eine Räuberin die sich ihrer Tat bewusst wurde, schlich ich mich durch den Flur und stieg flink die Treppe hinunter, um in die naheliegende Küche zu gelangen. Dort stand Roman. Mit einer Pfanne in der Hand. Leise räusperte ich mich und stellte mich unmittelbar einige Meter von ihm entfernt hin und beobachtete dabei, wie er das Spiegelei einwenig in die Höhe warf und wieder perfekt in die Pfanne platzierte, damit es perfekt anbriet.

Anschließend legte er die Spiegeleier auf die zwei Teller und schmiss noch einige Basilikumblätter darauf. Und dies ging so schnell, dass ich begeistert klatschen musste. Roman lächelte auf und bat mich unverzüglich zu setzen. Hungrig und wie verrückt starrte ich auf das Frühstück, wartete dennoch geduldig ab, bis er sich setzte und uns beiden ein Glas Orangensaft eingoss. Leise wünschte ich ihm ein 'Guten Appetit', bis ich mich an an mein leckeres Spiegelei vergriff.

Und ich glaubte tatsächlich, dass ich noch nie so ein leckeres Spiegelei je im Leben hatte.

»Das Spiegelei ist wahnsinnig lecker. Was ist dein Geheimrezept?«

Geheimnisvoll zwinkerte er mir zu und zuckte die Schultern. Grinsend vernaschte ich mein Frühstück und beobachtete ihn dabei verstohlen. Er war kein Mann vieler Worte, wie mir nach den einigen Stunden aufgefallen war. Andauernd lag sein Blick und seine Aufmerksamkeit woanders, aber wenn er mich einmal ansah, dann hörte er kaum damit auf. Genau wie jetzt. Er starrte mich an, ließ dabei sein Spiegelei auf dem Teller kalt werden. Nervös strich ich mir eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor ich ihm ins Gesicht sah und mich ebenso in seinen Augen verlor, wie er in meine.

»Magst du mir etwas von dir erzählen?«

Überrascht zuckte ich zusammen. Seine tiefe Stimme unterbrach unseren intensiven Blickkontakt. Er stellte sein halbvollen Teller zur Seite und verschränkte die Arme, bereit, jede Information aus meinem Mund in Erkenntnis zu nehmen.

»Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Meinen Namen weißt du nun bereits. Tracy Lessly. Vor einigen Wochen lebte ich noch im Haus meiner Eltern. Dort bin ich damals in die Gesamtschule gegangen. Aber aus kuriosen Gründen bin ich zu meinem Bruder und seiner Verlobten gezogen. Mittlerweile gehe ich auf die Zentrale Hochschule. Da mache ich nun meinen Abschluss, denn ich auch in wenigen Wochen in der Tasche haben werde. Ansonsten weiß ich nicht, was ich sonst über mich erzählen kann. Du musst wissen, dass ich äußerst Langweilig sein kann. Also entschuldige ich mich, falls dich das alles überhaupt nicht interessiert und ich dich gerade vollquatsche.«

Aber anstatt, dass er mich unterbrach oder die Augen, Dank der langweilen Informationen, verdrehte, bat er mich sogar dazu weiterzuerzählen.

»Du bist alles andere als Langweilig, Tracy. Dir würde ich stundenlang zuhören. Meine Aufmerksamkeit hast du jederzeit.«

Und so begann ich ihm zu erzählen, was für ein Mensch ich war. Was ich mochte, was ich nicht mochte. Meine Hobbys und auch meine Vergangenheit. Roman unterbrach dabei keine einzige Sekunde unseren Blickkontakt. Aufmerksam hörte er mir zu, fragte interessiert nach und zum ersten Mal im Leben fühlte ich mich wichtig. Sonst hätte niemand nachgefragt oder etwas über mich wissen wollen. Er war der einzige nach Jahren, der sich wirklich für mich interessierte.

»Und du behauptest, du seist langweilig. So ein Schwachsinn.«

Roman erhob sich und stellte den Wasserkocher an. Seufzend lehnte ich mich zurück und warf einen Blick auf die Uhr, bis ich mich wieder entspannt zurücklehnte. Langsam fingen sich die Rädchen im Kopf an zudrehen und meine Augen schossen wieder zu dem Zeiger. Es war bereits 13:21h.

»Ich muss Nachhause! Sonst kriege ich Ärger, oh nein...« Panisch rappelte ich mich auf und suchte nach meiner Kleidung, die ich gestern Nacht getragen hatte. Meine Winterjacke hing an der Garderobe, aber wo war meine Hose und meine Schuhe?

Wie eine verrückte tigerte ich umher, bis Roman mich letztendlich packte und mich damit zum stehen brachte.

»Du willst doch gar nicht Nachhause.«

★★★

Meine Süßen Blümchen, ein weiteres Kapitel ist erfolgt. Seid stolz auf mich. Hab euch lieb, Schnuckiiis! Votet& kommentiert ❤️

Inviolable touchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt