Nachtwanderung

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„Oh Gott, Carmen gehts dir gut? Hat er dir irgendwas angetan? ... Als du nicht pünktlich wieder draussen warst, habe ich schon das Schlimmste befürchtet!"
Rick betrachtete sie aufgeregt, als sie sich neben ihm ins Auto setzte.

Sie hatte den Geschmack von Negan noch auf ihren Lippen und musste sich ein Lächeln verkneifen.

„Nein, nein alles in Ordnung ..." sagte sie wenig überzeugend.

Rick startete den Wagen und fuhr in die Dunkelheit.
Nach kurzem Schweigen, fragte er leise, als ob die Saviors ihn immer noch hören würden „Konntest du irgendwas rausbekommen, ..hast du Daryl gesehen?"

Die Brünette atmete tief aus. Es war klar, dass es ihm in Wahrheit nur darum ging und er keine Sorge ihretwegen hatte.

„Leider nichts brauchbares..." erwiderte sie ruhig.

Wieder schweigen.

Rick reichte ihr, ohne ein Wort zu sagen, ihre Waffe.
Natürlich konnte Carmen sie nicht mit zum Savior Hauptquartier mitnehmen. Sie wäre ihr höchstwahrscheinlich nur abgenommen worden.
Aber mit den der Pistole in der Hand, fühlte sie sich sofort wieder vollständiger. Als wäre sie, in den letzten Monaten, zu einem wichtigen Teil von ihr geworden.

Carmen konnte den Gedanken nicht verdrängen, wie es wäre, den Mann, den sie für den Tod ihrer Tochter verantwortlich machte, einfach in den Kopf zu schiessen. Niemand aus Alexandria würde es hinterfragen, wenn sie behauptete, dass ein Beißer ihn erwischt hat, oder ein Savior, oder sonst irgendjemand.
Diese Welt barg schließlich genug gefahren.

Aber so einfach wollte sie es ihm nicht machen.
Er wäre tot und sie würde weiterhin an diesem trostlosen Ort leben, von Menschen umgeben und doch furchtbar allein.

Seit heute Abend war die trauernde Mutter sich sicher, dass ihre Zeit noch kommen würde. Das war nicht ihr Ende.
Sie musste nur geduldig sein und es clever angehen.

Plötzlich gab es einen lauten Knall und der Wagen fing an zu straucheln. Ein weiterer Knall und dann kam er langsam zum stehen.
Geschockt sahen sich beide an.
Rick versuchte den Wagen wieder zu starten, doch bis auf ein leises brummen passierte nichts.
Er schlug mit beiden Händen fest auf das Lenkrad und fluchte lautstark „Fuck! ...fuck!..fuck!", dann öffnete er die Fahrertür, um sich den Schaden anzusehen.

Carmen blieb sitzen und starrte in die Dunkelheit, während Rick die Motorhaube öffnete und ließ ihre Gedanken schweifen. Es war ganz schön viel passiert, für nur einen einzigen Abend.

Abrupt stieg sie aus dem Wagen und ging zielgerichtet zu den Mann, der irgendwelche Kabel betrachtete.
Sie zog, mit einer schneller Bewegung, das Messer, dass Rick an seinem Gürtelholster trug, heraus, um einen Beißer zu töten.
Dieser befand sich schon gefährlich nah hinter Rick.
Überrascht drehte dieser sich um, betrachtete erst den Untoten, dann Carmen und nickte leicht „Danke!".

Carmen steckte das blutbedeckte Messer wieder dorthin zurück, wo sie es hergeholt hatte und lehnte sie gegen das Auto.
Wie gerne würde sie jetzt eine Zigarette rauchen.  „Nicht dafür, bring' lieber wieder den Wagen zum laufen.."

„Würde ich gerne, aber ich befürchtete das wird nichts." stellte Rick resigniert fest.

Jetzt spürte sie, wie die Panik in ihr Aufstieg. Nie wieder wollte sie durch die Dunkelheit streifen. Sie hatte zu viel erlebt.

„Ich schätze zu Fuß brauchen wir noch gut eine Stunde.. die Straßen sehen leer aus. Ich denke, wir sollten uns auf den Weg machen." Rick blickte in Richtung Fahrbahn.

„Ich hab' nicht mal ein verdammtes Messer dabei, nur diese scheiss Pistole!" sie spürte wie ihr Herz pochte.

Rick zuckte mit den Schultern. „Aber ich ..das sollte reichen ..wir müssen es versuchen..."

„Dann mal los .." sagte Carmen wieder etwas gefasster.

Die beiden machten sich auf den Weg.
„Was genau wollte Negan eigentlich von Dir? Hast du ihn irgendwelche Informationen gegeben?" fragte Rick nach einer Weile zögerlich.

„Ich denke, wir sollten nicht reden, dann hören wir die Beißer schneller, schließlich kann man kaum etwas sehen.." benutzte Carmen als Ausrede.

„Du hast recht, aber du sollst wissen.. falls du ihn irgendwas gesagt hast, wäre ich nicht enttäuscht, niemand wäre das ..schließlich musst du schreckliche Angst gehabt haben. .." flüsterte er.

Carmen hätte am liebsten die Augen gerollt, von welchen Informationen sprach Rick denn? Er hatte weder einen wirklich Plan, noch irgendwelche Geheimnisse.
Eigentlich hatte er nichts mehr, außer sein zu großes Ego.

„Ich habe nichts gesagt ..." sagte sie knapp.
Rick nickte erleichtert.

Es war eine ruhige Nacht, nichts als Stille und Dunkelheit. In Carmens Kopf war es dafür um so lauter.

Vereinzelt kreuzte ein Untoter ihren Weg, aber von denen ging keine wirkliche Gefahr aus.

Nach einer Weile ergriff Rick erneut das Wort. Konnte er nicht einfach seinen Mund halten?

„Ich hab's dir vielleicht noch nicht gesagt, aber das mit deiner Tochter ..Es tut mir furchtbar leid, was geschehen ist. Wenn ich mir vorstelle Carl oder Judith ...., ich wüsste nicht .."

„Ihnen gehts aber gut..." unterbrach Carmen ihn.
Sie konnte diese Worte nicht ertragen, schon gar nicht von ihm.

Was für ein quälendes Gefühl, hier draußen so abhängig zu sein, erst recht von Rick Grimes, umso erleichterter war Carmen, als sie die Tore Alexandrias erblickte.

[Negan- TWD] Carry on as if nothing really matters...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt