1.Kapitel

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Platsch.
Schleier wurde von dem Geräusch seines Futters geweckt. Müde streckte er sich und trottete zu seinem Napf. Genüsslich schlang er einige Bissen hinunter. Er mochte seine Zweibeiner wirklich sehr, denn sie gaben ihm immer genug zu fressen.
Als er fertig war, ging er zu seinem kleinen Katzennest und ließ sich hineinfallen. Er streckte sich noch einmal und schloss dann langsam die Augen.
Es war schon Sonnenhoch, als Schleier endlich wieder aufwachte. Er ging zu der Katzenklappe und quetschte sich aus dem kleinen Zweibeinerbau nach draußen. Dort hörte er ein paar Vögel zwitschern. Neugierig schaute er nach oben in einen Baum. Dort saßen zwei Vögel auf einem Ast. Schleier lief das Wasser im Mund zusammen. Wenn er Glück hatte, konnte er einen fangen.

Schleier schlich langsam zur Hecke, um sich darunter zu verstecken und die Vögel zu beobachteten. Dann schlich er weiter an den Baum heran. Die Vögel saßen immer noch dort oben. Schleier krallte sich an der Baumrinde fest und zog sich ganz langsam nach oben. Sein Herz klopfte so laut, dass er dachte die Vögel konnten ihn hören. Er war jetzt nur noch zwei Schwanzlängen von ihnen entfernt. Schleiers Herz raste vor Vorfreude. Doch dann verfing sich sein Fell in der Rinde und er bekam Panik und versuchte sich wieder zu befreien. Dummerweise klingelte deswegen sein Glöckchen, das an seinem Halsband hing, und die Vögel flatterten erschrocken davon. So ein Mäusedreck!

Enttäuscht sprang er wieder nach unten. Wieso musste ihn immer diese Glocke an einem saftigen Leckerbissen hindern? Sauer ging er wieder zurück zur Klappe im Nest, als er plötzlich auf ein Geräusch aufmerksam wurde. Schleier spitzte die Ohren. Drüben im Nebengarten raschelte etwas. Neugierig schlich er wieder in die Hecke, kroch bis zum Gartenzaun und sprang hoch. Geschickt landete er oben drauf. Von dort hatte er eine gute Aussicht auf ein paar Zweibeinernester und einen kleinen Donnerweg. Er spitzte wieder die Ohren. Da war das Geräusch wieder. Diese Maus entkommt mir nicht.

Ohne vorher den Geruch zu prüfen, sprang er in das Gebüsch und starrte daraus auf die andere Seite des Gartens. Dort bewegte sich etwas in den Himbeerbüschen. Er lief vorsichtig durch die Hecke darauf zu, bis er kurz davor war. Schleier sprang ab und landete auf etwas Weichem, was sofort quiekte. Triumphierend reckte er den Schwanz in die Höhe. Das musste eine Maus gewesen sein. Er wollte gerade zubeißen, da stieß ihn von hinten etwas an.

,,Was um alles in der Welt machst du mit meinem Jungen?", knurrte eine Kätzin.
Er drehte sich ruckartig um und sah eine große braune Kätzin vor sich stehen. Verlegen hob er seine Pfote an und ließ das kleine Kätzchen frei, was sofort zu seiner Mutter lief und sich hinter ihr versteckte.
,,Entschuldigung, ich dachte, es wäre eine Maus", miaute er kleinlaut.
,,Wie kann man nur so etwas Dummes denken?!", fauchte sie und bleckte die Zähne.
Schleier bekam Angst und sträubte das Fell. Würde sie gleich auf ihn losgehen?

Ohne ein weiteres Wort sprang er aus der Hecke und rannte wieder in sein Territorium. Wie peinlich!
Er warf noch mal einen Blick hinter sich, doch sah den Zweibeiner nicht. Der packte ihn und trug ihn nach drinnen. Als er wieder abgesetzt wurde, preschte er sofort wieder zu der Katzenklappe. Aber anstatt das sie aufsprang, knallte er dagegen.
Lasst mich raus!
Da kam ein Zweibeinerjunges und wollte ihn streicheln. Schleier ließ es zu und schnurrte laut. Als es genug war, miaute er laut. Wieso ließen die ihn nicht raus?

Nach kurzer Zeit kam ein anderer Zweibeiner. Schleier begann wieder an der Tür zu kratzen und miaute laut. Das gefiel ihm anscheinend gar nicht, denn er packte ihn und trug ihn weg zu einer kleinen Box. Oh nein, der Abschneider!
Er kannte den von ein paar anderen Katzen. Also kratzte er den Zweibeiner, der daraufhin laut aufheulte, und nutzte die Gelegenheit wegzurennen. Er lief quer durch die Wohnung und kroch unter das kleine Zweibeinernest und ging so weit nach hinten, wie es ging. Hoffentlich fanden sie ihn hier nicht. Schleier hörte die Zweibeiner nach ihm rufen, aber er rührte sich nicht von der Stelle.

Es war Sonnenuntergang, als er von einem Geräusch geweckt wurde. Er musste eingeschlafen sein. Schleier schlich vorsichtig aus seinem Versteck heraus und sah, dass ein Zweibeiner aus dem Nest rausging. Er zögerte nicht und raste zur Öffnung und schlüpfte im letzen Augenblick hinter dem Zweibeiner durch, der daraufhin laut fluchte. Endlich war er wieder draußen!
Schleier lief schnell um das kleine Nest herum und sprang in den Garten. Er hatte schrecklichen Hunger. Oben auf dem Baum, wo bei Sonnenhoch die Vögel saßen, lag ein Nest. Vielleicht waren da Vögel drin. Er schlich an den Baum ran und zog sich dieses Mal vorsichtiger hoch. Seine Glocke durfte nicht klingeln. Freudig erkannt er, dass in dem Nest wirklich Vögel saßen. Schleier leckte sich das Maul, sprang ab und landete neben den Vögeln.

Bevor sie wegfliegen konnten, sprang Schleier ab und erwischte beide. Der eine erschlaffte gleich und der andere zappelte noch, um sich zu befreien. Schleier fuhr die Krallen aus und zog sie dem Vogel über den Bauch. Der Vogel zwitscherte noch kurz, danach erschlaffte auch er.
Zufrieden schob er die Vögel vom Baum runter und sie landeten unten mit einem dumpfen Aufprall. Jetzt musste nur noch er selber wieder vom Baum runterkommen. Bei Sonnenhoch war das einfacher gewesen, weil er da noch nicht ganz bis nach oben geklettert war. Schleier sah nach unten und er war erstaunt, wie hoch so ein kleiner Baum doch war. Einfach nicht runterschauen, dann klappt es schon, versicherte er sich.

Bevor er runterspringen konnte, raschelte etwas im Dornengebüsch, zu der anderen Seite des Gartens. Danach hörte man ein Fauchen. Ist das eine Katze? Schleiers Fell stellte sich auf. Ein brauner Kopf schob sich durch das Gebüsch. War das die Kätzin von vorhin? Als Schleier genauer hinschaute, sah er, dass es eine andere Katze war. Sie ging zu dem Baum, wo er drauf saß. Dann kam noch ein weißer Kater aus dem Gebüsch und eilte ihr hinterher.

Die Eindringlinge waren jetzt nur noch einige Schwanzlängen unter ihm. Schleier versuchte leicht zu atmen, damit sie ihn unten nicht hören konnten. Es könnten auch böse Katzen sein. Da erkannte Schleier, dass ein vertrauter Geruch an den Katzen hing. Das waren Katzen, die ein Haus neben ihm wohnten. Zu der Seite war er noch nie gegangen, weil die Dornenhecke den Weg versperrte. Schleier konnte sich nicht mehr richtig an die Namen erinnern. Die beiden Katzen gingen zu den Vögeln und schnupperten daran. Wütend spannte er die Muskeln an.
,,Hey, das sind meine Vögel!", fauchte er vom Baum runter.

Die beiden Katzen zuckten erschrocken zusammen sich und schauten nach oben. Die Augen der Kätzin wurden groß.
,,Komm doch runter, Schleier!", miaute sie einladend.
Ihm blieb der Mund offen stehen. Woher wussten sie seinen Namen.
,,Jetzt guck nicht so, wie eine Maus in der Mausefalle, sondern komm runter!", wiederholte sie sich.
,,Wie denn?"
,,Spring einfach", knurrte der Kater.
,,Sei nicht so unhöflich zu unserem Bruder", blaffte die Kätzin ihn an.
Schleier straffte die Muskeln und sprang ab...und landete genau auf dem Gesicht. Wie unangenehm!
Die beiden Katzen schnurrten amüsiert.

,,Also, ich bin Minka und das ist Biene", miaute die Kätzin nach kurzer Zeit. ,,Und du bist Schleier, richtig?"
,,Ja", antwortete Schleier überfordert.
Was sollte er bloß sagen?
,,Lass uns die Vögel mit dir teilen. Wäre das in Ordnung?"
Er wollte nicht unhöflich sein, deswegen nickte er nur. Minka und Biene nahmen sich einen Vogel und teilten ihn sich.
,,Warum isst du denn nicht?", miaute Minka.
Anstatt auf die Frage zu antworten, fragte er: ,,Seid ihr wirklich meine Geschwister?"

,,Wie sieht es denn aus, Dummie?", knurrte Biene.
,,Jetzt lass das doch mal", knurrte Minka zurück.
Schleier stieg ein amüsiertes Schnurren in der Kehle auf.
,,Ja, wir sind deine Geschwister."
,,Und wo leben unsere Eltern?", wollte er noch wissen.
,,Das weiß ich nicht."

Anstatt auf eine Antwort zu warten, begann sie wieder an dem Vogel zu kauen. Sie schwiegen eine ganze Weile, bis die Vögel fast weg waren.
,,Willst du das letzte Stück?", fragte Biene ihn nun ziemlich freundlich.
,,Ja, gerne."
Schleier hatte bis jetzt noch nichts gegessen. Er biss in den Vogel rein und er schmeckte noch erstaunlich warm.
Als er aufgegessen hatte, verabschiedeten sie sich und seine Geschwister gingen nach Hause. Schleier war richtig müde, aber er hatte keine Lust in sein Nest zu gehen, weil da auch wieder diese Zweibeiner waren. Und die würden ihn garantiert zum Abschneider bringen wollen. Also ging er zu einer Steinerhöhung und sah ein Fellding. Erfreut legte er sich hinein und war nach kurzer Zeit schon eingeschlafen.

Schleier blinzelte. Er wurde von der Sonne geweckt. Es war schon Sonnenhoch. Er schlug die Augen auf und hätte sie am liebsten wieder zugemacht, denn vor ihm stand ein massiger Tigerkater.

Warrior Cats - Der verlorene Anführer (Vorgeschichte)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt