Begegnung

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Die Gemeinschaft von Alexandria brauchte dringend Nahrung. Die Vorräte waren knapp und außerdem würden bald die Saviors auftauchen und auch noch die Hälfte davon an sich reißen.

Carmen hockte auf dem Boden und versuchte winzige Tomatensamen in die Erde zu drücken, ohne einen wirklichen Plan davon zu haben, was sie da überhaupt tat.
Sie hatte noch nie Glück mit Pflanzen, jede Zimmerpflanze, die sie damals geschenkt bekam, vor dieser verrückten Zeit war jämmerlich eingegangen. Aber jetzt ging es nicht mehr um Wohnungsdekoration, sondern ums Überleben.

Die Mittagssonne brannte heiß, es war ein ungewöhnlich warmer Maitag.
Carmen zog sich ihren dünnen Pullover aus, unter dem sie ein khakifarbenes Trägertop trug. Danach band sie sich ihre Haare erneut zusammen, um die Strähnen aus ihrem Gesicht loszuwerden und wühlte weiter in der angefeuchteten Erde herum. Immer noch in der Hoffnung, dass das, was sie da tat, überhaupt einen Sinn ergab.

Es war seltsam ruhig in der Gemeinschaft. Jeder erledigte seine Aufgaben und sie wirkten von oben betrachtet, wie ein kleiner Ameisenhaufen, irgendwie wuselig, aber doch waren alle Bewegungen gezielt.
Jedoch schwiegen sie alle. Nachdem was passiert war und was sie jetzt noch erwartete, fand niemand mehr die richtigen Worte.

Die Stille machte es Carmen noch schwerer, nicht in ihren Gedanken vollkommen abzuschweifen.
Am liebsten wollte sie an nichts denken, doch um so mehr sie es versuchte, um so weniger gelang es ihr.

Wie gerne hätte sie sich jetzt eine Zigarette angezündet, doch die letzte hatte sie heute morgen aufgeraucht.

Sie musste unweigerlich an Daryl denken. Nicht, dass sie eine große Freundschaft verband. Nein. Aber er war für sie unergründlich und deshalb hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, ihn irgendwann zu knacken. Mehr über ihn und seine Vergangenheit zu erfahren.
Schließlich musste man sich in dieser grotesken Zeit Ziele setzten, um weiter machen zu können, irgendwie. Und diese Herausforderung hatte sie sich selbst gestellt. Nur dass daraus wohl nichts werden würde. Schließlich war er in Gefangenschaft der Saviors geraten und wurde wahrscheinlich gerade gefoltert. Während Rick und seine Familie, wie durch ein Wunder, mal wieder ungeschoren davongekommen waren.

Plötzlich öffneten sich die schweren Tore von Alexandria und mehre Jeeps und Transporter bahnten sich den Weg hinein.
Carmen musste mit einer Hand auf der Stirn, ihre Augen vor der Sonne schützen, um überhaupt etwas erkennen zu können. Natürlich wusste sie sofort, um wem es sich bei diesen Leuten handelte.

Als ein schwarzhaariger Mann, mit kurzem grauen Bart und Lederjacke aus einem der Autos stieg, musste sie noch nicht mal den Baseballschläger in seiner Hand erblicken, um zu wissen, dass es Negan war.

Alle Bewohner standen wie in Schockstarre einfach da, auch Carmens Atmen ging schwer.

Rick ging, deutlich ängstlich, auf ihn zu. „Negan, ich dachte wir hätten noch etwas mehr Zeit!" sagte er mit zitternder Stimme.

Dieser begann zu lächeln, seine perfekten weißen Zähne blitzen hervor: „Rick, begrüßt man so einen guten Freund? Wo bleibt das Begrüßungsgetränk? .. Jaja, ich weiß, wir sind etwas früh dran, aber die Sehnsucht war einfach zu groß."
Er trat dicht an Rick heran und klopfte ihn provozierend auf die Schulter.
Neben ihrer Angst machte sich in Carmen noch ein weiteres Gefühl breit. Sie genoss es förmlich Rick so ängstlich zu sehen. Ja, sie hatte sogar sadistische Freude daran, ihn absolut hilflos zu sehen.

Negan hörte nicht damit auf, Rick eine sarkastische Demütigung, nach der nächsten an den Kopf zu werfen.
Dann ließ er seine Augen schweifen, jeder Bewohner, der von ihm angeschaut wurde, vergaß in dem Moment das Atmen.

Bei Carmen blieb sein Blick plötzlich stehen.
Er legte seinen Kopf leicht schräg und man sah, wie er angestrengt nachdachte.
Nach wenigen Sekunden stille, die vor allem Carmen wie eine Ewigkeit vorkamen, sah er erneut Rick an und hielt ihm seinen Baseballschläger entgegen.

„Darf ich dich bitten Lucille für mich zu halten? Aber schön vorsichtig, sie ist sensibel..".

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, machte er sich zielgerichtet auf den Weg zu Carmen.
Es waren nur wenige Meter, aber es fühlte sich wie eine Ewigkeit an.

Was hatte dieser Psychopath vor? Sollte so alles Enden? Sie war auf das Schlimmste gefasst, weil sie es immer war.
Noch einmal schluckte sie schwer, bis er direkt vor ihr stand.
Carmen spürte die Blicke der anderen auf ihr, ohne die Augen auch nur einmal von Negan abzuwenden.

„Ich glaube, wir wurden uns noch nicht vorgestellt...". er nahm ihre Hand, die noch voll Erde war, und hauchte einen sanften Kuss darauf.
„.. Negan..!" vervollständigte er seinen Satz mit einem Lächeln.
Sie bemühte sich, es zu erwidern.
„Carmen.." sagte sie knapp, aber selbstbewusst.
Lachend drehte er sich zu Rick um, der schweißgebadet mit dem Baseballschläger in der Hand, sich noch keinen Zentimeter bewegt hatte.
„Rickiboy, ich glaube, heute ist dein verdammter Glückstag .. wenn du mir ein Date mit dieser heissen Carmen hier besorgst. Nehmen wir heute nichts weiter mit ... wie wäre das, mhh?".

Rick ging einen kleinen Schritt nach vorn und sah sie verzweifelt an

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Rick ging einen kleinen Schritt nach vorn und sah sie verzweifelt an.
„Carmen, du musst das nicht tun .." versuchte er sie zu beruhigen.
Wie lächerlich und hohl diese Aussage war, doch genau das musste sie tun.
Das waren genau die Dinge, zu denen Rick die Leute drängte, nur alle anderen waren viel zu naiv, das zu sehen.

„Ich werde es aber .." entgegnete Carmen abrupt. Negan drehte sich freudestrahlend zu ihr um, dann zuckte sie leicht mit den Schultern „... schließlich ist mein letztes Date schon ziemlich lange her ...".

Negan griff in seine Hosentasche und warf Rick einen Autoschlüssel zu.
„Punkt 19 Uhr, Rick, bring' sie ja sicher zu mir ...".
Danach rief er seine Männer zusammen, um Alexandria wieder zu verlassen.

Als er in eines der Autos stieg, ging Carmen noch einmal auf ihn zu. Es passierte viel zu schnell, um noch lange darüber nachzudenken.
„Negan?". Schnell drehte er sich zu ihr um und sah sie direkt an. „Könnte ich dich vorher vielleicht noch um eine Schachtel Zigaretten bitten?".
Lächelnd schüttelte er leicht den Kopf. „Na, na rauchen ist tödlich .."
„Ich denke, das ist ein Date mit dir auch und trotzdem habe ich zugestimmt .." entgegnete sie knapp.
Negan machte nur eine kurze Handbewegung und schon gab der Fahrer des Wagens ihm eine Schachtel Zigaretten, die er wortlos an Carmen weiter reichte.

Mit den Worten: „Wir sehen uns heute Abend .." verschwanden die Saviors wieder aus Alexandria.

[Negan- TWD] Carry on as if nothing really matters...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt